Krefeld "Sprache als Schlüssel in die Gesellschaft"

Krefeld · Der Lions Hilfsfonds bietet 48 Flüchtlingen in einem ehrenamtlichen Projekt Deutschkurse an. Der Andrang ist groß.

 48 junge Menschen aus Syrien, dem Libanon, Iran, Irak und Afghanistan nutzen derzeit das Sprachangebot. Auch "Zeitung" steht auf dem Lehrplan.

48 junge Menschen aus Syrien, dem Libanon, Iran, Irak und Afghanistan nutzen derzeit das Sprachangebot. Auch "Zeitung" steht auf dem Lehrplan.

Foto: Lammertz

Für Ali ist alles ganz spannend. Seit mehr als einer Stunde sitzt der kleine Araber auf einem großen Stuhl neben seinem Vater. Der ist voll konzentriert. Er ist einer von knapp 3000 Flüchtlingen, die derzeit in Krefeld leben. Für ihn ist klar: Er will Ali ein Leben in Deutschland bieten. Dafür will er zügig die deutsche Sprache lernen. Zweimal in der Woche, montags und mittwochs, drückt er deshalb für jeweils vier Stunden die Schulbank. Das ermöglicht ihm der Lions Hilfsfonds Krefeld - unbürokratisch und ehrenamtlich. Und weil Ali zu jung für die Schule ist und noch keinen Platz im Kindergarten hat, kommt er ebenfalls mit. Selbst das ist kein Problem.

Vor rund zwei Monaten hatte Ulrich Tillmanns dieses Hilfsprojekt für Flüchtlinge in Krefeld aus dem Boden gestampft. 21 Lehrkräfte und zehn Betreuer - nicht nur Lions-Mitglieder - unterstützen den 60-Jährigen, der bis vor 18 Monaten ein Wirtschaftsunternehmen geführt hatte. Manche von ihnen sind noch berufstätig, alle arbeiten ehrenamtlich für das Projekt, das Räume des Flüchtlingsrats im Bleichpfadhaus mitnutzen darf. "Der Einstieg in die deutsche Sprache ist das erste Mittel der Integration", sagt Tillmanns. "Sprache ist der Schlüssel in die Gesellschaft."

48 Flüchtlinge aus Syrien, dem Libanon, Iran, Irak und Afghanistan nutzen derzeit dieses Angebot. Junge Menschen, die meisten sind zwischen 20 und 25 Jahre alt. Alle sind lernbegierig. "Sie wollen raus aus den Unterkünften, sie wollen arbeiten, sie wollen auf eigenen Füßen stehen", beschreibt Tillmanns die Situation. Und sie alle wissen: Die Tür ins unabhängige Leben in Deutschland führt nur über die Sprache.

 Zweimal in der Woche begleitet Ali seinen Vater zum Sprachkursus.

Zweimal in der Woche begleitet Ali seinen Vater zum Sprachkursus.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Während das staatlich finanzierte Sprachangebot für die Flüchtlinge oft erst nach ein bis zwei Jahren greift, geht die Krefelder Gruppe einen anderen Weg. "Wir haben in zwei Flüchtlingseinrichtungen kleine Info-Plakate ausgehängt, unser Angebot sprach sich anschließend schnell unter den Bewohnern herum", so der Ex-Manager. Der entscheidende Vorteil für die Menschen: Auch wenn sie erst kurz in Deutschland sind und nur eine "Aufenthaltsgestattung" haben, gibt es keine rechtlichen Hürden. Sechs Monate dauern die Kurse, finanziert werden die Lernmittel über Spenden. 2000 bis 3000 Euro sind hierfür pro Halbjahr nötig. Das Tillmanns und sein Team auf dem richtigen Weg sind, beweisen die Zahlen: "Schon jetzt stehen mehr als 50 arabische Namen auf der Warteliste.

Leicht sind die Kurse für die "Schüler" nicht. Doch die "Lehrer" treffen den Nerv der Menschen, wecken eine Mischung aus Begeisterung und Leidenschaft. In zwei verschiedenen Bereichen wird unterrichtet. "Wir haben einen Alphabetisierungs- und einen regulären Deutschkursus", erklärt Tillmanns. Es werden Schriftbild und Sprache vermittelt. "Lesen ist anfangs schon deshalb nicht möglich, weil die meisten unsere lateinischen Buchstaben nicht kennen", beschreibt er die Ausgangssituation. Wissen wird in der Regel über Bilder transportiert, die deutschen Begriffe werden gemeinsam gesprochen. Es geht um ganz praktische Dinge wie Fahrpläne, Uhrzeit, Zeitung aber auch Gleichberechtigung oder Religionen. Die Grammatik wird in dieser Phase schnell zur Nebensache. "Unser Antrieb ist die Überzeugung, dass der Staat alles tut, was möglich ist", sagt Tillmanns zur Ursprungsidee der Maßnahme. "Die tatsächliche Integration kann aber nur über die Menschen erfolgen." Erkennbar ist, dass diese Form von Hilfe ankommt. Glückliche und dankbare Gesichter lächeln den Helfern entgegen.

Da ist auch der kleine Ali keine Ausnahme. Sein Vater hat sich in der vergangenen Stunde unter anderem mit der Bundeskanzlerin und dem Bundespräsidenten beschäftigt. Auch deren Namen wurden gemeinsam laut gesprochen - und Ali machte begeistert mit.

(RP)
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