Gefördert durch die NRW Stiftung Starker Neuanfang für Krefelder Entomologen

Krefeld · Erstmals hat der Entomologische Verein seine neue Bleibe vorgestellt. Anlass: ein kräftiger Zuschuss der NRW Stiftung. Die neue Bleibe zeigt, dass der Entomologische Verein eine Herzkammer für Wissenschaft und Bildung ist.

Kurator der Sammlung Martin Sorg (l.) und der Vorsitzende des Entomologischen Vereins, Thomas Hörren, in den neuen, modernen Räumlichkeiten an der Magdeburger Straße. Im Vordergrund: Insektenkästen.

Kurator der Sammlung Martin Sorg (l.) und der Vorsitzende des Entomologischen Vereins, Thomas Hörren, in den neuen, modernen Räumlichkeiten an der Magdeburger Straße. Im Vordergrund: Insektenkästen.

Foto: Fabian Kamp

Einmal umziehen ist wie einmal abbrennen, heißt es im Volksmund. Es geht auch anders. Die neue Bleibe des Entomologischen Vereins Krefeld 1905 e.V. zeigt eindrucksvoll eine Seite des Vereins, die kaum im Fokus der Öffentlichkeit steht: Er ist auch ein Wissenschafts-, Bildungs- und Ausbildungszentrum mit internationaler Ausstrahlung. Die neue Bleibe an der Magdeburger Straße enthält neben Raum für die denkmalwerte Sammlung Raum genug für Seminare, Ausbildungs- und Forschungsarbeiten. Erstmals wurden die Räumlichkeiten nun der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Anlass war ein schöner: ein Förderbescheid der NRW Stiftung über 90.000 Euro für  Umzug und Inventar. „Die Studie zum Insektenschwund hat eine Menge bewegt“, sagte Karl-Heinz Erdmann vom Vorstand der NRW Stiftung zur Übergabe des Förderbescheids, „das Thema Insekten ist ein wirkmächtiges Kampfthema geworden, das neben dem wissenschaftlichen auch großen politischen Wert hat.“

Noch ist alles am Anfang, die heiße Umzugsphase wird wohl in rund zwei Wochen starten. Bislang stehen nur einige der Regale, die von dem Geld der Stiftung angeschafft werden konnten. Es sind Spezialanfertigungen, in denen die – übrigens weltweit genormten – Insektenkästen der Entomologen sicher und gut zugänglich unterkommen. In den Kästen sind mehr als 7000 Insektenarten dokumentiert.  „Würde man die Kästen stapeln, würde sich ein Turm von 420 Meter Höhe ergeben“, sagt der Kurator und stellvertretende Vorsitzende des Entomologischen Vereins, Martin Sorg.

 Karl-Heinz Erdmann (Vorstandsmitglied der NRW Stiftung, l.) überreicht den Förderbescheid an den Vorsitzenden der Krefelder Entomologen, Thomas Hörren.

Karl-Heinz Erdmann (Vorstandsmitglied der NRW Stiftung, l.) überreicht den Förderbescheid an den Vorsitzenden der Krefelder Entomologen, Thomas Hörren.

Foto: Fabian Kamp

Was beim Rundgang durch die 1800 Quadratmeter umfassende Etage des Bürohauses an der Magdeburger Straße ins Auge springt, ist die Fülle an Einzel- und Seminarräumen. Hintergrund: Die Sammlung mit Präparaten, Bibliothek mit mehreren zehntausend Bänden, Filmarchiv und Nachlässen vom historischen Mikroskop bis zu Aufzeichnungen früherer Entomologen ist das Eine. Das Andere ist Bildungs- und Forschungsarbeit. „Unsere Bestände sind Gegenstand laufender Forschung; sie befinden sich in ständiger wissenschaftlicher Nutzung“, betont Sorg. Kein Wunder: Die Sammlung ist einzigartig, weil sie Insektenarten am Niederrhein bis ins 19. Jahrhundert zurückgehend dokumentiert. „Wir dokumentieren hier eine immens hohe Zahl an regionalen ausgestorbenen Arten“, erläutert Sorg, „hier lagern die letzten eindeutigen Belege, dass es diese Arten gegeben hat.“ Für die Forschung ein Schatz.

