Krefeld Skurriles Ende einer Hausbesetzung
Krefeld · Vor einer Woche hat der Krefelder Sozialarbeiter Jürgen Franck mit Arbeitslosen die Werkkunstschule besetzt. Bei der gestrigen Pressekonferenz des Eigentümers Bau GmbH bat Franck um Entschuldigung für die Aktion, zögerte, taktierte – unterschrieb aber dann doch, dass er am Montag auszieht.
Vor einer Woche hat der Krefelder Sozialarbeiter Jürgen Franck mit Arbeitslosen die Werkkunstschule besetzt. Bei der gestrigen Pressekonferenz des Eigentümers Bau GmbH bat Franck um Entschuldigung für die Aktion, zögerte, taktierte — unterschrieb aber dann doch, dass er am Montag auszieht.
Es ist die vielleicht ungewöhnlichste Hausbesetzung, die es weit und breit je gegeben hat. Die Akteure: ein umtriebiger Sozialarbeiter namens Jürgen Franck, mehrere Arbeitslose und mit Thomas Siegert ein Geschäftsführer der städtischen Tochterfirma Bau GmbH, der in den vergangenen Tagen überaus klug und umsichtig gehandelt hat.
Dank seines Einsatzes nahm gestern die Hausbesetzung der Werkkunstschule ein friedlich-förmliches Ende: Nach einer denkwürdigen Pressekonferenz, in der Jürgen Franck die Hausbesetzung selbst als Fehler bezeichnete, unterschrieb er die Einverständniserklärung, dass seine Initiative am Montag wieder auszieht. Doch bis es dazu kam, passierte gestern in 75 Minuten eine ganze Menge.
Die Vorgeschichte: Jürgen Franck arbeitet als Sozialarbeiter mit Erwachsenen, die eine Beschäftigung suchen. An der Gartenstraße betrieb er seit 2007 ein offenes "Gewerkehaus", in dem auch ehemalige Junkies aus der Theaterplatzszene arbeiten und jeder seine Talente nutzen soll.
Finanziert wird das Haus laut Franck durch diverse Sponsoren im Verein "Ergonum e.V.", die er auf der Internetseite nennt; darunter sind Besitzer von Pizzerien und Bioläden, Schlosser und Musiker. An der Gartenstraße kündigte Franck nach eigener Aussage zum Jahresende 2011 — am 30. Juni 2012 muss er raus. Seit Dezember also wusste er, dass er eine neue Bleibe für seine Initiative braucht. Auf Vermittlung von Simone Roemer (CDU) trat Franck Ende 2011 an die Bau GmbH von Thomas Siegert heran und bat um Hilfe.
Besetzung seit 6. Juni
Siegert schaute sich beim Ortstermin mit Franck am 18. Januar die Werkkunstschule an. Nach zwischenzeitlicher Prüfung kam die Bau GmbH zum Ergebnis, dass dieses Haus nicht geeignet ist. Gründe: Franck wollte nur ein Geschoss beziehen, die Geschosse sind aber nicht einzeln beheizbar, außerdem funktioniert die Trinkwasseranlage nicht und die Brandschutzbestimmungen werden nicht eingehalten. Dies teilte die Bau GmbH mit, bot aber Alternativen außerhalb der Innenstadt an — dieses Angebot hat Franck bisher nicht angenommen.
Monate vergingen, bis zum vergangenen Mittwoch, 6. Juni. Seit diesem Tag hält Franck mit einigen Arbeitslosen die Werkkunstschule besetzt. Er selbst spricht von acht Unterstützern, Siegert hat bei beiden Besuchen je vier Hausbesetzer gesehen. Franck sagt, die Tür zur Werkkunstschule sei am Mittwoch versehentlich geöffnet gewesen. Siegert sagt: "Das stimmt nicht, wir haben das geprüft." Mittlerweile jedenfalls hält die Initiative mehrere Räume besetzt, zeigt dort Kunst, wohnt dort auch über Nacht. "Die Räume sind gepflegt, beschädigt ist nichts", betont Siegert. Er hatte erst am Wochenende von der Hausbesetzung erfahren und fuhr gleich am Samstag, danach auch am Sonntag, in die Innenstadt, um mit Franck über Alternativen zu sprechen. Am Montag erteilte er der Initiative eine Frist zur Räumung bis zum heutigen Mittwoch. Parallel lud Siegert für gestern zur gemeinsamen Pressekonferenz von Hausbesetzer und Eigentümer.
Gestern, 14 Uhr, Bau GmbH an der Königstraße, erster Stock: Pressekonferenz. Thomas Siegert betont gleich zu Beginn: "Für uns ist das eine nicht akzeptable Situation, das war Hausfriedensbruch." Rolf Rundmund (Grüne), Aufsichtsratsvorsitzender der Bau GmbH, sagt: "Das ist die erste Hausbesetzung in Krefeld seit 20 Jahren. Ich kann nicht verhehlen, dass sich einige in unserer Fraktion gefreut haben, dass die Werkkunstschule besetzt wird. Aber natürlich war das rechtswidrig."
Siegert sitzt auch die Politik im Nacken — am morgigen Donnerstag tagt der Aufsichtsrat der Wohnstätte, und darin sind nicht nur Hausbesetzer-Sympathisanten. Franck, der jetzt bei der Suche nach einer neuen Werkstatt für seine Initiative auf die Hilfe der Politik hofft, räumt dann überraschend ein, dass er die Hausbesetzung bereue.
Beeindruckt sei er von Thomas Siegert: "Er ist sofort am Wochenende gekommen und hat mit mir diskutiert, Alternativen angeboten. Ich habe gemerkt, dass unser Weg der falsche war. Als ich mit Herrn Siegert sprach, war mir die Aktion fast ein bisschen peinlich." Franck sagt aber auch: "Ich bin kein Hausbesetzer." Während der Pressekonferenz liebäugelt er dann jedoch mit weiteren städtischen Objekten, die er gerne nutzen würde: Besonders im Blick hat er die ehemalige Außenstelle der Prinz-Ferdinand-Schule am Westwall/Liebfrauenkirche. Dort wird aber bald eine Kita gebaut. Auch eine Besetzung des Stadtbades zieht er kurzfristig in Erwägung.
Gegen Ende der Pressekonferenz verspricht Siegert, Lagermöglichkeiten in zwei Hallen für eine Übergangszeit zur Verfügung zu stellen — gegen Bezahlung. Rundmund will die Stadtverwaltung auffordern, sämtliche leerstehende städtische Immobilien aufzulisten, um eine Alternative für die Initiative zu finden. "Versprechen kann ich nichts."
14.15 Uhr, Ende der Pressekonferenz. Franck wird von Journalisten gefragt: "Geben Sie nun ihre schriftliche Zusage, definitiv auszuziehen?" Franck plötzlich: "Nur, wenn uns Alternativen geboten werden. Die bisher angebotenen Objekte sind völlig ungeeignet." Thomas Siegert ist konsterniert, sagt: "Das war vor der Pressekonferenz anders abgemacht." Franck zögert kurz, sagt schlussendlich: "Ich unterzeichne es." Dann setzt er sein Autogramm unter den Räumungsbefehl der Wohnstätte.