Krefeld Seine letzte Rinderauktion

Krefeld · Die Fahrt Mittwochmorgen nach Krefeld war für Franz-Wilhelm Peters aus Bislich eine ganz besondere: 45 Jahre lang hat er sich fünfmal jährlich ins Auto gesetzt und ist – vorbei an Wesel, Rheinberg, Rheurdt – bis nach Krefeld in die Niederrheinhalle gefahren.

 Franz-Wilhelm Peters gestern bei der Auktion in der Niederrheinhalle. Zehn seiner Tiere hat er zur Versteigerung gebracht. Ab nächster Woche ist er Rentner.

Franz-Wilhelm Peters gestern bei der Auktion in der Niederrheinhalle. Zehn seiner Tiere hat er zur Versteigerung gebracht. Ab nächster Woche ist er Rentner.

Foto: Thomas Lammertz

Die Fahrt Mittwochmorgen nach Krefeld war für Franz-Wilhelm Peters aus Bislich eine ganz besondere: 45 Jahre lang hat er sich fünfmal jährlich ins Auto gesetzt und ist — vorbei an Wesel, Rheinberg, Rheurdt — bis nach Krefeld in die Niederrheinhalle gefahren.

Hunderte seiner Tiere sind dort in all den Jahren versteigert worden. Gestern fuhr der 65-Jährige ein letztes Mal zur Rinderauktion. Um 14 Uhr fiel der Hammer, Peters war seine Tiere los, und fuhr wieder nach Hause. Ab dem 30. November ist er Rentner.

Einen Tag zuvor: Vom Bauernhof in Bislich waren die zehn Tiere der Rassen Limousin und Blonde d' Aquitaine schon am Dienstag abgeholt worden. Ein Transporteur hatte sie zur Niederrheinhalle gebracht, wo sie mit den anderen 720 Zuchtrindern von 120 Bauern im Stall standen.

Peters hat zuletzt nur noch Muttertierhaltung betrieben, also die Tiere nicht etwa gemolken oder zur Schlachtreife gebracht, sondern die Muttertiere von Bullen besamen lassen und die Kälber bis zum Alter von rund acht Monaten auf dem Hof gehalten. Danach wurden sie an andere Landwirte verkauft. So wie gestern.

Ab 8 Uhr ist der Stall an der Niederrheinhalle gestern geöffnet. Die ersten Käufer schleichen zwischen den Viehboxen umher, begutachteten die Tiere. Jedes Rind hat eine Ohrmarke, wie ein Personalausweis. Im eigens für die Auktion erstellten Katalog steht es mit Rasse, Geburtsdatum und Gewicht. "Dahinter steckt eine große Logistik", erklärt Josef Dissen, Geschäftsführer und Auktionator des Veranstalters, des "Fleischrinder-Herdbuchs" Bonn, der den Katalog erstellt hat.

Um 10 Uhr beginnt Peters' letzte Versteigerung. Er sitzt mit 40 Landwirten aus dem Saarland, Rheinland-Pfalz und dem Rheinland auf der Tribüne. Alle sind gekommen, um ihr Vieh zu verkaufen. Auf der anderen Seite, gegenüber dem Auktionator, sitzen die 35 Käufer mit den Katalogen in der Hand. Es sind entweder Zwischenhändler oder Landwirte, die die Tiere bis zur Schlachtreife bringen. Teilweise kommen sie sogar aus Europa: Italien, Russland, Niederlande.

Die ersten Tiere werden in Fünfer- bis Zehnergruppen hereingeführt. Josef Dissen ruft Europreise in den Raum: 2,50, 2,65, 2,70 Euro pro Kilo. Die Käufer auf der anderen Seite halten ihren weißen Katalog zum Kaufsignal hoch. Peters sagt: "Manche zucken nur kurz, damit der Nebenmann nichts sieht." Geboten wird auf das Gesamtgewicht aller Tiere, die unten im Ring stehen.

Dieses Gewicht muss mit dem gebotenen Preis multipliziert werden. Gut 1000 Euro kann ein Tier einbringen. Der Wert bildet sich aus verschiedenen Kriterien: Pflegezustand, Größe der für die Schlachtung relevanten Fleischpartien, der aktuelle Bullenpreis. Jeder Landwirt hat Tricks, um den Preis zu heben. Manche scheren ihren Tieren sogar das Fell, damit die Käufer die Fleischpartien besser sehen.

Dann stehen Peters' Rinder im Ring: Die Versteigerung dauert nur 55 Sekunden. Der Bauer ist an diesem Tag zufrieden: Für die fünf männlichen Rinder erhält er jeweils 1003 Euro, für die fünf weiblichen 590 Euro. Peters sagt: "Ich bin hier in den vergangenen Jahren schon zufrieden weggefahren, manchmal aber auch enttäuscht." Häufig werde er gefragt, ob er eine emotionale Beziehung zu seinen Tieren habe. Standard-Antwort: "Natürlich... solang sie einen guten Preis bringen."

Bauer bleibt Bauer

Um 15.40 Uhr fährt Peters wieder nach Bislich, ohne die zehn Tiere. "Sie jetzt abzugeben, ist natürlich ein komisches Gefühl", sagt er. Wehmut versucht er aber zu unterdrücken. "Es gibt auf dem Hof trotzdem was zu tun." Dort warten noch ein paar Tiere, denn ganz will der fünffache Familienvater die Viehwirtschaft nicht aufgeben. Erstens hat er sich jetzt Bienenvölker zugelegt ("Früher hatte ich hundert Tiere, jetzt sind es hunderttausend"). Und dann sind da noch die vier Kühe Fiona, Dörte, Tilda und Linda.

Letztere ist der Grund, warum Franz-Wilhelm Peters gestern nicht ganz wehmütig wird. Kuh Linda hat eine besondere Geschichte: "Vor einigen Jahren kam ich abends von der Chorprobe nach Hause, als mein Sohn mit seinen Freunden aus der Landjugend im Stall stand, weil ein Kälbchen geboren wurde. Als es im Stroh lag, hatte ein Mädchen, die damals 15-jährige Linda, Tränen der Rührung in den Augen. Diese Kuh habe ich ihr zu Ehren Linda getauft und versprochen, sie nicht zum Schlachter zu geben."

Die damals 15-jährige Linda ist heute Peters' Schwiegertochter. Und die Kuh gleichen Namens lebt weiter auf dem Hof, wo Peters sich auf Nachwuchs freut: Kuh Linda ist wieder trächtig.

(RP/rl/rai)
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