Krefeld Humperts wahre Vision von Krefelds Innenstadt

Krefeld · Architekt Heinz Dieter Küppers beklagt, dass der „Rahmenplan Innenstadt“ von 1990 kaum umgesetzt wurde.

 Ein historischer Stadtplan zeigt Krefeld mit den vier Wällen, wie Vagedes sie geplant hat.

Ein historischer Stadtplan zeigt Krefeld mit den vier Wällen, wie Vagedes sie geplant hat.

Foto: Stadtarchiv

(vo) Auf unsere Analyse zum 1990 verabschiedeten „Rahmenplan Innenstadt“ hin hat die Redaktion die Antwort des Architekten Heinz Dieter Küppers erreicht. Küppers hat die Debatte um den Rahmenplan, der unter Federführung von Prof. Klaus Humpert erstellt wurde, damals mitverfolgt. Er nimmt Humpert gegen Kritik in Schutz und beklagt zugleich, dass Humperts Ergebnisse nie konsequent umgesetzt wurden. Humpert hat demnach vor allem den Stadtgrundriss als wahren Schatz Krefelds hervorgehoben und an bestimmten Stellen für behutsamen Rückbau plädiert, um die historische Stadtstruktur wieder herauszuarbeiten. Interessant ist auch sein Hinweis, dass die Stadt im Nachgang zum Humpert-Gutachten einen Wettbewerb über Bauverdichtung im mittelalterlichen Stadtkern Krefelds (im Bereich Alte Kirche / Schwanenmarkt) ausgeschrieben hat. Der Sieger-Entwurf ist dann laut Küppers in einer Schublade der Stadtverwaltung verschwunden. Ist Krefeld die Stadt der Schubladen voller guter Pläne? Küppers’ Hinweis ist insofern interessant, als dass auch die Stadtplanerin Claudia Schmidt jüngst eben eine solche Orientierung ins Spiel gebracht hat. Der Gedanke kommt Fachleuten also immer wieder.

Wir hatten Humpert in unserer Analyse vorgeworfen, über weite Strecken Selbstverständlichkeiten wiederzugeben und insbesondere zum Thema Wohnen in der Innenstadt halbherzig zu argumentieren: Einerseits plädiert er für eine Ausweitung der Fußgängerzonen, andererseits wollte er auch Wohnen - im ersten oder im Obergeschoss.

Heinz Dieter Küppers, Jahrgang 1941, hat in der Schweiz an der „Ecole d’Architecture“ der Universität Genf studiert. Er hat in Krefeld zusammen mit Alfred Wüstefeld ein Architekturbüro geführt. Erster Auftrag war dort der Neubau für die Kreishandwerkerschaft und Signal-Versicherung mit der Translozierung des „Buschhüterhauses“. Das Büro hat einige städtebaulichen Wettbewerbe in Krefeld gewonnen – wie den für den Ortseingang in Linn. „Keiner der prämierten Entwürfe wurde je realisiert“, schreibt er.

Wir dokumentieren im Folgenden die Replik von Küppers.

„Die Feststellung „in Wahrheit lag dieser angeblichen Vision die geistlose Fortschreibung der 1990-er Gegenwart zu Grunde“ wird dem von Professor Humpert entwickelten Gutachten für einen Rahmenplan Innenstadt (RPI) nicht gerecht. Die „freche“ Polemik mit einer alphabetisch sortierten Stellungnahme zu einzelnen Unterpunkten der zugegeben nach fast 30 Jahren nicht mehr ganz frischen Aussagen des Gutachters unterschlägt den eigentlich spannendsten Vorschlag seiner Stellungnahme, und der ist durchaus ein weit wichtigerer „Eingriff struktureller Natur“ als die Einrichtung einer Fußgängerzone.

Professor Humpert hatte erkannt, dass das Einmalige am Bild unserer Innenstadt mangels herausragender Bauwerke oder geografischer Besonderheiten der Stadtgrundriss selber ist. Der verdankt sein Werden in kaum zweihundert Jahren wirtschaftspolitisch motivierten Erweiterungen um den alten eigentlich dörflich unbedeutenden Ortskern einer ländlichen Gemeinde.

In der neueren Historie baulicher Stadtentwicklung ist das einmalig und könnte für Krefeld ein Alleinstellungsmerkmal sein. Mit dieser Erkenntnis schlägt Professor Humpert nun einen wirklichen Eingriff struktureller Natur vor:

– den alten Dorfkern, „da wo die Straßen krumm sind“, wie er feststellt, zu verdichten und als städtebaulichen Siedlungsursprung erkennbar werden zu lassen.

– die weitere Innenstadt mit und zwischen den Wällen im Muster der später für die Seidenmanufaktur bewusst geplanten und wirtschaftspolitisch gewollten orthogonalen Strukturvorgaben aus Straßen und Parzellen zu respektieren und, wo es denn möglich ist, nach historischem Muster zurückzubauen, um so im Kontrast der Teile das Besondere der Krefelder Stadtanlage sichtbar und verständlich werden zu lassen.

Die Vorstellung, so wenig spektakulär sie auf den ersten Blick wirken mag, wäre schon für den Nachkriegswiederaufbau eine plausible Richtschnur gewesen. Sie hätte manche städtebauliche Fehlentwicklung verhindert oder zumindest für das Krefelder Stadtbild in angemessenere Form gegossen (Kaufhof, Horten, Schwanenmarkt, Seidenweberhaus).

Auch nach 1990 ist diese Idee als Grundlage aller weiteren Planungen für die Innenstadt weiter als fundierter städtebaulicher Rahmen geeignet. Zuerst mit Blick auf die herausragende Bedeutung der Wälle in ihrer historischen Anlage, aber auch für die Erreichbarkeit und Orientierung in der Innenstadt, unabhängig ob zu Fuß, im Auto oder auf dem Fahrrad. Alles würde in einem offenen orthogonalen anpassungsfähigen System, weitgehend flexibel, nutzungs- und zukunftsoffen funktionieren können und veränderbar sein. Für die Bebauung der immer noch vorhandenen Leerflächen gäbe es eine aus dem ehemaligen Stadtgrundriss begründete Richtschnur für jedes neue Bauvorhaben.

So betrachtet, wären die Vorgaben des Krefelder Stadtgrundrisses, auch über heute hinaus, ganz unabhängig vom gerade angesagten Zeitgeist, eine geeignete und solide Grundlage zur Stärkung der Besonderheit spezifisch Krefelder Stadtidentität.

Nicht viel anders hat es Professor Humpert gemeint.

P.S.: Ein direkt im Anschluss an den Rahmenplan Innenstadt ausgelobter Wettbewerb, in dem nach Professor Humperts Plan eine Verdichtung des „Altstadtbereichs“ um die Alte Kirche prämiert wurde, verschwand in den Schubladen des Planungsamts und wurde seitdem nicht mehr gesehen. Seitdem hat man auch vom Rahmenplan Innenstadt bis zum Artikel „Zu 1990“ in der RP kaum mehr gehört. Aktuelle Gelegenheiten zum Rückbau der beschädigten Stadtstruktur gibt es immer noch. Als ein Beispiel die Lohstraße: Die könnte als ein erster Schritt zur Stadtreparatur in südlicher Richtung über die Dreikönigenstraße (Parkhaus/Parkplatz) hinaus bis zur Stephanstraße und nördlich über den Theaterplatz (falls es denn zum Abbruch des Seidenweberhauses kommt) über einen neu strukturierten Theaterplatz bis zum Nordwall verlängert werden.“

(vo)
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