Kunst in Krefeld Beklemmende neue Welt in der Museumsvilla

Krefeld · Ralf Berger konfrontierte das Publikum im Museum Haus Esters in seiner Performance „Genius Media. Guidance for a New World Order“ mit düsteren Perspektiven.

 Ein Waldschrat auf dem Boden und eine junge Frau mit einer Waffe, aus der Wodka geschossen wird (hinten rechts): Die Besucher erlebten am Sonntag in Haus Esters eine Performance des Düsseldorfer Künstlers Ralf Berger.

Ein Waldschrat auf dem Boden und eine junge Frau mit einer Waffe, aus der Wodka geschossen wird (hinten rechts): Die Besucher erlebten am Sonntag in Haus Esters eine Performance des Düsseldorfer Künstlers Ralf Berger.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

An einem freundlichen Sommersonntag vermag die verkleidete Person, eine Mischung aus Waldgeist oder ein für dieses Biotop getarnter Soldat, keine Furcht einzuflößen. Man kann den Menschen in diesem Kostüm mit den grün-braunen Fransen mit einer gewissen Heiterkeit betrachten. Die findet aber auf den zweiten Blick ein rasches Ende, denn der Waldkämpfer läuft mit einer Kamera herum, scheint alles um sich herum in den Erdgeschossräumen von Haus Esters damit aufzunehmen, mal aus einer Raumecke heraus, mal auf dem Bauch liegend wie es zu Kampfpositionen gehört. Zahlreiche Besucher – erfreulicherweise aller Altersgruppen – haben sich zur Performance „Genius Media. Guidance for a New World Order“ von Ralf Berger eingefunden.

Ist der Waldschrat einmal aus dem Blick verschwunden, fällt gleich am Eingang ein permanent laufender kleiner Fernseher auf. Ein Kanal mit Werbesendungen ist eingeschaltet, etwas Alltägliches, dem man erst einmal keine Aufmerksamkeit ob seiner Trivialität schenken mag. Höchst befremdlich wird das Fernsehprogramm. Nach der Reklame für einen Ice Maker kommt eine Werbung für ein Gewehr, natürlich auch, um Kaufanreize zu verstärken, zu einem herabgesetzten Preis. Ein Schnäppchen für 474 Dollar statt 599.

Abartig: Fünf junge Leute, gekleidet als seien sie Schüler einer Hotelfachschule - typisch in schwarzen Hosen und weißen Hemden oder Blusen - laufen herum. Jeder hält eine Maschinengewehrattrappe vor der Brust. Aber man ist freundlich zu den Gästen und bietet überraschend Wodka an, der sich in den Plastikgewehren befindet.

Amina Falah, eine der bewaffneten jungen Frauen, die im normalen Leben Grafikdesign an der Hochschule Rhein-Waal studiert, erklärt: „Es ist uns überlassen, wie wir den Auftrag ausfüllen, wir können ihn ganz individuell gestalten.“ – „Leider ist das Ganze ziemlich zeitgemäß, es widerspiegelt einiges, was heute so passiert,“ fügt sie hinzu.

Verstörend diese Präsenz von Gewalt oder das permanent auftauchende Gefühl von Unsicherheit bis zur konkreteren Bedrohung. Solche Assoziationen kommen auch auf bei den sechs kleinen Fernsehgeräten, die Ausschnitte von Lieblingsfilmen des Künstlers aus dystopischen Filmen zeigen, Filmen, die eine düstere Zukunft beschwören.

Berger holt dies in seine Performance, macht subtil erfahrbar, dass diese Zeiten gar nicht so sehr in der Ferne liegen. Die aktuellen Ereignisse um Amokläufe von Todesschützen in den USA gehören in dieses Horrorszenario. Beklemmend. Da läuft an einer Wand in einem kreisrunden Bildausschnitt eine Liveübertragung vom Treiben an der Museumskasse, und der Zuschauer verfolgt dies durch ein Fadenkreuz und wird so in die Perspektive eines Terroristen kurz vor seiner Tat gesetzt.

Bedrückend. So empfindet man vom längerem Aufenthalt in dieser Performance sensibilisiert den Blick in einen großen runden Spiegel, der an der Wand hängt. Er ist so in Teile geschnitten, dass die Wandfläche – hier nun nicht im realistischen Schwarz, sondern im hellen Farbton – auch wieder ein Fadenkreuz darstellt. Hier ist der Besucher im Visier.

Beobachten und beobachtet werden zieht sich als weiterer Strang durch die Performance. Wer registriert die Reaktionen des Einzelnen auf die Befehle, die auf Schildern zu lesen sind wie „Geld ist dein Gott“, „Keine selbständigen Gedanken“ oder „Diene“? „Wir sind Diener eines Systems, obwohl wir glauben, es zu beherrschen“, erklärt Magdalena Holzhey von Haus Lange/Haus Esters. Die Medien spielen dabei mehrere Rollen. Sie tragen ihren Teil dazu bei, dass die Zukunft keine Realisierung einer freundlichen Utopie bedeuten muss, sondern uns eine düstere Zukunft, eine Dystopie, erwarten könnte.

Betrachtet man die Impulse der Performance und ordnet sie dem Zeitgeschehen zu, wirft die Dystopie schon ihre Schatten voraus. Mag man sich so viel Pessimismus hingeben? Oder motiviert es nicht, dagegen zu steuern? Die Fragen klingen nach der Performance des 1961 in Düsseldorf geborenen Künstlers nach.

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