Deutsches Textilmuseum Krefeld Gürtel erzählt Weihnachtsgeschichte

Krefeld · Eine Gürtelschnalle aus dem osmanischen Reich bildet Maria, Josef und das Jesukind in der Krippe ab. Das Unikat aus dem 19. Jahrhundert ist aus Perlmutt und Metall gefertigt und zurzeit im Textilmuseum zu sehen.

 Die albanische Gürtelschließe zeigt zweimal die Stallszene von Bethlehem mit Maria und Josef an der Krippe mit dem Kind. Im Hintergrund sind Ochs und Esel zu sehen. Oben der Stern von Bethlehem. Die Palmzweige verweisen auf einen Ort im Freien.

Die albanische Gürtelschließe zeigt zweimal die Stallszene von Bethlehem mit Maria und Josef an der Krippe mit dem Kind. Im Hintergrund sind Ochs und Esel zu sehen. Oben der Stern von Bethlehem. Die Palmzweige verweisen auf einen Ort im Freien.

Foto: DTM

(RP) „Es ist heutzutage das wildeste, roheste, uncivilisierteste und unbekannteste Land Europas“ – mit dieser wenig schmeichelhaften Beschreibung im Brockhaus Konversationslexikon von 1893 ist das Gebiet von Albanien im Osmanischen Reich gemeint. Über eine geografische Beschreibung, Bevölkerungszahlen der verschiedenen Volksgruppen und deren Religion reicht der Beitrag auch nicht hinaus. Hinweise auf Kultur oder Folklore fehlen.

Auf der Balkanhalbinsel lebten damals neben Griechen und Serben mehrheitlich Albaner. Nach der Eroberung durch das Osmanische Reich im 15. Jahrhundert konvertierten immer mehr Menschen zum Islam. Das Land befand sich zuvor an der Nahtstelle zwischen griechischer und lateinischer Kirche. In einigen Städten, vor allem aber im Norden (Katholiken) und Süden (Griechisch-Orthodoxe) der Region existierten weiterhin christliche Siedlungen. Während die orthodoxen Christen, die rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten, unter osmanischer Herrschaft weitestgehend ihre Religion frei ausüben durften, blieb den Katholiken (zehn Prozent) dieses verwehrt. Im Norden wirkte sich jedoch die Macht aus Konstantinopel kaum aus, so dass sich die Stämme dort nach ihren Regeln selbst regierten. Als im 19. Jahrhundert die Macht des Osmanischen Reiches zusehends verfiel, verbesserte sich langsam auch die Situation der Katholiken.

Aus dieser Zeit stammt ein Exponat mit einem Weihnachtsmotiv, das zurzeit im Deutschen Textilmuseum Krefeld in einer eigenen Vitrine im Obergeschoss ausgestellt wird. Es stammt aus der Sammlung Paul Prött, die zurzeit erstmals im Haus am Andreasmarkt in Linn gezeigt wird. Durch die besonders hervorgehobene Präsentation können die Besucher dieses außergewöhnliche Objekt genau betrachten: eine getriebene und vergoldete Gürtelschließe aus dem 19. Jahrhundert mit Perlmutteinlagen, die die Darstellung der Krippenszene aus der Weihnachtsgeschichte zeigen.

 Annette Schieck im Magazin des Textilmuseums.

Annette Schieck im Magazin des Textilmuseums.

Foto: Petra Diederichs

„Mit der Bildwahl bekannte sich die Besitzerin zu ihrem christlichen Glauben, denn die Perlmutteinsätze zeigen zwei Mal und für den Betrachter unübersehbar die heilige Familie“, sagt Museumsleiterin Annette Schieck. Ob eine katholische oder griechisch-orthodoxe Christin diese Gürtelschließe getragen hat, konnte noch nicht geklärt werden.

Die schwere und große Schließe (11,5 mal 27 Zentimeter) war Teil einer festlichen Frauentracht. „Es handelt sich um eine Handarbeit, aber in Serie gefertigt“, erklärt Schieck. Metallschmuckgestalter und Gemmenschneider haben für die Produktion ihr Können eingebracht. Der hakenförmige Verschluss ist von einem vergoldeten, gegossenen Kupferblech verdeckt, das mit einer Rosette und einem Hahn verziert ist. Die Einfassung als umlaufender Rankenfries wurde für die Perlmutt-Einsätze speziell angepasst.

Wegen der Größe und Form der beiden Perlmuttteile, die in der Qualität gleich sein sollten, hat der Gemmenschneider den manuellen Fertigungsprozess begonnen und dann die fertigen Bilder an den Metallschmuckgestalter weitergereicht. Trotz dieser seriellen Arbeitsweise handelt es sich bei derartigen Objekten stets um Unikate.

Die Perlmutteinsätze in erhaben geschnittenem Relief sind mit einem Pflanzenmotiv umrahmt. Die Hauptfläche ziert die Krippenszene von Betlehem: Maria und Joseph knien mit verkreuzten Armen neben der Krippe mit dem Jesuskind. Alle drei tragen einen Heiligenschein. Der Stern von Bethlehem weist auf das Christuskind, im Hintergrund sind Ochs und Esel zu sehen. Palmrispen deuten an, dass sich die Szene im Freien abspielt. „Es sind auch Farbreste in den Rillen nachweisbar“, sagt Schieck. Diese sind deutlich in den vertieften Augen-, Mund- und Nasenpartien zu erkennen. Wahrscheinlich sollten die Gesichter der Figuren so belebt werden.

Die Sammlung Paul Prött umfasst sieben Schließen – in der großen Vitrine findet sich eine weitere mit Maria und Jesus sowie der Kreuzabnahme –, die in ihrer Machart vergleichbar sind, sowie weitere sechs Arbeiten, die gleichfalls vom Balkan stammen. Der Preis von 275 Reichsmark bei dem ausgestellten Teil bewegt sich innerhalb dieser Gruppe im unteren Mittelbereich. Wie bei anderen Objekten der Sammlung wurde bei dem Ankauf 1943 keine weitere Beschreibung oder Herkunft übermittelt. „In der Regel ist es Silberschmuck. Die Vergoldung bei diesem Objekt bildet eine Ausnahme“, erklärt Schieck. Das Tragen signalisiert so nicht nur das christliche Bekenntnis, sondern steht auch als Status-Symbol für Wohlstand. Ihre Besitzerin trug die Gürtelschließe wohl nur bei besonderen und repräsentativen Anlässen wie dem Kirchgang, kirchlichen Festen wie Weihnachten und Hochzeiten. Zur Alltagskleidung zählte es eher nicht.

Das Textilmuseum befasst sich mit der Frage „Tracht oder Mode“ auf der Basis eines 1943 durch den Künstler Paul Prött an die Sammlung vermittelten Bestandes an Kleidung, Kopfbedeckungen und Schmuck aus der Zeit des 18. bis frühen 20. Jahrhunderts. 566 Objekte europäischer Herkunft konnten nun erstmals wissenschaftlich bearbeitet werden. Circa 200 Exponate sind jetzt ausgestellt, darunter Trachtenteile, Hauben und Schmuck, vor allem aus dem deutschsprachigen Raum sowie aus verschiedenen mittel- und südeuropäischen Regionen. Mit ihrem Materialreichtum, ihren unterschiedlichen Schnitten und vielfältigen Verzierungstechniken machen sie Kleidungstraditionen aus längst vergangener Zeit in anschaulicher Weise sichtbar.

(RP)
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