Autismus „Mit einem autistischen Kind ist das Leben jeden Tag anders“

Krefeld · Benjamin, der 15-jährige Sohn von Diana Housel, hat die Diagnose Autismus. Für die Amerikanerin ist es eine „Göttliche Fügung“, dass sie in Krefeld so viel praktische Hilfe erfährt.

 Benjamin ist 15. Zeit, um mehr Eigenverantwortung zu übernehmen – auch als Autist.

Benjamin ist 15. Zeit, um mehr Eigenverantwortung zu übernehmen – auch als Autist.

Foto: Christina Schulte

Ortstermin in Gartenstadt: Die Lebenshilfe besucht eine kleine amerikanisch-deutsche PatchworkFamilie, deren 15-jähriger Sohn Benjamin die Diagnose Autismus hat. Die Wände im Wohnzimmer sind hellblau gestrichen, an einer Seite Ton in Ton mit einem französischen Muster tapeziert. Die Fensterbank steht voller grüner Pflanzen, es ist aufgeräumt: Diana Housel hat sich und ihren Lieben die Wohnung richtig schön gemacht.

Bei der inneren Ordnung und äußeren Organisation hilft Darina Leuchtenberg von der Lebenshilfe. Zweimal in der Woche kommt die junge Frau in die schöne Wohnung und berät Diana Housel in Familienfragen. Im Herbst hatten sie ihr Erstgespräch – die Amerikanerin ist zufällig auf den Verein Lebenshilfe Krefeld gestoßen, als sie die gegenüberliegende VHS aufgesucht hatte. „Was machen die eigentlich?“, hatte sie ihren Lebensgefährten gefragt und schnell erfahren, dass sie mit Benjamin und seiner Diagnose Autismus genau an der richtigen Adresse war. Der Verein Lebenshilfe Krefeld betreut ambulant und stationär Menschen mit Einschränkungen.

„Divine intervention“, nennt Diana Housel das Treffen auf den Fachdienst „Sozialpädagogische Familienhilfe“ (SPFH), „eine göttliche Fügung“. Diese SPFH ist darauf spezialisiert, Familien erzieherisch zu unterstützen, wo Kinder oder Jugendliche mit Behinderung zur Familie gehören. „Unsere Aufgabe besteht darin, Wege aufzuzeigen“, sagt Fachdienstleiterin Meike Erben, „die Entscheidungen trifft natürlich die Familie.“

Die Sozialpädagogin Darina Leuchtenberg ist die Bezugsperson für Diana Housel. „Wir haben erstmal die Gedanken sortiert“, sagt Leuchtenberg heiter. Zusammen arbeiten die beiden Frauen die entstandenen Listen ab: Welche Schule könnte die beste für Benjamin sein? Wo könnte er ein Berufspraktikum machen?

Mit Sachverstand lotst Darina Leuchtenberg die Familie durch Vorschriften, Fördermöglichkeiten und eröffnet Perspektiven. Zum Beispiel mit dem Schwerbehindertenausweis: „Jetzt hat Benjamin diesen Ausweis bekommen“, sagt seine Mutter, „ich wusste vorher gar nicht, dass es so etwas gibt.“

Um zu entscheiden, was Benjamin gefällt und passt, wird er in einer Privatschule hospitieren. Aktuell besucht er die Förderschule am Rundweg und fühlt sich dort sehr wohl. „Benjamin darf selbst mit entscheiden, wie es weitergehen soll“, sagt Meike Erben. „Auch das war ein Schritt für Frau Housel: anzuerkennen, dass ihr Sohn mit zunehmendem Alter mehr Eigenverantwortung übernehmen kann.“

„Wir schaffen das“, sagt Diana Housel im Brustton der Überzeugung, „there is a weight off my shoulders“ – ihr ist eine Last von den Schultern genommen. Jetzt kann sie deutlicher sehen, welche Möglichkeiten Benjamis Stärken und Schwächen eröffnen. „Er ist körperbewusst, sozial und beliebt in der Schule“, sagt sie, „und außerdem besonders kreativ.“ Man erkennt es an den Lego-Autos, die Benjamin mit Akribie und ausgeprägter Feinmotorik leidenschaftlich zusammenbaut. „Mit einem autistischen Kind ist es jeden Tag anders“, sagt Diana Housel.

Sie stammt aus den USA, wurde vor 45 Jahren in Omaha, Nebraska geboren. Dort kam auch Benjamin zur Welt. Diana Housel arbeitete in verschiedenen europäischen Ländern für die US-Navy; der 20-jährige Sohn lebt beim Vater in Münster. „Die Brüder stehen sich sehr nahe“, sagt die Mutter, „sie lieben es, zusammen zu sein.“

Aufgrund der Unterstützung durch die Familienhilfe kann Diana Housel sich auch Gedanken über den eigenen Weg machen: Sie möchte ihr Deutsch verbessern und dann einen Job finden. Und bei kleinen Irritationen reicht einfach eine Mail an Darina Leuchtenberg, die dann wieder beim Sortieren im Kopf hilft.

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