Spektakulärer Eingriff am Helios Krefeld Herz-OP heilt Schluckbeschwerden

Krefeld · Es ist weltweit der erste Eingriff dieser Art: Privatdozent Dr. Bülent Köktürk hat die Nervenenden am Herzen einer 29-Jährigen verödet - sowohl im rechten als im linken Vorhof. Sie litt an einer Schlucksynkope. Drückte Nahrung in der Speiseröhre, setzte der Herzschlag aus.

 Privatdozent Dr. Bülent Köktürk veranschaulicht seiner Patientin Leyla Busin nach dem Eingriff im elektrophysiologischen Labor (EPU) noch einmal, wie er die Fehlschaltung ihres Herzens beheben konnte.

Privatdozent Dr. Bülent Köktürk veranschaulicht seiner Patientin Leyla Busin nach dem Eingriff im elektrophysiologischen Labor (EPU) noch einmal, wie er die Fehlschaltung ihres Herzens beheben konnte.

Foto: Sandra Greins

Der Volksmund hat eine Erklärung für Schluckauf: „Das Herz wächst.“ Dass der Schluckreflex und der Herzmuskel tatsächlich viel miteinder zu tun haben, ist den meisten dabei gar nicht so bewusst. Und selbst Ärzte  suchen nicht sofort am Herzen nach den Ursachen, wenn Menschen über Probleme beim Essen und Schlucken klagen. Leyla Busin hat eine lange und ungewöhnliche Geschichte hinter sich, bis die Ursache ihrer Beschwerden diagnostisziert wurde: Die 29-Jährige leidet unter einer Schlucksynkope - einem kurzen Bewusstseinsverlust, wenn sie etwas Festes schluckt. Eine Blockade unterbricht dann den Blutkreislauf. Das Essen wird zur Tortur.

Das Krankheitsbild ist äußerst selten. Noch seltener ist die Art der Behandlung, die der 29-Jährigen half:  Der Elektrophysiologe und Leitende Arzt des Helios Herzrhythmuszentrums Rhein-Ruhr, Privat-Dozent Dr. Bülent Köktürk hat „einen weltweit erstmaligen Eingriff“ gemacht, ein Verödungsverfahren. „Diese Methode wurde bislang noch nie bei Schlucksynkopen-Patienten durchgeführt“, sagt Köktürk. Wenn ein opertaiver Eingriff nötig ist, wird in der Regel ein Herzschrittmacher eingesetzt. Doch das funktionierte bei Leyla Busin nicht.

Doch von vorn: Leyla Busin ist Ftnesstrainerin, ernährt sich gesund. Dass sie trockene Nahrung nicht gut schlucken kann, kennt sie seit ihrer Kindheit. „Als Kind dachte ich, dass sei völlig normal, deshalb habe ich nie mit jemandem darüber gesprochen“, sagt sie. Als sie älter wird, werden die Probleme größer, wenn Nahrung in der Speiseröhre drückt. Es wird ihr schwindelig, sie fühlt sich schwach. Als sie einmal sogar vom Stuhl fällt, ist sie alarmiert. Sie isst nur noch in Gesellschaft und hat für jeden Bissen ein Glas Wasser parat. „Ich war bei mehreren Ärzten, meine Speiseröhre wurde untersucht, eine Magenspiegelung durchgeführt, doch die Ursache wurde nicht gefunden.“

Ein Langzeit-EKG zeigt schließlich, „dass das Herz der Patientin während der Nahrungsaufnahme für mehrere Sekunden aussetzte“, erklärt Köktürk. „Ursache war eine Blockade, hervorgerufen durch fehlgeleitete Nervenverbindungen zwischen Speiseröhre und Herz. Das ist ein extrem seltenes Krankheitsbild“, so der Experte. Die erste Wahl ist ein Herzschrittmacher. „Bereits bei geringen Beschwerden setzte das Herz über fünf Sekunden aus. Wir mussten deshalb davon ausgehen, dass bei stärkeren Beschwerden das Herz noch länger nicht schlägt“ erklärt Köktürk. „Setzt das Herz länger als 15 Sekunden aus, kann es zu einer Unterversorgung kommen mit gefährlichen Rhythmusstörungen, etwa Kammerflimmern.“

