Musik in Krefeld „Takte von Beethoven fielen vom Himmel“

Krefeld · Thomas Blomenkamps neues Klaviertrio wäre beinahe in der Serenaden-Reihe auf Schloss Linn erklungen. Vielleicht gibt es einen Nachhol-Termin.

 Thomas Blomenkamp hat unter anderem fürs Theater Krefeld Mönchengladbach die Oper „Der Idiot“ komponiert.

Thomas Blomenkamp hat unter anderem fürs Theater Krefeld Mönchengladbach die Oper „Der Idiot“ komponiert.

Foto: Thomas Blomenkamp/T.B.

Fast wären Krefelds Serenaden-Besucher in den Genuss gekommen, beim Gastspiel des Morgenstern-Trios Ende März auf Burg Linn die Aufführung von Thomas Blomenkamps neuem Klaviertrio zu erleben. Das Stück des Meerbuscher Komponisten wurde 2019 in Duisburg aus der Taufe gehoben, ein weiteres Mal in Kempen gespielt. Und vielleicht erklingt es in Krefeld doch noch, wenn für die Serenade ein Ersatztermin gefunden wird. Wir wollten wissen, was wir denn da einstweilen verpasst haben.

Herr Blomenkamp, die Aufführung Ihrer Oper „Der Idiot“ am Krefelder Theater war ja ein großer Erfolg. Knüpft Ihr Klaviertrio auf irgendeine Weise daran an?

Thomas Blomenkamp Nun, die Aufführungen meiner Oper in Krefeld liegen 19 Jahre zurück. Das ist ein langer Zeitraum, in dem sich vieles wandelt, sicher auch in meiner Musiksprache. Und natürlich ist ein Stück absoluter Musik wie ein Klaviertrio meilenweit entfernt von einer Oper.

Beim Überfliegen der Partitur fallen ganze Seiten ohne jedes Vorzeichen auf. Es gibt kaum komplizierte Spielanweisungen für den Pianisten und die Streicher. Ist das Trio ein konventionelles Stück?

Blomenkamp Glauben Sie mir: Das Stück ist auch ohne komplizierte Spielanweisungen höllisch schwer, in puncto Tempi und asymmetrische Taktarten beispielsweise. - Was ist konventionell? Ich weiß es nicht. Diese Schubladen haben mich nie interessiert. Ich vermeide es, Stücke zu schreiben, bei denen zunächst eine zehnseitige Gebrauchsanweisung zu verinnerlichen ist, bevor es losgehen kann. Nicht selten kaschiert das einen Mangel an Substanz – ich erlebe das oft bei Kompositionswettbewerben.

Gibt es etwa einen offenen oder verborgenen Bezug zum Beethoven-Jahr?

Blomenkamp Lange hatte ich mich dagegen gesträubt, doch dann fielen bei der Komposition des letzten Satzes ein paar Takte aus Beethovens Erzherzog-Trio vom Himmel, die wie selbstverständlich passten, allerdings bekommt das in rasendem Tempo kaum jemand mit...

Welchen Anlass überhaupt fanden Sie für die Komposition?

Blomenkamp Der Anlass war ein Konzert des Morgenstern Trios in Kempen 2017. Wir sprachen miteinander, vereinbarten eine Zusammenarbeit, ein paar Konzerte kamen zustande, das Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW finanzierte den Auftrag und der Intendant der Duisburger Philharmoniker engagierte als erster das Morgenstern Trio mit einem Beethoven-Brahms-Blomenkamp-Programm. Und ich konnte endlich mein erstes Klaviertrio schreiben!

Sie haben das Trio für die Uraufführung mit dem Morgenstern-Trio geschrieben. Gab es da so etwas wie ein „work in progress“?

Blomenkamp Nein, sie haben die Sätze nacheinander bekommen, zunächst als Manuskript-Partitur. Wir haben ab und zu telefoniert, gesehen haben wir uns erst zur Generalprobe einen Tag vor der Uraufführung in der Duisburger Philharmonie, bei der die Musiker das Stück bereits verinnerlicht und derart packend gespielt haben, dass es nicht nur mich vom Stuhl gehauen hat.

Der Titel Ihres Werks Nummer 92 lautet „Prelude, Prestissimo, Pavane und Precipitato für Klaviertrio“. Das müssen Sie erklären...

Blomenkamp Alle meine Werke für Klavier und Streicher (ein Quartett und ein Quintett bisher) haben Alliterationen bei den Satztiteln, das ist wohl eine Marotte. Die Pavane ist ein alter höfischer Tanz, Precipitato bedeutet: „kopfüber nach vorne stürzend“.

Zum Schluss: Sind Sie eigentlich sauer auf „Corona“? Müssen Sie als Komponist wirtschaftliche Nachteile befürchten?

Blomenkamp Uns alle betrifft diese Ausnahmesituation, auch die freischaffenden Komponisten. Acht Aufführungen, darunter eine Uraufführung in Bremen und zwei Aufführungen in Russland, sind bis Mitte Mai abgesagt. Dass sie vorerst nicht stattfinden ist schmerzlicher als der überschaubare  Tantiemenausfall. Sauer bin ich nicht, eher nachdenklich. Und nicht-digitales „home office“ im Alleingang betreibe ich ja ohnehin.

Was wird man demnächst Neues von Thomas Blomenkamp hören?

Blomenkamp Wahrscheinlich zwei Chorwerke: Ein De profundis für 120 Sänger und sieben Blechbläser, unter anderem im gespenstischen Ambiente des größenwahnsinnigen Nazibunkers Valentin in Bremen. Und dann zum 550. Todesjahr des großen Mystikers Thomas von Kempen ein Stück für Kammerchor und Orgel in seiner Geburtsstadt und im niederländischen Zwolle.

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