Städtebau Krefeld „Der Westwall ist ein schlafender Riese“

Krefeld · Wir sprachen mit Krefelds neuem Planungsdezernenten Marcus Beyer über sein Krefeld-Bild und Pläne für die Stadt. Der Stadtrat hatte Beyer im Juli einstimmig zum Nachfolger von Martin Linne gewählt.

 Marcus Beyer war zuletzt Technischer Beigeordneter in Kempen. Der gebürtige Krefelder hat bereits von 2009 bis 2013 als Sachgebiets- und Abteilungsleiter bei der Stadtverwaltung Krefeld gearbeitet.

Marcus Beyer war zuletzt Technischer Beigeordneter in Kempen. Der gebürtige Krefelder hat bereits von 2009 bis 2013 als Sachgebiets- und Abteilungsleiter bei der Stadtverwaltung Krefeld gearbeitet.

Foto: Fabian Kamp/Fabian kamp

Sie kommen aus einer Stadt, der etwas Bemerkenswertes gelungen ist: Sie hat seit Mitte der 60er Jahre einen Masterplan für das Zentrum über Jahrzehnte umgesetzt und bis Mitte der 90er Jahre aus einem verfallenden Quartier ein Schmuckstück gemacht. Was muss passieren, dass so etwas glückt?

Beyer Ich glaube, dass nicht alle Kempener dieses These so unterschreiben würde. Ich glaube, dass der Kempener sehr einverstanden ist mit der Entwicklung des Zentrums. Mit der Entwicklung des Innenrings, von kleinteiligen Parkplätzen, mit dem Hochhalten der Denkmäler, generell: mit der Entwicklung der guten Stube der Stadt. Es gibt aber Entwicklungen der Neubebauung der 60er und 70er Jahre, die sehr umstritten sind.

Für den Ortskern aber hatte Kempener einen Plan, der tatsächlich über Jahrzehnte durchgehalten wurde. Das vermisst man in Krefeld.

Beyer Für Krefeld streben wir Ähnliches an. Wir haben zwei Büros mit einer kulturhistorischen Analyse beauftragt. Die ersten Ergebnisse liegen vor, die im nächsten Jahr öffentlichkeitswirksam werden sollen. Die Bürgerschaft soll durch Workshops eingebunden werden.

Können Sie zu ersten Ergebnissen etwas sagen?

Beyer Es gab vor allem im 19. bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhundert eine sehr stringente Stadtplanung. Das lässt seit den 50er Jahren nach. Es ist keine klare Planung mehr erkennbar. Es gibt eher wichtigste Einzelprojekte wie die Mediothek und das Behnischhaus. Bei Eingriffen in die historische Struktur wird sofort leidenschaftlich debattiert, etwa als es darum gibt, die Friedrichstraße für den Bau von P& C zu verschmälern und damit die historische Sichtachse zu verändern. Auch dabei ging es um eine Einzelmaßnahme; ein roter Faden ist nicht erkennbar. Die kulturhistorische Analyse soll detailliert die Siedlungsstrukturen Krefelds aufzeigen. Das wird auch die Diskussion Nachsicht ziehen, wo wir vielleicht zu alten Strukturen zurückkehren müssen.

Es kann sein, dass die Leute beim Stichwort Workshop skeptisch reagieren. Es gab städtebauliche Workshops, die folgenlos blieben und nach dem Motto ausgegangen sind: War gut, dass wir drüber gesprochen haben. Das wirkte ein bisschen wie ein Placebo statt echter Beteiligung.

Beyer Ich war nun bei den Workshops nicht dabei. Speziell zum Thema Mobilität glaube ich aber, dass es wichtig ist, die Bürger einzubinden, weil sie unsere Experten vor Ort sind.

Braucht Krefeld nicht schlicht einen großen Wurf?

Beyer Bei der Mobilitätswende sicherlich. Wir müssen die Verkehrsflächen anders aufteilen. Zurzeit beanspruchen Autos den meisten Raum. Wir werden diese Relationen anders aufteilen müssen, wenn die Mobilitätswende glücken soll und die Leute vom Auto auf andere Verkehrsmittel umsteigen sollen.

