Neubau für Menschen mit Behinderung in Krefeld-Hüls Hephata-Stiftung baut inklusives Wohnprojekt

Krefeld · Die Evangelische Stiftung Hephata aus Mönchengladbach baut in Hüls ein Mehrfamilienhaus, in dem Menschen mit Behinderung gemeinsam und selbstbestimmt leben sollen. Mitte 2023 sollen die acht Bewohner dort einziehen.

Gruppenbild mit Haus: Die künftigen Bewohnern und ihre Eltern mit dem Hephata-Vorstand, Mitarbeitern und Vertretern der Politik.

Gruppenbild mit Haus: Die künftigen Bewohnern und ihre Eltern mit dem Hephata-Vorstand, Mitarbeitern und Vertretern der Politik.

Foto: Sven Schalljo

In Hüls, unmittelbar an der Schlufftrasse, entsteht derzeit am Mariengraben ein Mehrfamilienhaus, das einst durchaus für Aufregung sorgte. Anwohner kritisierten die Fällung einer großen, alten Eiche für diesen Bau. Am Freitag beim Baustellenfest allerdings ist von diesem Groll nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: Denn inzwischen ist bekannt, welchen Zweck der Bau hat. Es ist nicht etwa eine Investmentgesellschaft, die hier überteuerten Wohnraum schafft, sondern die gemeinnützige evangelische Stiftung Hephata, deren angeschlossene Wohnen gGmbH dort ein Wohnprojekt für Menschen mit geistiger Behinderung errichtet.

Entsprechend ist der wohl meistbeachtete Redebeitrag beim Fest der von Inge Glamerin. Die Anwohnerin hatte einst entsprechende Aktionen initiiert, in denen sie die Baumfällung kritisierte. „Ich möchte klarstellen, dass es mir dabei nie um dieses Projekt ging, sondern allein um den Baum. Heute weiß ich, was für ein tolles Projekt das ist. Natürlich ist es dessen ungeachtet schade um die Eiche, aber für diese gute Sache ist es die Sache wert“, sagt sie.

Das Projekt, von dem sie spricht, ist eine Wohngemeinschaft für acht Menschen aus Krefeld mit geistiger Beeinträchtigung. Diese sollen hier in einem komplett barrierefreien und rollstuhlgerechten Haus gemeinsam und selbstbestimmt leben. „Ich freue mich, dass dieses Haus hier entsteht. Es ist unser erstes großes Projekt in Krefeld. Was lange in den Köpfen war, wird nun langsam greifbar. Das Haus bedeutet für die acht Bewohner einen großen Schritt in ein neues, selbstbestimmteres Leben. Das bedeutet Freiheit, aber auch loslassen. Es ist ein Zuhause und soll Sicherheit geben. Dabei war uns die Ökologie immer wichtig“, sagt Pfarrer Harald Ulland, Vorstand der Hephata-Stiftung, die ihren Sitz in Mönchengladbach hat und der die Wohnen gGmbH angehört.

Der Rohbau steht: Von der Straße aus werden Passanten durch ein Plakat über das Projekt informiert.

Der Rohbau steht: Von der Straße aus werden Passanten durch ein Plakat über das Projekt informiert.

Foto: Sven Schalljo

Die Ökologie spiegelt sich vor allem in Energieeffizienz wider. Die Dämmung erfüllt hohe Ansprüche, das Dach ist mit Aufsparren- und minealischer Zwischensparrendämmung gedämmt. Fenster sind dreifach-verglast und geheizt wird mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe. „Glücklicherweise haben wir schon frühzeitig darauf, und nicht etwa auf Gas gesetzt“, sagt Architektin Susanne Tillmann, die fest bei Hephata angestellt ist und auch als Bauleiterin fungiert, über das 450-Quadratmeter-Haus mit neun Wohnungen im Bereich von je 40 Quadratmetern, sowie einem großzügigen Gemeinschaftsraum auf drei Etagen plus Keller. Alle Räume sind über einen Aufzug barrierefrei erreichbar. „Das Gesamtprojekt wird Stand jetzt 1,5 bis 1,6 Millionen Euro kosten und ist komplett von Hephata finanziert. Das neunte Appartment steht einer Betreuungsperson zur Verfügung. Immer, wenn ein Bewohner oder eine Bewohnerin im Haus ist, wird auch eine Betreuungsperson da sein. Hier suchen wir auch noch Personal. Ich kann sagen: Hephata ist ein hervorragender Arbeitgeber“, fährt sie augenzwinkernd fort.

Für die Eltern der acht Bewohner mischen sich Sorge und Vorfreude. „Es ist ein wunderschönes Haus, und ich freue mich, dass unsere Gesellschaft behinderte Menschen heute nicht mehr wegsperrt, sondern integriert. Aber wir müssen jetzt auch ein Stück loslassen, was nach vielen Jahren, die wir unsere Kinder umsorgt haben, natürlich nicht einfach ist. Unser von uns gegründeter Förderverein soll sie unterstützen. Das Logo zeigt darum auch das Haus, das von Händen getragen wird“, sagt Ursula Oruz. Die Kinderärztin ist Vorsitzende des besagten Fördervereins und Mutter eines Bewohners.

Noch sieht der Aufzugsschacht eher bedrohlich aus. Bald soll er barrierefreien Zugang zu allen Räumen ermöglichen.

Noch sieht der Aufzugsschacht eher bedrohlich aus. Bald soll er barrierefreien Zugang zu allen Räumen ermöglichen.

Foto: Sven Schalljo

Bewohnerin Maike Karmann freut sich auf ihre Wohnung. „Ich freue mich sehr darauf. Ich werde unter dem Dach in meiner eigenen Wohnung wohnen. Bisher lebe ich bei meinen Eltern in Fischeln. Arbeiten tue ich im HPZ“, erzählt sie.

Die Fertigstellung des Hauses ist für Mitte kommenden Jahres geplant. „Wir hoffen, den geplanten Einzugstermin, 1. Juni, halten zu können. Aber das wird aufgrund der bekannten Knappheit an Materialien und Handwerkern in jedem Fall herausfordernd. Wir tun aber alles dafür“, sagt Tillmann.

Die Bewohner des Hauses werden einen schönen Blick auf den Schluff haben.

Die Bewohner des Hauses werden einen schönen Blick auf den Schluff haben.

Foto: Sven Schalljo

In der Nachbarschaft jedenfalls sind die neuen Bewohner schon jetzt herzlich willkommen. „Ich bin ja eine Nachbarin und sage darum ‚Du‘, ich bin die Ingrid“, sagt denn auch Glamerin an die Bewohner gewandt. Das Eis ist also schon gebrochen.

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