Kolumne: Kr Wie Krefeld Stolpersteine - warum sie wertvoll sind

Krefeld · Es ist ein unscheinbares Loch in der Straße, doch eine schändliche Aktion: Jemand hat einen Stolperstein gestohlen.

Ein Stolperstein wurde gestohlen - das ist eine wirklich schlechte Nachricht. Als der Künstler Gunter Demnig diese Idee im Jahr 1992 umzusetzen begann, gab es noch viele Debatten um das Projekt - auch vehemente Ablehnung. Das schärfste Argument gegen das Konzept: Die Steine würden die Opfer ein zweites Mal zum Opfer machen, indem Fußgänger achtlos über die Steine und die Namen hinweggehen.

Darüber musste man wirklich nachdenken. Mittlerweile aber hat sich das Konzept durchgesetzt. Dies auch deshalb, weil die Steine eben nicht das Gefühl der Achtlosigkeit vermitteln. Möge jeder sich selber prüfen: Wird man ihrer gewahr, lenkt man seine Schritte unwillkürlich so, dass man gerade nicht auf den Stein tritt. Und man weiß sofort: Auch hier also.

Die Stolpersteine sind so ein Gesamtkunstwerk, verbunden in dem kollektiven Wissen um ihre Bedeutung. Dazu kommt ein didaktisches Moment: Man muss einmal erlebt haben, wie Schüler oder andere, denen die Erinnerung an von den Nazis verfolgte Menschen wichtig ist, einen solchen Stolperstein betrachten und beachten.

Zuletzt wurde in Krefeld erstmals an einen Homosexuellen erinnert: an Peter August Jöcken, der im Konzentrationslager Sachsenhausen zu Tode kam. Zur Stolperstein-Verlegung waren sogar Verwandte Jöckens gekommen, die sich bewusst zu diesem Teil ihrer Familiengeschichte bekennen wollten. Es war eine anrührende Zeremonie ohne Kitsch und Pathos. So wurde diesem Mann, den die Nazis langsam umbrachten, doch noch die letzte Ehre erwiesen.

Das Stolpersteinprojekt ist in solchen Situationen hilfreich. Die Toten sind plötzlich nicht mehr einfach weg, sondern bekommen eine Spur. Wer immer solche Stolpersteine stiehlt, vergeht sich an den Toten, an die erinnert wird, und an den Lebenden, die sich erinnern wollen. Man kann nur hoffen, dass diese fiese, schändliche Aktion eine Ausnahme bleibt. Die Stolpersteine gehören uns. Wer sie stiehlt, bestiehlt uns alle. Jens Voss

(RP)
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