Doch nach dem Eingriff gab es Probleme. Leyla Busin reagierte allergisch auf den Schrittmacher in ihrem Körper. Sobald das Gerät entfernt war, kamen die Probleme beim Schlucken zurück. Deshalb entschied der Arzt sich für eine  Kardioneuroablation. „Dabei werden mit Hilfe eines Katheters die betroffenen Nervenendungen am Herzen, die zu einer Blockade des Herzens führen, verödet“, teilt eine Kliniksprecherin mit. Bislang sei dieses Verfahren weltweit nur einmal durchgeführt worden. Da habe die „Fehlschaltung“ im Bereich des Sinusknoten gelegen, dem primären, natürlichen Schrittmacher des Herzens. Leyla Busin aber hatte eine „Fehlschaltung“ im Bereich des AV-Knotens – der elektrischen Verbindungen zwischen den Vorhöfen und den beiden Kammern. „Der Knoten empfängt die elektrischen Impulse, die vom Sinusknoten über die Vorhofmuskulatur ankommen. Eine Methode bzw. ein Eingriff, der diese Blockierungen im Rahmen einer Schlucksynkope aufhebt, war bisher medizinisch nicht beschrieben und unklar“, heißt es.

Köktürk  hat  in einer etwa anderthalbstündigen Operation sowohl im linken, als auch im rechten Vorhof die Nervenenden verödet. Ob der jungen Frau das Wagnis dieses Eingriffs bewusst war? „Nach einem umfassenden Gespräch mit Herrn Dr. Köktürk entschied ich mich für diesen Eingriff. Ich hatte vollstes Vertrauen in das Team“, sagt sie. Der Arzt habe ihr alle Schritte erklärt: Ein Katheter mit 25 Elektroden wurde von der Leiste aus zum Herzen geführt. Dort mussten die Ärzte die entsprechenden Nerven aufspüren, die für die Blockade des Herzmuskels verantwortlich waren, und sie veröden. Eine Herausforderung „Das ist uns gelungen“, so der Elektrophysiologe.   „So konnten wir den Kreis der Falschmeldung unterbrechen,“ erklärt er.

Die Nagelprobe gab es schon am Abend des Operationstages. Leyla Busin sollte ein hartgekochtes Ei essen - eine der schwierigsten Aufgaben für ihre Speiseröhre. Die Patientin wurde an ein EKG angeschlossen und von Köktürk und seinem Experten-Team genau beobachtet. Die 29-Jährige erinnert sich: „Ich glaube, mir haben noch nie so viele Leute beim Essen zugeschaut. Es war mucksmäuschenstill im Zimmer.“ Es zeigt sich, dass dieser Eingriff Erfolg brachte. Das Herz schlägt regelmäßig beim Essen und Schlucken. „Das war unglaublich“, findet Köktürk. „Ich konnte zwar schon während der OP anhand des schneller schlagenden Herzens den Erfolg erahnen, es jetzt aber bestätigt zu bekommen, war wirklich auch für mich sehr emotional,“ beschreibt er den Erfolg.

In der Fachwelt hat die außergewöhnliche Operation Kreise gezogen. Inzwischen steht das Team um Köktürk auch mit den Professoren der renommierten Harvard Universität in Kontakt. „Die weltweit erste Neurokardioablation an einem Schlucksynkopen-Patienten mit einer AV-Blockierung ist ein medizinischer Erfolg, der hoffentlich bald in die Leitlinien integriert wird“, wagt der Herz-Experte einen Blick in die Zukunft.

Für Leyla Busin hat das Leben eine neue Qualität. Sie kann das Essen genießen - und ist glücklich, dass sie in so jungen Jahren keinen Herzschrittmacher benötigt.

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