Pflege in Krefeld Schlaf, Igelein, schlaf - eine Krefelder Familie kümmert sich um Igel in Not

Krefeld · Familie Melcher hat über Vermittlung von Tierschutzvereinen junge Igel bei sich aufgenommen, die ohne Hilfe verhungern würden. Sie werden fettgefüttert für den Winterschlaf. Im Frühjahr werden die Tiere ausgewildert.

Fotos: Das sind die Pflegeigel der Familie Melcher in Krefeld
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Das sind die Pflegeigel der Familie Melcher in Krefeld

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Foto: Lili Weiler

Die Familie Melcher aus Krefeld hat zwei ungewöhnliche Gäste bei sich Zuhause. In zwei kleinen Holzhütten im Keller leben zusammengerollt zwischen Zeitungspapier die stacheligen Bewohner: zwei Igel. Sie heißen Tshumbie und Stachel. Auf die Idee gekommen ist die Familie über die Facebook-Seite des Tierschutzvereins „TIere in Not“ (Tino). Dort wurden freiwillige Helfer gesucht werden, die einen Igel für diesen Winter zu sich nach Hause nehmen, ihn füttern, aufpäppeln und bei sich überwintern lassen.

Kerstin Melcher hat ein Herz für Tiere und findet es daher auch wichtig findet, dass ihre beiden Kinder Anna (11) und Julia (13) früh lernen, Verantwortung für andere Lebewesen zu übernehmen. Deswegen hat sie sich  bereiterklärt, ein Igel-Geschwisterpaar aus der Wildtierstation in Meerbusch bei sich aufzunehmen. Dort wurden in diesem Jahr mehr als 60 Igel abgegeben, die ohne Hilfe nicht über den Winter kommen würden. „Die Sommer werden heißer, wodurch die jungen Igel weniger zu fressen finden“, erklärt der ehrenamtliche Tierpfleger Herbert Zitzelsberger. Außerdem werden durch das wärmere Klima manche Igel erst im September geboren. Diese „Herbstigel“ können sich für den Winterschlaf nicht mehr genug Gewicht anfressen. Werden sie nicht rechtzeitig eingesammelt und an eine Wildtierstation übergeben, sterben sie.

Erkennen kann man einen Igel in Not an der sogenannten „Hungerfalte“. Statt einer gleichmäßigen Birnenform, die einen gesunden Igel kennzeichnen würde, fehlt das nötige Fett am Hals, wodurch ein Ring entsteht. Zudem sind Igel normalerweise nachtaktiv. Sollte man einen Igel am Tag herumlaufen sehen - egal zu welcher Jahreszeit -, kann man davon ausgehen, dass er verwaist, krank oder unterernährt ist.

Findet man einen hilfsbedürftigen Igel, ist es sinnvoll, das Tier in einem ausbruchssicheren Karton unterzubringen und sich an eine Wildtierstation zu wenden. Sie nimmt das Tier auf und pflegt es gesund.

Ungefähr 25 Tiere aus der Wildtierstation in Meerbusch wurden dieses Jahr an hilfsbereite Tierfreunde vermittelt, denn die Plätze in der Station sind alle belegt. „Wir sind immer froh, wenn ein Platz frei wird“, erklärt Zitzelsberger.

Die Familie Melcher hat die kleinen Käfige der Igel mit Zeitungen und Zeitungsschnipseln ausgelegt und füttert ihnen jeden Tag hochwertiges Katzenfutter und hin und wieder auch Rührei. Sie gucken zweimal täglich nach den kleinen Tieren. „Bei Stachel sieht es morgens immer aus, als habe er eine Party gefeiert, während Tshumbie eher ruhig ist“, erklärt Anna. Sie hilft ihrer Mutter, die Tiere einmal in der Woche zu wiegen, um sicher zu gehen, dass sie gesund sind und sich genug Fett für den Winter anfressen. Die beiden haben innerhalb von einer Woche 200 Gramm zugenommen und wiegen inzwischen 800 Gramm. „Bei uns haben sie es wie in einem Luxus-Hotel“, erzählt die Elfjährige und lacht.

Somit sind die Igel bereit, ihren Winterschlaf anzutreten. Deswegen kommen sie in dieser Woche in kleine Käfige nach draußen, wo den Igeln durch die kältere Temperatur signalisiert wird, dass es Zeit ist, zu schlafen.

Auch zu dieser Zeit des Jahres sucht die Wildtierstation immer noch freiwillige Helfer, die sich für einen Winter um einen Igel kümmern möchten. Gut die Hälfte der Tiere sind inzwischen schon eingeschlafen, doch es kann immer wieder Neuzugänge geben. „Ein erwachsener Igel schläft in der Natur manchmal schon Ende Oktober ein, während junge Igel erst Ende November den Schlaf antreten“, erzählt Zitzelsberger. Manche Tiere schlafen auch gar nicht ein oder fallen lediglich in einen „Dämmerschlaf“, aus dem sie immer wieder aufwachen, um zu fressen. In dem behüteten Zuhause der Wildtierstation ist das kein Problem, in der Natur würde das ohne Nahrung ihren sicheren Tod bedeuten. Eben deswegen ist es so wichtig, aufmerksam zu sein und rechtzeitig zu erkennen, wenn ein Tier in Not ist. Wenn man einen Igel selbst überwintern möchte, den man gefunden hat, sollte man vorher Kontakt zu einer Wildtierstation aufnehmen, um sich bei möglichen Krankheiten des Igels helfen zu lassen.

Und schließlich bleiben die Igel auch nicht ewig in menschlicher Obhut, sondern werden wieder ausgewildert, sobald sie im April des folgenden Jahres wieder aufwachen. Dafür stellt ihnen die Wildtierstation in den ersten Wochen eine sichere Hütte und Futter zur Verfügung. Hierhin können die Tiere immer wieder zurückkehren, bis sie in der Natur einen besseren Unterschlupf gefunden haben. Herbert Zitzelsberger und die anderen sieben ehrenamtlichen Helfer der Tierstation kümmern sich neben den Igeln auch um andere Tiere wie junge Eichhörnchen. Um ihnen die Flasche zu geben, müssen sie in manchen Nächten alle drei Stunden aufstehen. „Die Tierliebe ist Herzenssache“, erklärt Zitzelsberger. „Andere gehen nach Feierabend kegeln, und wir haben eben so ein Hobby“. Jedes Mal, wenn eines der von ihm aufgepäppelten Tiere in die Wildnis zurückkehrt, freut er sich und ist stolz auf die Herausforderung, die er gemeistert hat.

 Ein junger Igel auf der Hand. Igel in dieser Größe sind in den Wintermonaten akut vom Hungertod bedroht.

Ein junger Igel auf der Hand. Igel in dieser Größe sind in den Wintermonaten akut vom Hungertod bedroht.

Foto: Lili Weiler

Anna Melcher wird traurig sein, wenn Tshumbie und Stachel wieder weg sind. „Aber schließlich sind es ja Wildtiere“, sagt sie, „und draußen gehören sie hin.“ Im nächsten Jahr wird Familie Melcher auf jeden Fall wieder einen Igel bei sich einziehen lassen.

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