Krefeld Theater startet mit armenischemPolit-Stück

Krefeld · Mit einer besonderen Uraufführung beginnt das Theater morgen die neue Spielzeit: "Eine Schiffsladung Nelken für Hrant Dink" ist außer-europäisches Theater aus Armenien - zum Genozid 1915 und der Ermordung des Journalisten Hrant Dink 2007.

 Denise Matthey in einer Szene aus "Eine Schiffsladung Nelken für Hrant Dink". Die 1984 in Wuppertal geborene Schauspielerin gibt ihr Krefeld-Debüt in der Fabrik Heeder. In dieser Spielzeit ist sie neu im Ensemble.

Denise Matthey in einer Szene aus "Eine Schiffsladung Nelken für Hrant Dink". Die 1984 in Wuppertal geborene Schauspielerin gibt ihr Krefeld-Debüt in der Fabrik Heeder. In dieser Spielzeit ist sie neu im Ensemble.

Foto: Thomas Esser

Als Schriftstellerin hat sich Anna Davtyan immer als Poetin verstanden. Nun hieß die Aufgabe, ein Stück fürs Theater zu schreiben über ein Thema, über das man kein Stück schreiben kann. Die 32-Jährige, die in der armenischen Hauptstadt Jerewan lebt, hat den Text zu "Eine Schiffsladung Nelken für Hrant Dink" verfasst, den die ebenfalls armenische Regisseurin Zara Antonyan für die Studiobühne in Szene setzt. Morgen, 20 Uhr, hat die Uraufführung Premiere in der Fabrik Heeder.

Es ist ein schwerer Stoff, der den Völkermord an den Armeniern durch die Türken im Ersten Weltkrieg thematisiert. Es gibt Schätzungen, nach denen in den Jahren 1915 und 1916 bei den Massakern etwa eine Million Menschen getötet wurden. Aber das Stück lebt vor allem von dem Journalisten Hrant Dink (1954-2007), einem Armenier mit türkischer Staatsangehörigkeit, der für den Frieden zwischen den Völkern eintrat. Wie der Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk wurde er vom türkischen Regime mehrfach wegen Beleidigung und Verächtlichmachung des Türkentums angeklagt. 2007 wurde er in Istanbul vor dem Verlagshaus seiner armenisch-türkischen Zeitung "Agos" erschossen. Zu seiner Beerdigung kamen 100.000 Menschen, der Geleitzug war acht Kilometer lang. Ein Politikum. "So viele Trauernde, so viele Blumen: Dieses Begräbnis war das erste Zeichen, dass sich etwas verändert hat", sagt Anna Davtyan. Für sie war klar, dass sie über Dink etwas machen wollte. Als sie Zara Antonyan wiedertraf, die von Schauspieldirektor Matthias Gehrt, der sie bei einer Tagung in Jerewan kennengelernt hatte, den Auftrag für ein Stück fürs Krefelder Theater hatte, war für beide Hrant Dink die zentrale Figur. "Ich wollte vor allem ein zeitgenössisches Stück, eines aus heutiger Sicht", sagt Antonyan. Und: "Die Schauspieler sollten keine Rollen spielen, sondern aus ihrer Sicht heraus eine Position erzählen."

Der Text ist keine dramatische Theatervorlage. "Sehr, sehr schön, poetisch und dokumentarisch und von der Struktur schwierig", nennt die Regisseurin ihn. "Wenn ich einen Text lese, achte ich darauf, ob er in mir klingt." In diesem Fall hat sie drei wesentliche Stimmen gehört, eine dokumentarische, eine armenische und eine türkische. Aus deren Perspektiven und mit vielen anderen Tonlagen umkreist der Abend das Thema und nähert sich Hrant Dink an, erzählt auch von anderen armenisch-türkischen Klängen. Er will kein Biopc liefern, sondern eine Ahnung von einem Menschen geben, der für die Geschichte wichtig war. "Ich kannte Hrant Dink nur durch seine Bücher und las Journalist. Bevor ich den Text geschrieben habe, bin ich einen Monat durch die Türkei gereist, habe mit seiner Familie und seinen Freunden gesprochen. Da habe ich begonnen ihn zu lieben. Mit wie viel Herzlichkeit sie sich an ihn erinnern", sagt Davtyan. Für sie ist Hrant Dink der politische Denker, der Friedensstifter, aber auch der Mann mit den langen Armen, die einen Menschen, wenn er ihn umarmte, immer völlig umfassten.

Video, Musik und Projektionsflächen gehören zur Inszenierung des Abends.

(RP)
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