Düsseldorf hat es mit der hochumstrittenen Umweltspur vorgemacht.

Beyer Ja, hochumstritten, aber es ist ein Versuch, Verkehrsflächen neu aufzuteilen. Ich bin allerdings überzeugt, dass die Leute nur dann auf den ÖPNV umsteigen, wenn die Angebote passgenau und preislich attraktiv sind. Diesen Kampf für den ÖPNV gewinnt man nicht nur über den Preis, wie andere Städte wie Bonn gezeigt haben. Die haben die Preise drastisch gesenkt und kaum neue Kunden gewonnen.

Ein großer Wurf wäre, wenn man sagt: Der Ostwall wird komplett verkehrsfrei, von Bahn und von Autos. Krefeld hätte zehn Jahre Verkehrschaos, dann aber eine historische Achse in der City, die ihresgleichen sucht. Dann könnte man auch den Bahnhofsvorplatz ganz anders gestalten.

Beyer Den Ostwall werden wir nicht komplett verkehrsfrei kriegen, allein wegen der Bahnen. Die Zuschüsse für die neue Halteselle an der Rheinstraße sind an eine Zweckbindungsfrist von 20, 25 Jahren gebunden. Krefeld müsste alle zurückzahlen, wenn die Bahnen dort nicht mehr fahren würden.

Bleibt die Sperrung für den Autoverkehr.

Beyer was ich mir vorstellen könnte, ist, dass der Charakter als Durchfahrtsstraße zurückgedrängt und Radfahrern mehr Raum gegeben wird.

Man hat den Eindruck, dass sich in der Innenstadt auf dem Westwall am meisten bewegt. Er entwickelt sich mehr und mehr zu einem gehobenen Wohnquartier. Der Wall selbst aber ist über weite Strecken ist eine hässliche Asphaltfläche. Braucht er eine Generalüberholung?

Beyer Ja, wir müssen uns über den ruhenden Verkehr auf dem Westwall Gedanken machen, denn die Flächen dort haben überhaupt keine Gestaltungsqualität. Der Westwall ist ein schlafender Riese. Ich plädiere allerdings dafür, hierfür erst Pläne zu entwerfen, wenn die kulturhistorische Analyse vorliegt.

Könnte man den Westwall-Markt nicht komplett in die Innenstadt verlegen?

Beyer Ich kann mir das sehr gut vorstellen.

Wenn Sie König von Krefeld wären: Was würden Sie anders machen?

Beyer Ich bin in der Innenstadt groß geworden, wir haben auf der Marktstraße gewohnt. Die Straße war in meiner Kindheit ein bürgerliches Wohnviertel, schon damals durchmischt auch mit Migranten, aber gut durchmischt. Diese Balance hat sich verändert und ist aber im Laufe der Zeit immer problematischer geworden. Die Mittelschicht-Klientel zog mehr und mehr weg. Dieser Prozess ist über Jahrzehnte nicht thematisiert worden.

Dazu kommt: Die Marktstaße ist eine hässliche Asphaltschlucht. Es wäre schön viel erreicht, wenn der Straßenraum gut strukturiert und mit etwas Grün freundlich und gefällig gestaltet wäre.

Beyer Bei solchen Überlegungen ist auch die Frage entscheidend, wie die Leitungstrassen liegen.

Na ja, von Stadtplanern kann man hören, dass ein gut strukturierte Straße zentral ist, um Wohnlichkeit herzustellen und den unwirtlichen Eindruck einer Asphaltschlucht zu vermeiden. Bei der Durchgangsstraße durch Traar wurde dennoch bei der Erneuerung eine breite Asphaltspur hergerichtet, auf der denn ein Radweg abgepinselt wurde. Mit eigener Pflasterung, Bürgersteig, Parkbuchten und einem Grünkonzept sähen die Straße und Traar anders aus.

Beyer Die schönere Gestaltung ist letztlich auch eine Frage des Geldes und der Planungskapazität einer Stadt. Und hier wird die schöne Variante sehr schnell sehr teuer.

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