Nazi- und Kolonialvergangenheit Straßennamen kommen erneut auf Prüfstand

Krefeld · Die Stadt Krefeld will dem Düsseldorfer Vorbild folgen und die Namen der nach Personen benannten Straßen erneut überprüfen. Statt einem wissenschaftlichen Beirat wie in der Landeshauptstadt überträgt die Krefelder Verwaltung diese Aufgabe dem Stadtarchiv. Einen konkreten Zeitplan für das Vorhaben gibt es noch nicht.

 Die  Stadt prüft erneut Straßennamen mit Personenbezug. Andere Kommunen haben ihre Hans-Günther-Sohl-Straße längst umbenannt.

Die  Stadt prüft erneut Straßennamen mit Personenbezug. Andere Kommunen haben ihre Hans-Günther-Sohl-Straße längst umbenannt.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Die Stadt Krefeld will einen erneuten Anlauf unternehmen und die Namen der Personen gewidmeten Straßen auf den Prüfstand stellen. Die Recherchen sollen diesmal über eine etwaige Beteiligung der mit Straßennamen Geehrten an Nazi-Verbrechen hinausgehen und auch Personen umfassen, deren Leumund beispielsweise durch ihre antisemitische Haltung oder Aktivitäten in Kolonialzeiten Schaden genommen hat.

Die Stadt Düsseldorf hat vor wenigen Wochen einen ähnlichen Beschluss gefasst. Dabei waren die Verantwortlichen in der Landeshauptstadt in der Vergangenheit bereits mit strengeren Maßstäben an diese Aufgabe herangegangen. Beispiel ist die Hans-Günther-Sohl-Straße: in Düsseldorf umbenannt in Luie-Rainer-Straße, in Krefeld weiterhin Anschrift für namhafte Firmen im Logistikpark in Fischeln an der Bundesautobahn 44 (wir berichteten).

„Eine entsprechende Prüfung, ob in Krefeld noch entsprechende Straßennamen vorhanden sind, ist vorgesehen. Diese Sichtung soll vom Stadtarchiv durchgeführt werden. Ein konkreter Zeitfahrplan für diese Prüfung liegt jedoch noch nicht vor. Weitere Schritte sind von dem Prüfergebnis abhängig“, informierte Stadtsprecher Dirk Senger auf Anfrage unserer Redaktion.

Beim großen Nachbarn am Rhein hat bereits ein wissenschaftlicher Beirat eine Vorauswahl mit 100 Straßennamen getroffen. Zur Biografie der Namensgeber werden nun Gutachten erstellt und eine Empfehlung abgegeben, wie zu verfahren ist. Die Entscheidung trifft der Stadtrat. Maßgabe sei die Frage, ob die mit einer Straßenbenennung geehrten Personen nach heutigen Maßstäben noch als gesellschaftliches Vorbild gelten dürfen.

Der Krefelder Politikwissenschaftler Professor Dr. Wolfgang Dreßen sammelte in den 1950er-Jahren erste politische Erfahrungen als Schüler des Moltke-Gymnasiums. Damals sollte die Schule wie in der Nazi-Zeit in Schäfer-Voss-Schule umbenannt werden.

Das traf auf Widerstand und konnte verhindert werden. Gleichwohl sind in Bockum noch Straßen nach den erfolgreichen Jagdfliegern des Ersten Weltkriegs, Werner Voss und Emil Schäfer, benannt.

Wolfgang Dreßen sieht in Krefeld durchaus eine Notwendigkeit für eine erneute Überprüfung der Straßennamen. In der ersten Runde wurden lediglich der Axel-Holst-Weg am Egelsberg und der Carl-Diem-Weg umbenannt. Holst war SS-Sturmführer und als Turnierreiter eine große Hoffnung für die Olympischen Spiele 1936. Sportpapst Carl Diem hielt noch kurz vor Kriegsende in Berlin fanatische Reden vor Jugendlichen und schickte sie damit in den für sie meist tödlichen „Endkampf“.

Ruhrgebietsstädte wie Dortmund haben etwa auch Carl Duisberg für ungeeignet befunden, um nach ihm eine Straße zu benennen. Der Industrielle (1861-1935) war ein Befürworter von Giftgas- und Zwangsarbeitereinsatz im Ersten Weltkrieg. Es wird unter anderem darauf verwiesen, dass unter Duisbergs Vorsitz beim Chemiekonzern Bayer Giftgas produziert wurde. Außerdem habe er mit anderen führenden deutschen Industriellen die gewaltsame Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchgesetzt.

Die pharmakritische Initiative „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ rief dazu auf, auch in anderen Städten nach Duisberg benannte Straßen und Schulen umzubenennen. Nach Angaben der Initiative sind davon unter anderem Bonn, Krefeld, Wuppertal und Leverkusen betroffen.

Die Interessen der eventuell betroffenen Anwohner sollen bei der Entscheidung über etwaige Straßennamenänderungen in Düsseldorf keine Rolle spielen. Der zeitliche und finanzielle Aufwand für neue Dokumente und Briefbögen sei zuzumuten, hieß es.

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