Ein solcher Fall ist die FDP-Kandidatin Joana Horch (26). Sie hat einen klugen Internet-Wahlkampf geführt, der auf junge Leute zielt; sie hat ihr Plädoyer für das gegliederte Schulwesen authentisch mit ihrer Berufswahl beglaubigt: Sie möchte Haupt- oder Realschullehrerin werden. Dennoch gilt: Wer Schwarz-Gelb im Land stärken will, müsste eigentlich die Erststimme Horchs CDU-Konkurrenten Peter Kaiser und die Zweitstimme der FDP geben. Grund: Kaiser hat Chancen, den Wahlkreis direkt zu holen und in den Landtag einzuziehen; die FDP im Landtag wird stark nur über Zweitstimmen. So könnte es sein, dass Joana Horch ein schlechtes Erststimmen-Ergebnis erzielt, obwohl sie alles richtig gemacht hat.

Das Dilemma gilt ähnlich für die Grünen, besonders im Wahlkreis 47. Wer Anhänger der Grünen ist und Rot-Grün im Land stärken will, der müsste die Erststimme SPD-Mann Ulrich Hahnen geben – denn er hat Chancen, den Wahlkreis direkt gegen Peter Kaiser (CDU) zu holen. Wieder gilt: Die Erststimme für den grünen Kandidaten Rainer Zimmermann wäre taktisch eine verlorene Stimme, denn es ist unwahrscheinlich, dass Zimmermann direkt in den Landtag einzieht. Wer Grün stärken will, müsste der Partei die Zweitstimme geben.

Doch Taktik ist Taktik und Wertschätzung Wertschätzung. Die Erststimme ist die Chance, seinem Vertrauen in einen Kandidaten Ausdruck zu verleihen. Solche Stimmen sind keineswegs verloren – eher eine Art Wechsel auf die Zukunft eines Kandidaten. Wenn etwa Joana Horch viele Erststimmen holt, wird das in der Partei sicher registriert, und sie wird ihren politisch Weg machen. Wer also ein Talent stärken will, der kann sich wiederum taktisch dafür entscheiden.

So oder so oder so: Am Ende ist es schön, die Qual der freien Wahl zu haben.