Mitarbeiter des Kinderbauernhofs "Mallewupp" in Krefeld Tierquälerei: Entsetzen über Häme und Grausamkeit

Krefeld · Die mutmaßliche Tierquälerin ist gefasst. Doch für die Mitarbeiter des Kinderbauernhofs, auf dem ein Schafsbock geköpft wurde, ist der Weg zurück in den Alltag schwer. Die Leiterin von "Mallewupp", Silvia Schiratti, spricht über die schwere Zeit.

Krefeld: Schock auf Kinder-Bauernhof "Mallewupp"
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Frau Schiratti, der schreckliche Vorfall mit dem geköpften Schafbock Piet ist mehr als drei Monate her. Jetzt wurde wieder ein Tier getötet, die Täterin vermutlich gefasst. Wie fühlt sich das für Sie an?

Schiratti Ich musste in den letzten Monaten auf die harte Tour lernen, mit derlei Ängsten umzugehen. Ich stelle nun fest, dass mich die Neuigkeiten betroffen machen, aber nicht erneut in so große Sorge versetzen.

Was meinen Sie mit "auf die harte Tour lernen"?

Schiratti Der Vorfall mit unseren Schafbock Piet hat sich für mich auch als persönliche Bedrohung dargestellt unter der ich sehr gelitten habe. Schließlich stand auf den beiden Bekennerschreiben, die hier auf Mallewupp gefunden wurden, mein Name als Adressat auf dem Umschlag. Ich konnte wochenlang, eigentlich bis die Täterin gefasst war, nachts nicht schlafen. Wenn es ganz schlimm war, bin ich mit meiner Tochter bei einer Freundin untergeschlüpft. Besonders furchtbar war die Vorstellung, der Täter könnte zurückkommen und weitere Tiere töten. Ich war in Panik, dass meine Tochter morgens auf dem Weg zur Schule am Gartentor den Kopf ihres Ponys findet. Und ein paar Tage später war es dann wirklich ein Pony, das getötet wurde. Es war wirklich eine sehr schlimme Zeit. Für mich ist die Täterin nicht nur eine Tierquälerin, sondern auch eine Menschenquälerin.

Warum?

Schiratti Die Aggression und Häme der Inhalte der Bekennerbriefe, die Kommunikation, die durchaus intelligent war, das schreckliche Gefühl, dass der Täter sich traut, am helllichten Tage hier Briefe abzulegen. Die Grausamkeit, Ohren und Mähne in Tatortnähe abzulegen, gerade die Körperteile eines Pony, die man krault und liebkost, so hinzulegen, dass Kinder sie hätten finden können. Das ist das Grauen, das ist auch Menschenquälerei.

Wie haben Sie die Zeit nach Piets Tod und dem Verschwinden des Kopfes erlebt?

Schiratti Es gab damals eine Menge Entscheidungen zu treffen, und alle waren ratlos und überfordert. Ich musste einfach funktionieren. Und unendlich viele Fragen beantworten, der Polizei, den Nachbarn. Und natürlich die der Kinder.

Wie erklärt man Kindern das Geschehene?

Schiratti Der Kinderschutzbund hat uns Tipps gegeben, das hat sehr geholfen. Wir haben den Kindern versucht, den Vorfall auf Märchenebene zu erklärten: Es gibt Gute, es gibt Böse und es gibt eine Instanz, die Polizei, die dafür sorgt, dass das Böse bestraft wird.

So ganz scheint das ja nicht zu funktioniert zu haben. Denn die mutmaßliche Täterin war weiterhin bei ihren Eltern zu Hause und könnte auch am letzten Wochenende das Schaf auf der Wiese in Hüls erstochen haben.

Schiratti Um eine der meistgestellten Fragen zu beantworten: Ja, ich halte es für möglich, dass eine 17-jährige junge Frau die Taten begangen hat. Und ich hielt und halte die Vorgehensweise, die Person in der Obhut ihrer Familie zu belassen, für einen Fehler und hoffe sehr, dass diesbezüglich nun so verfahren wird, dass die berechtigten Ängste der Menschen aufgefangen werden.

