Krefeld Tanzfinale mit Liebe und chinesischen Flüchen

Krefeld · Das Festival zur Internationalen Tanzmesse NRW in der Fabrik Heeder endete mit einem spannenden Mix der Kunstsparten. Avantgardistische Performance und chinesische Redensarten inspirierten die Choreografen. Drei Kompanien beeindruckten das Publikum.

Eine Szene aus der Choreografie "Dust" der US-amerikanischen Company Fidget. Sie bezieht sich auf die avantgardistische Performancekünstlerin Deborah Hay.

Eine Szene aus der Choreografie "Dust" der US-amerikanischen Company Fidget. Sie bezieht sich auf die avantgardistische Performancekünstlerin Deborah Hay.

Foto: J. Austin

Tanztheater, Pantomime, Schauspiel und Videobilder in Echtzeit - die Kunstsparten überlappten sich am letzten Festivaltag zur Tanzmesse NRW in der Fabrik Heeder. Kompanien aus Taiwan, Frankreich und USA beschäftigten sich mit lebensphilosophischen Fragen und Konzepten. Es ging um Liebe, Tod und Wiedergeburt - und das Publikum war beeindruckt.

Die Kompanie "In Theatre" aus Taiwan zeigte das Zwei-Personen-Stück "Tschüss!! Bunny". Der Titel geht auf den chinesischen Ausruf "qu si ba ni" zurück und bedeutet "Geh zur Hölle!" - ausgesprochen klingt der chinesische Ausdruck für unsere Ohren wie "Tschüss!! Bunny". "In Theatre" stellte diese Information bewusst an den Anfang ihrer Performance und machte Tod und Abschied zum Leitgedanken ihres szenenreichen Tanzstücks.

Mit einer Rolle Kunstrasen in der Hand betreten eine Frau und ein Mann die kleine Bühne. Sie legen sich auf den Rasen und rollen sich lauthals lachend abwechselnd darin ein und wieder aus. Kurz darauf lassen sie sich erschöpft auf den Boden fallen. Es folgen schöne Episoden, die so auch auf einer Theaterbühne zu sehen sein könnten. Die Arbeit von "In Theatre" erinnert an die Ästhetik und Techniken des Tanztheaters von Pina Bausch: Einsatz von Pantomime und Schauspiel, sowie Swing- und Jazzmusik aus den 1920er bis -40er Jahren und die Auflösung der Handlungsstruktur in einzelne Szenen. Und doch steht die Arbeit des taiwanesischen Choreografen Liu Yen Cheng für sich. Der Rasen als Spielfläche ist ein einfaches und eindringliches Symbol für den Kreislauf von Geburt, Leben, Tod und Wiedergeburt.

In völliger Stille spielt das zweite Tanzstück. Ebenfalls auf der kleinen Bühne präsentiert sich die Kompanie Kerman von Sebastien Ly, ein junger, aus Frankreich kommender Choreograf und Tänzer. "C21" ist ein 15-minütiges Solo, das sich durch abstrakte Tanzsprache auszeichnet. Die weichen, mal fließenden, mal kreisenden Bewegungen, oftmals am Boden ausgeführt, lassen erkennen, dass Ly verschiedene Schulen durchlaufen hat. Er kommt ursprünglich vom Ballett und vereint zeitgenössische Tanzsprache mit Elementen aus dem klassischen Ballett.

Den Abschluss des Abends bildet das Stück "Dust" der US-amerikanischen Kompanie Fidget. Der Zuschauer fühlt sich versetzt in das kunstsinnige und experimentierfreudige New York der 1960er und 70er Jahre. Stimmen aus dem Off begleiten das Tanzstück von Anfang bis Ende. Der Text bildet den Rahmen von "Dust" - ursprünglich eine Oper des US-amerikanischen Komponisten Robert Ashley, die hier als Tanzperformance für fünf Tänzer in der Choreografie von Megan Bridge neu inszeniert wird.

Eine riesige Videoleinwand dominiert den großen Bühnenraum, rechts und links davon stehen jeweils drei schwarze Seitenwände. Das scheinbar schlichte Bühnenbild verändert sich im Verlauf der 70-minütigen Performance ständig. Denn die Videogestaltung von Peter Price reagiert in Echtzeit auf die Bewegungen der Tänzer und erzeugt eine eindrucksvolle Farbfeldwirkung.

Eine Tänzerin betritt die Bühne, während sie sich langsam die Schuhe zubindet, ertönt aus den Lautsprechern eine männliche Stimme. Es sind Rückblenden, subjektive Erinnerungen einer unbekannten Person, die der Zuschauer jedoch schnell mit der Tänzerin auf der Bühne in Verbindung bringt.

Dieses minimalistische Erzählformat wiederholt sich, mit kleinen Änderungen im Text, im weiteren Verlauf des Stückes insgesamt fünf Mal. Auf jeden Tänzer folgen individuelle Textausschnitte einer Lebensgeschichte, die von Liebe und Tod handeln, von den Lektionen, die das Leben lehrt, von Nebensächlichkeiten und der Sehnsucht, die schönen Dinge des Lebens ein zweites Mal wiederholen zu wollen. Die Bewegungssprache ist minimalistisch und klar, viele Posen wiederholen sich wie ein Refrain.

Die Choreografin hat sich auch von der avantgardistischen Sprache der Performancekünstlerin Deborah Hay (* 1941) inspirieren lassen. Hay revolutionierte in den 1960er Jahren das damalige Verständnis von Tanz und gilt als Mitbegründerin des New-Dance - Vorläufer dessen, was heute zeitgenössischer Tanz genannt wird.

(RP)
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