Unser Land in den 80ern TV-Rückblick: Der schiefe Turm aus Krefeld

Krefeld · Beruflich war es die dunkelste Stunde für den Sprengmeister Herbert Roller: Im Oktober 1980 gelang es ihm erst im fünften Versuch, das 25 Meter hohe Silo des Krefelder Malzwerks an der Kölner Straße zu besiegen. Bis dahin widerstand das Gebäude und ging als schiefer Turm von Krefeld in die Ortsgeschichte ein. Für den WDR Anlass genug, die Episode zum Auftakt der neuen TV-Serie „Unser Land in den 80ern“ in Erinnerung zu rufen.

 Das Silo der Malzwerke Krefeld in Königshof  an der Kölner Straße wird im Oktober 1980 gesprengt. Erst im fünften Versuch fällt das Gebäude mit 16-tägiger Verspätung.

Das Silo der Malzwerke Krefeld in Königshof  an der Kölner Straße wird im Oktober 1980 gesprengt. Erst im fünften Versuch fällt das Gebäude mit 16-tägiger Verspätung.

Foto: Stadtarchiv Krefeld

Neon-Leggings, Zauberwürfel und Neue Deutsche Welle von Aachen über Krefeld bis Bielefeld. Die 1980-er Jahre waren ein buntes Jahrzehnt, das Nordrhein-Westfalen geprägt, bewegt und oft genug auch erschüttert hat. Hier Disco-Fieber, schrille Mode und schräge Frisuren, dort leidenschaftliche Proteste, politische Umbrüche und Skandale. Mittendrin Krefeld.

Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) widmet diesem stürmischen Jahrzehnt eine zehnteilige Reihe und bietet einen exklusiven Blick auf die Ereignisse des Landes. Dabei bekommt jedes Jahr seine eigene Dokumentation: ab dem 10. August immer freitags um 20.15 Uhr im WDR Fernsehen. Und gleich beim Auftakt ist eine Anekdote aus der Seidenstadt Thema, die im Oktober 1980 Tausende an den Ort des Geschehens an der Kölner Straße lockte. Sprengmeister Herbert Roller aus Wuppertal hatte den Auftrag, das 25 Meter hohe Silo der Malzwerke Krefeld zu sprengen. Roller war in Krefeld kein Unbekannter. Der Experte beseitigte 1974 nach heftigen Protesten aus der Bevölkerung den Wasserturm an der Gladbacher Straße. Doch diesmal spielte ihm das berufliche Schicksal einen Streich. Der Silo-Komplex aus dem Jahr 1857 widerstand den Sprengladungen und neigte sich lediglich zur Seite statt ineinander zusammenzufallen. Der schiefe Turm von Krefeld wurde zur Publikumsattraktion. Weitere 16 Tage und vier zusätzliche Versuche mit 65 Kilogramm Sprengstoff bedurfte es, ehe Roller „Auftrag erfüllt“ melden konnte. Die Panne griffen die Karnevalisten seinerzeit im Rosenmontagszug mit einem Motivwagen auf.

 Jahre später kam Roller erneut in die Seidenstadt. Sein Auftrag: Das alte Schwesternheim auf dem Helios-Klinikum-Gelände beseitigen. Diesmal klappte mit der Sprengung wieder alles reibungslos. Die Panne in Königshof ist jedoch das Ereignis, das den Menschen in Erinnerung blieb.

 Die Krefelder schauten sich das Spektakel aus der Nähe an: Das Silo überstand die Sprengstoffattacke und verharrte in bedrohlicher Schieflage.

Die Krefelder schauten sich das Spektakel aus der Nähe an: Das Silo überstand die Sprengstoffattacke und verharrte in bedrohlicher Schieflage.

Foto: Stadtarchiv Krefeld

Während Roller sich mit dem widerspenstigen Bauwerk abmühte, fand politisch Bedeutsames in der Stadt statt. Am 16. Oktober 1980 wurde in Krefeld auf einer Konferenz der Friedensbewegung (unter anderem mit Petra Kelly und Gert Bastian) der „Krefelder Appell“ gegen den NATO-Doppelbeschluss formuliert Die 1980er waren das Jahrzehnt, in dem sich Hunderttausende auf den Weg machten, um gegen Nachrüstung und in NRW stationierte Atomwaffen zu protestieren. Ein neues Umweltbewusstsein erwachte – ausgelöst durch die Angst vor „Saurem Regen“ und „Waldsterben“. In den 80ern wurde im Westen leidenschaftlich darüber gestritten, wie sich das Land auf den Weg in die Zukunft machen sollte, wirbt der WDR für seine Serie. Den Auftakt mit Krefelder Geschichte macht am 10. August Annette Frier. Mit dem Jahr, in dem sie eingeschult wurde – und ihre Oma Irma in der Mülltonne vor dem großen Rheinhochwasser in Sicherheit gebracht werden musste.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort