Menschenrechte in Krefeld Iran-Abend im Südbahnhof begeistert die Gäste
Krefeld · Knapp 100 Gäste drängen sich, um den Film „16 Frauen“ der in Köln lebenden Iranerin Bahar Ebrahim anzusehen. Im Zentrum des Abends steht das ganz normale Leben heutiger Frauen in dem Land.
Der Vorführraum im Südbahnhof platzt sprichwörtlich aus allen Nähten. In aller Eile bringen die Verantwortlichen des Werkhauses als Betreiber zusätzliche Stühle heran, um der vielen Besucher Herr zu werden. Knapp 100 Gäste drängen sich, um den Film „16 Frauen“ der in Köln lebenden Iranerin Bahar Ebrahim anzusehen. „Ich bin total begeistert, wie viele Menschen gekommen sind, um mit uns den Film anzuschauen und mit Bahar zu diskutieren“, sagt Organisatorin Anja Jansen vom Werkhaus. Gemeinsam mit Amnesty International organisierte sie den Abend.
Die Lokalgruppe der Menschenrechtsorganisation zeichnet für die Betreuung der Fälle im Iran verantwortlich. Vor dem eigentlichen Film läuft ein Video, das June Cabari, eine Freundin Ebrahims, zusammengestellt hat und das Szenen aus aller Welt zeigt, in denen Menschen für die Rechte der Bevölkerung im Iran protestieren. Es enthält aber auch Szenen aus dem Iran selbst. „Mir ging es vor allem darum, den Demonstranten im Iran zu zeigen, dass sie gehört werden, dass sie nicht allein sind“, sagt die Deutsch-Italienerin. Das Video wurde vor allem über soziale Medien verbreitet.
Zentrum des Abends sind aber weniger die aktuellen Proteste, als das ganz normale Leben heutiger Frauen im Iran. Ebrahim begleitete insgesamt 16 unterschiedliche Frauen. „Eigentlich war mein Gedanke, mich an prominente Frauen zu wenden und ihr Leben zu porträtieren. Aber sie haben alle aufgelegt und ich hatte keinen Film“, erzählt die sehr souverän auftretende 42-Jährige in der auf den Film folgenden Diskussion. Also habe sie aus der Not eine Tugend gemacht. „Ich habe dann das für mich Naheliegende gemacht und Frauen angesprochen, die ich kenne. Zwei der Damen sind meine Omas, eine weitere habe ich auf der Straße angesprochen und dann entstand es im Prinzip aus sich selbst“, erzählt die studierte Pharmakologin, die zwecks Studiums 1998 nach Deutschland kam, in fast perfektem Deutsch.
Die Frauen in ihrem Film erzählen in beeindruckender Offenheit, wobei Ebrahim sie nicht im eigentlichen Sinne interviewt, sondern in Alltagssituationen begleitet. Am beeindruckendsten: Eine Gruppe älterer Damen unterhält sich über ihre verstorbenen Männer. Frappierend: Keine einzige spricht von Liebe. Es handelte sich um von den Eltern organisierte Ehen und sie fügen sich in ihre Schicksale. Eine wurde als Zehnjährige mit ihrem Lehrer verheiratet, worauf sie, wegen der Häme der Mitschüler, die Schule verließ. Der größte Wunsch der Frauen: Einmal wieder jung sein, einmal Spaß haben und erfahren, was Liebe ist. „Ich würde so gern einfach einmal Händchen halten“, sagt eine Frau. In ihrer Stimme liegt keine Bitternis. Auch wenn der Film im Original auf Farsi läuft und deutsche Untertitel hat, ist spürbar, dass eine merkwürdige Mischung aus Rationalität und Wehmut mitschwingt.
Eine andere Frau malt leidenschaftlich gern, doch malen ist in der Familie aus religiösen Gründen verboten. Also erlaubten weder ihre Eltern noch ihr Ehemann ihr, das Hobby auszuleben. Erst nach dem Tod ihres Mannes tut sie es. „Heute bin ich einsam aber frei“, sagt die Seniorin in einer merkwürdigen Paraphrasierung der Janis-Joplin-Textzeile „Freedom is just another word for nothing left to lose“ (Freiheit ist nur ein anderes Wort für nichts mehr zu verlieren). Manchmal, erzählt die Dame, sei sie bis drei, vier oder fünf Uhr wach und male. Ihre Bilder sind ihr ganzer Stolz und – es ist durch die Sprachbarriere spürbar – ihr ganzer Lebensinhalt.
Ebrahim dokumentiert auf unaufdringliche Weise die Lebensrealität der Frauen ihres Geburtslandes. Ob es noch ihre Heimat ist? Die lebensfrohe, starke Frau, die seit vielen Jahren in Köln lebt, scheint heute zumindest kulturell eher in Deutschland eine wahre Heimat gefunden zu haben.
Reisen in den Iran sind für sie schwierig. „Ich werde dort mittlerweile als Ausländerin angesehen. Ich spreche sogar Farsi schon mit Akzent und drücke mich anders aus. Dennoch fühle ich mich als Perserin und der Kultur sehr verbunden“, erzählt sie.
Reich wird sie mit solchen Aufführungen – die zudem keinen Eintritt kosten – sicher nicht. „Aber ich habe eine andere Art von Reichtum. Wenn ich einmal sterbe, dann bleibt dieser Film und mit ihm auch die Erinnerung an diese Frauen. Das ist ein großer Reichtum“, sagt sie und es wirkt vollkommen aufrichtig.
Dass sich die Frauen so offen zeigen, sei der Situation geschuldet. „Sie sind da in geschützten Räumen, in Innenhöfen, Wohnungen oder Autos. Darum reden sie über ihre Probleme und Träume. Sie würden sich im öffentlichen Raum niemals so äußern“, sagt sie.
Das transportiert sie in ihrem Film auf sehr subtile, aber zugleich klare Art. Frauen, die malen, Musik machen oder Hunde halten – was hier normal ist, ist im Iran nicht gern gesehen oder verboten. Gerade das macht den Film auf merkwürdige Art schockierend – und hinterlässt nach einem faszinierenden Abend Eindruck. Und Dankbarkeit, in einer so anderen Welt leben zu dürfen.