Es gibt Studenten, die mithilfe der Sammlung und der im Bestimmen von Arten erfahrenen Krefelder Entomologen viel intensiver ausgebildet werden können als an der Universität. Es gibt Doktoranden, die Sammlung und Bibliothek für ihre Arbeit nutzen; und es gibt Entomologennachwuchs, der in die unfassbar vielfältige Insektenwelt – allein in Deutschland sind bislang 34.000 Insektenarten bestimmt worden – eingeführt wird.

Allen helfen die Entomologen nicht nur mit Expertise, sondern auch mit Technik: Der Verein verfügt über mehr als 100 hochwertige Mikroskope zur Bestimmung von Insekten, die auch an Interessenten zum Üben verliehen werden. Die jüngsten Anwärter seien zwischen zehn und zwölf Jahre alt, berichtet Werner Stenmans vom Entomologischen Verein. Zurzeit sind 23 solcher Mikroskope verliehen.

 Blick in den großen Raum, in dem in Spezialregalen die kostbaren  Insektenkästen der Sammlung des Entomologischen Vereins gut zugänglich für Forschungszwecke lagern werden.

Blick in den großen Raum, in dem in Spezialregalen die kostbaren  Insektenkästen der Sammlung des Entomologischen Vereins gut zugänglich für Forschungszwecke lagern werden.

Foto: Fabian Kamp

Dieser bedeutende Forschungs- und Bildungsaspekt in der Arbeit der Entomologen ist in den vergangenen Jahren coronabedingt zurückgefahren und öffentlich kaum wahrgenommen worden. Das hängt auch mit dem alten Gebäude an der Marktstraße zusammen. Die Entomologen residieren dort seit dem Jahr 2004. „Wir waren der Stadt seinerzeit sehr dankbar, dass wir diese Räume bekamen; sie reichten damals noch aus“, resümiert Thomas Hörren, Vorsitzender des Entmologischen Vereins, „doch nun ist es höchste Zeit gewesen, neue Räumlichkeiten zu finden.“  Auch dafür sei man der Stadt sehr dankbar. Im Gebäude an der Marktstraße mussten etwa Seminar- in Lagerräume umgewandelt werden. Das ist nun vorbei, es gibt Platz für beides: für die fachgerechte Unterbringung der Sammlung  und für deren Nutzung in Wissenschaft, Bildung und Forschung.

Der Entomologische Verein sei ein „alter Kunde“ der NRW Stiftung, erläuterte Stiftungsvorstand Erdmann. Die Zusammenarbeit reicht 25 Jahre zurück; die Stiftung habe die Arbeit der Entomologen in dieser Zeit mit insgesamt 80.000 Euro unterstützt. Nun also gleich 90.000 Euro auf einmal – der Umzug macht es nötig und möglich.

 Blick in den großen Raum, in dem in Spezialregalen die kostbaren  Insektenkästen der Sammlung des Entomologischen Vereins gut zugänglich für Forschungszwecke lagern werden.

Blick in den großen Raum, in dem in Spezialregalen die kostbaren  Insektenkästen der Sammlung des Entomologischen Vereins gut zugänglich für Forschungszwecke lagern werden.

Foto: Fabian Kamp

Generell würdigte Erdmann Krefeld als einen besonderen Ort für Förderung: Die Stiftung habe bislang 31 Projekte mit 1,1 Millionen  Euro unterstützt. Gefördert werden dabei nur Projekte, die rein ehrenamtlich betrieben werden – so wie bei den Entomologen mit ihren rund 70 Mitgliedern. Sogar der Umzug wird von ihnen gestemmt, auch aus fachlichen Gründen:  „Wenn ich einen Insektektenkasten in die Hand nehme, sehe ich sofort, wenn ein Präparat nicht mehr sicher auf der Nadel sitzt. Bevor er transportiert wird, richten wir das wieder her. Das kann ein Umzugsunternehmen nicht  leisten“, erläutert Sorg.

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