Wochenkommentar P&C und Vagedes

Krefeld · Die lebhafte Debatte um den Plan von P&C, eine Filiale in Krefeld zu errichten, die fünf Meter der Friedrichstraße überbaut, ist mit Blick auf Krefelds Geschichte verständlich, droht aber nur die eine Hälfte der Problematik zu sehen: was Krefeld verlieren könnte. Man sollte aber schon stets die andere Hälfte mitwürdigen: was Krefeld zu gewinnen hat.

Die Sorge um einen neuerlichen Substanzverlust der Stadt ist nur zu verständlich, wenn man daran denkt, was in Krefeld nach dem Krieg alles abgerissen wurde — Gebäude, die man heute dankbar pflegen würde. Auf Krefeld trifft leider der böse Satz zu, dass nach dem Krieg mehr wertvolle Architektur zerstört wurde als im Krieg selbst.

Es fragt sich aber, ob die Friedrichstraße in diese Tradition gehört. Geht da wirklich eine wertvolle Sichtachse verloren? Wer an der St.-Anton-Straße steht und sich entlang der dunkelgrauen Pflasterung orientiert, wird den Blick in Richtung Hochstraße nur wenig eingeengt finden. Es mag Geschmacksache sein — aber ist dieser Blick wirklich mit dem Begriff der Sichtachse zu adeln?

Der Unterschied wird sofort deutlich, wenn man vom Ostwall über die Rheinstraße auf den Turm der Dionysiuskirche blickt: Der Achsencharakter der Szenerie leuchtet sofort ein; der Turm strukturiert den Raum, die Rheinstraße läuft erkennbar darauf zu — übrigens ist der Turm, als er erbaut wurde, eben als ordnender Blickfang für die Rheinstraße konzipiert worden. Aber die Friedrichstraße?

Sie ist längst zerschnitten durch die St.-Anton-Straße. Die raumordnende Kraft einer Achse ist allenfalls zu spüren, wenn man den Blick ab St.-Anton-Straße in Richtung Friedrichsplatz richtet. Aber die andere Richtung? Hier zu kämpfen, gar Vagedes' Stadtplanung anzuführen, ist schwer nachvollziehbar.

Überhaupt Adolph Anton von Vagedes (1777 — 1842): Seine vier Wälle waren seinerzeit ein großer Wurf; heute aber ist der Raum innerhalb der Wälle zerfallen in Mini-Zentren und Quartiere. Das mag man beklagen; man kann vielleicht den Ratspolitikern der vergangenen 100 Jahre vorwerfen, dass sie den Zerfall des Raums innerhalb der Wälle in Quartiere zuließen. Faktum heute ist, dass die Stadt ihre liebe Not hat, die schmale, langgestreckte City zu strukturieren und eine lebbare Ordnung zu finden, die Süden und Norden nicht auseinanderklaffen lässt. Vagedes' Entwurf ist schön auf der Karte, aber schwergängig im richtigen Leben.

Und schließlich reden wir von einem Investor, der in Krefeld geschätzt 100 Millionen Euro investieren, eine Front aus Verfall erneuern und einen Magneten für Einkäufer aus dem Umland schaffen will. Sicher, eine Groß-Investition wiegt nicht automatisch mehr als die Sorge um die historische Substanz einer Stadt. Aber Kampf an dieser Stelle? Nein. Dort verkämpft man sich, dort muss man Krefelds Erbe nicht retten. In der Abwägung hat Krefeld die Chance, eine von Verfall gezeichnete Zone zu sanieren. Mit Volksbank und P&C-Haus wäre die Innenstadt schlagartig aufgewertet. Das ist die Chance für die Zukunft.

Krefeld sollte diesem Investor das Leben nicht schwermachen. JENS VOSS

(RP/areh)
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