Stadtgeschichte Krefeld Der Mann, der die Karten liebt

Krefeld · Der Niederländer Bodel Nijenhuis sammelte im 19. Jahrhundert Atlanten, Karten und Drucke. Er hütete wahre Schätze – auch vom Niederrhein zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs. Zur Sammlung haben die Stadtarchivare von Venlo und Krefeld geforscht.

 Das Porträt des Johannes Tiberius Bodel Nijenhuis entstand um 1840. In Ölfarbe auf Papier hat Jacobus Ludovicus Cornet den Sammler dargestellt. Es gehört zur Sammlung der Universitätsbibliothek Leiden.

Das Porträt des Johannes Tiberius Bodel Nijenhuis entstand um 1840. In Ölfarbe auf Papier hat Jacobus Ludovicus Cornet den Sammler dargestellt. Es gehört zur Sammlung der Universitätsbibliothek Leiden.

Foto: Universität Leiden/Universitätsbibliothek Leiden

Es war einmal ein Mann, dem bedeuteten Landkarten den größten Schatz auf der Welt. Und so richtete er sein Leben danach ein. Er sammelte und sammelte und vererbte seinen Schatz der niederländischen Universität Leiden. Wäre Corona nicht, dann wäre sein Schatz jetzt in Krefeld zu sehen.

Die Rede ist von Johannes Tiberius Bodel Nijenhuis, der von 1797 bis 1872 lebte. Er kam in Amsterdam als Sohn eines Kaufmanns auf die Welt und wurde nach dem Tod der Eltern von seinem Großvater Johannes Luchtmans erzogen. Großvater Luchtmans (1726-1809) führte eine Buchhandlung und einen Verlag, die nach seinem Tode von dem langjährigen Mitarbeiter Johannes Brill übernommen wurden.

Bodel Nijenhuis wurde 1819 mit einer Arbeit zur Rechtsgeschichte des Buchhandels promoviert und trat 1821 als Gesellschafter in den Verlag ein. Er befasste sich mit der Zusammenstellung von Katalogen und dem Redigieren von Veröffentlichungen. Das Unternehmen organisierte auch Versteigerungen: Nijenhuis war in der günstigen Lage, Karten und auch umfangreiche Konvolute vorab erwerben zu können.

 Das Flugblatt eines unbekannten Künstlers zur  Schlacht auf der Hückelsmay bei Krefeld am 17. Januar 1642 zeigt die Formation der Soldaten. Es ist eine Fundgrube für historisch Interessierte.

Das Flugblatt eines unbekannten Künstlers zur  Schlacht auf der Hückelsmay bei Krefeld am 17. Januar 1642 zeigt die Formation der Soldaten. Es ist eine Fundgrube für historisch Interessierte.

Foto: Stadtarchiv Krefeld

Seine Sammlung wuchs im Laufe emsigen Zusammentragens auf 50.000 Karten, 300 Atlanten und 22.000 topographische Drucke und Zeichnungen an. Von 265 Kartenmappen zeigt fast die Hälfte die Niederlande, die übrigen Westeuropa. 30 dieser Mappen beziehen sich auf Deutschland. Sehr viele der Sammelobjekte sind wassertechnische Karten aus Holland, Stadtgrundrisse und Festungskarten. Bodel Nijenhuis ließ eigens Kartenschränke für die Objekte seiner Leidenschaft anfertigen und vermachte nicht nur die Inhalte, sondern auch die Schränke der Universität Leiden.

Erzählt wird aus der Lebensgeschichte von Bodel Nijenhuis und seiner Leidenschaft für die Kartographie in der fast 100 Seiten starken Broschüre Nummer 29 der „Venloer Katernen“, der Schriftenreihe des Stadtarchivs unserer Partnerstadt an der Maas. Die zweisprachige Schrift ist gemeinsam von Mitgliedern der privaten Stiftung Rhein-Peel-Maas erarbeitet worden. Sie beschäftigt sich schon mehr als 40 Jahre mit der Geschichte der Region und ist grenzüberschreitend und sprachübergreifend tätig. Mit „Mächtig & Stark. Karten erzählen Geschichte von Festungen und Städten zwischen Rhein und Maas“ liegt eine Sammlung von 21 Aufsätzen vor, die sich mit Kartenwerk vom 16. bis 18. Jahrhundert befassen und auch aktuelle Luftaufnahmen zeigen. Sieben Autoren, unter ihnen die Stadtarchivleiter Frans Hermans (Venlo) und Olaf Richter (Krefeld) gehen detailliert auf die von ihnen betrachteten Karten ein, indem sie die zeitgenössischen Bezüge darlegen.

Nicht alle für diese Veröffentlichung gewählten Karten gehören in die Sammlung Nijenhuis. Es sind auch Stücke aus dem Städtebuch des Joan (Johannes) Blaeu, berühmt für sein „Theatrum orbis terrarum, sive Atlas novus“ von 1636, Stiche von Matthias Merian oder aus der spanischen Nationalbibliothek in Madrid wiedergegeben.

Geplant war diese Broschüre als Begleitung zu einer Wanderausstellung, die im Frühjahr im Krefelder Stadtarchiv gezeigt werden sollte. Die Präsentation ist aus bekannten Gründen auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Betrachtung einiger Karten und die Lektüre der Texte sind jedoch auch so möglich. Sie eröffnen einen geschärften Blick auf eine Zeit, in der der Niederrhein von kriegerischen Ereignissen überzogen war und sich daher mit Festungsbauten gegen Übergriffe zu verschanzen suchte, eine Zeit, in der hier Krieg geführt wurde.

Ein Beispiel ist der Beitrag „Der 30-jährige Krieg am Niederrhein: Feldlager bei der kurkölnischen Stadt Uerdingen und der Honschaft Budberg 1642“ von Olaf Richter. Eine hier gezeigte Karte, gestochen von Matthias Merian, ist von ungewöhnlicher Aktualität. Sie zeigt den Aufmarsch der gegnerischen Truppen im Januar 1642, also im Dreißigjährigen Krieg. Französische Infanterie stand der kaiserlichen gegenüber – und schon im darauffolgenden Jahr später wurde der Stich Merians zusammen mit zwei Seiten historischer Schilderung veröffentlicht. Es wird sogar berichtet, dass der kaiserliche General Lamboy beim Mittagessen „zwischen 10 vnd 11 Vhren Mittags“ plötzlich angegriffen wurde.

Aus dem Bestand des Krefelder Archivs ist auch ein zweisprachiges Flugblatt abgebildet, niederländisch und französisch. Die Radierung zeigt die Formation der Soldaten, gibt die umliegenden Ortschaften an und führt die Gefallenen auf. Wie bei allen Beiträgen folgt ein  Literaturverzeichnis – die Broschüre ist eine Fundgrube für historisch Interessierte, für Liebhaber von Karten und für Menschen, die dem Niederrhein zugeneigt sind.

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