Kennen Sie die Identität der 17-Jährigen?

Schiratti Nein. Es ist schon ein blödes Gefühl sich vorzustellen, dass es vielleicht jemand ist, der hier bei uns in einem Projekt mitgemacht hat, jemand, den wir kennen und vielleicht selber auf Mallewupp eingewiesen haben.

Hat Mallewupp durch den Vorfall finanzielle Probleme bekommen, ist der Kinderbauernhof in Gefahr?

Schiratti Piets Tod fiel gerade in die Zeit, als wir nach einem überlangen Winter wieder versucht haben, Einnahmen zu erzielen, um den nächsten Winter überstehen zu können. Dadurch, dass ich mit posttraumatischem Stresssyndrom lange krankgeschrieben war, eine andere Mitarbeiterin ebenso, konnten wir nicht so arbeiten, wie gewohnt. Außerdem haben wir uns am Anfang bewusst aus der Öffentlichkeit und Werbung zurückgezogen, als uns klar wurde, dass über die Bekennerbriefe und die Presse ein Dialog mit dem unbekannten Täter stattfindet. Wir wollten ihn nicht ermuntern, zurückzukommen. Daher sind manche unserer Angebote jetzt nicht so gut gebucht. Es darf jetzt wirklich nichts, gar nichts mehr passieren, sonst wird es sehr schwer.

Hatten Sie den Impuls, aufzugeben?

Schiratti Nein. Der Vorfall ist ein Grund mehr, weiterzumachen. Wir müssen unsere Arbeit hier tun, um die Entfremdung von der Natur ganz früh, im Kindesalter, in eine andere Richtung zu lenken. Aber man muss schon sagen, dass Mallewupp seine Jungfräulichkeit und Unschuld verloren hat. Wir haben einen Schritt in die Reife und Abgeklärtheit machen müssen.

Womit könnte man dem Mitmachbauernhof Mallewupp in dieser Situation helfen?

Schiratti Unser größtes Problem ist weiterhin, dass wir kein Winterquartier haben, um auch in der kalten Jahreszeit kontinuierlich zu arbeiten und Geld zu verdienen. Ich wünschte, wir hätten einen beheizbaren Holzcaravan. Leider kostet das ideale Modell 30.000 Euro.

Aber man könnte auch mit kleineren Beträgen helfen?

Schiratti Es wäre großartig, wenn Familien und Firmen Fördermitglieder werden würden.

Erwarten Sie von der Stadt Hilfe?

Schiratti Wir hoffen, dass es noch Fördermittel gibt, mal sehen. Aber ich muss an dieser Stelle wirklich mal loswerden, dass ich total enttäuscht bin, dass es weder von der Stadt noch vom Jugendamt auch nur ein einziges Wort des Trostes oder Bedauerns gegeben hat, nachdem Piet tot war. Es ist immer Zeit, uns anzurufen und zu mailen, wenn wir mit Mallewupp, natürlich kostenlos, bei der Kinderexpo oder bei anderen Veranstaltungen die Stadt gut aussehen lassen sollen. Aber es war anscheinend nicht möglich, kurze Worte des Bedauerns an uns zu richten.

Irgendwann wird es ein Gerichtsverfahren gegen die mutmaßliche Täterin geben, was erhoffen Sie sich davon?

Schiratti Ich glaube nicht, dass wir Antworten bekommen werden, die wir verstehen. Diese Gewalt ist was Krankes. Ich hoffe trotzdem, bei dem Verfahren dabei sein zu können. Außerdem möchte ich, wenn alles vorbei ist, den Schädel von Piet zurückhaben. Der gehört einfach nach Mallewupp. Vielleicht ist das der Moment, in dem sich der Kreis schließt.


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