Große Sammelaktion in Krefeld-Uerdingen Hilfe für die Erdbebenopfer
Krefeld · Eine unfassbare Welle der Hilfsbereitschaft geht durch Krefeld. Nach dem verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet hat allein eine private Hilfsaktion in Uerdingen in zwei Tagen schon 40 Tonnen Hilfsgüter gesammelt.
Von Krefeld, Deutschland und halb Europa geht eine privat organisierte Welle der Hilfsbereitschaft für die Erdbebenopfer im türkisch-syrischen Grenzraum aus. In Uerdingen zum Beispiel gibt es am Dienstag mindestens drei Sammelpunkte, an denen Hilfsgüter für das Katastrophengebiet gesammelt werden: auf einem kleinen Hof neben dem Döner- und Pizzarestaurant Genc, am Kiosk am Parkplatz Roettgen und in der nahe gelegenen Moschee. „Wir haben gestern gleich nach der Nachricht von der Katastrophe einen Aufruf bei Facebook veröffentlicht und angefangen zu sammeln“, berichtet Rahal Khalili, der das Restaurant betreibt. „Morgen kommt ein 40-Tonner, holt die Sachen ab und fährt sie ins Katastrophengebiet in die Türkei.“
Den vielleicht schwersten Weg seines Lebens hat Metin Payali vor sich: Seine Schwester und sein Schwager gehören in der Stadt Iskenderun zu den vermissten Verschütteten. Er weiß nicht, wie es ihnen geht, und macht sich noch am Dienstagnachmittag auf den Weg in die Türkei, um zu helfen und zu suchen. „Der Wagen ist vollgepackt. Ich fahre heute Nachmittag los“, sagt er.
Auf dem schmalen Hof neben dem Restaurant herrscht ein Kommen und Gehen. Der vordere Teil zur Straße hin ist bereits vollgepackt, ein Zelt bedeckt die Hilfsgüter. Auch im hinteren Bereich steht ein Zelt voller Kartons; dazwischen drängen sich Tüten, Kartons, Decken; die gestapelte Wand aus gespendeten Hilfsgütern ist schon fast mannshoch.
Eine ältere Dame berichtet, sie habe von einer Freundin per Whatsapp von der Sammlung erfahren. Daraufhin hat sie Wolljacken, Schals, Handschuhe und warme Skisachen in eine Tüte gepackt und vorbeigebracht – die Wolljacken waren gerade frisch gewaschen und bereit zum Verschenken. Die Katastrophe hat sie erschüttert. „Es ist traurig, dass so viele Menschen von einer Sekunde auf die andere in einer solchen Katastrophe stecken“, sagt sie; sie habe auch türkische Freunde, „da hat man noch einmal einen besonderen Bezugspunkt“.
Auch Natalia Rjabko hat über eine Whatsapp-Nachricht einer Bekannten von der Hilfsaktion gehört und Kopfkissen, Decken, warme Anziehsachen und Bettwäsche vorbeigebracht. „Die Menschen sind in Not, da muss man helfen“, sagt sie, „man muss sich das mal vorstellen: Auf einmal ist nichts mehr da.“
Die Verbreitung über eine schlichte Bekanntmachung in den sozialen Netzwerken hat sich als unfassbar effektiv erwiesen; die Nachricht von der Uerdinger Sammelaktion hat sich rasend schnell verbreitet, resümiert Rahjal Khalili. „Wir haben das gestern über Facebook bekannt gemacht. Heute sind Leute bis aus Duisburg, Nettetal und Geldern und natürlich aus Krefeld gekommen.“

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Aus Duisburg sei die Abordnung einer Moschee gekommen. Sie haben dort auch gesammelt und viel mehr zusammenbekommen, als sie auf die Schnelle abtransportieren können. So entstanden Idee und Bitte an die Uerdinger, die restlichen Hilfsgüter mitzunehmen.
Khalili berichtet auch von Hilfstransporten aus halb Europa. „Facebook, Instagram, Tiktok: Die sind voll mit Meldungen über Transporte, zum Beispiel, aus den Niederlanden, aus Belgien“, berichtet er. Er befürchtet wie alle, die helfen, dass dieses Erdbeben die größte Naturkatastrophe ist, die die Türkei heimgesucht hat.

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Auch Metin Payali packt noch mit an, bevor er sich auf den Weg zu seinen vermissten Verwandten nach Iskenderun macht. „Meine Schwester und mein Schwager gehörten zur ersten Generation türkischer Einwanderer in Deutschland“, sagt er, „1984 sind sie zurück in die Türkei gegangen und haben sich dort eine Existenz aufgebaut. Sie haben in Iskenderun in einem Haus mit fünf Etagen gelebt. Auf jeder Etage wohnten drei Familien. Ich weiß nicht, was aus den Menschen geworden ist.“ Er weiß nur eins: Er will hin. Suchen. Helfen.
Die türkische Community in Krefeld trauert. Wie Tufan Ünal, Vorsitzender der Türkischen Union (die Dachorganisation der türkischen Moscheegemeinden in Krefeld) berichtet, ist für Donnerstag ein großer, zentraler Gottesdienst in der Merkez-Moschee an der Viersener Straße geplant; die Menschen wollen für Opfer und Helfer im Katastrophengebiet beten – und dafür, dass die Erde endlich nicht mehr bebt.
Neben den Hilfsgütern sei in den Gemeinden und bei Privatleuten auch Geld gesammelt worden, berichtet Ünal weiter, mindestens 100.000 Euro seien zusammengekommen, Stand Dienstagmittag. 20 bis 30 Familien seien ins Katastrophengebiet gereist, um zu helfen. Ünal zeigte sich auch froh darüber, dass das in Krefeld ansässige türkische Lebensmittelunternehmen Yayla einen Hilfstransport auf den Weg bringt.
Yayla ist in Krefeld bislang für schöne Dinge bekannt: für türkische Spezialitäten und als großer Eishockey-Sponsor für die Krefeld Pinguine – die Eishalle der Pinguine heißt Yayla-Arena. Nun wird Yayla helfen, mit dem, was Erdbebenopfer zum Überleben brauchen: Nahrung, Kleidung, Decken.