Im Seidenweberhaus Star-Pianist Martin Stadtfeld begeistert in Krefeld

Krefeld · Im letzten Sinfoniekonzert überzeugten Mihkel Kütson und die Sinfoniker mit einem völlig gegensätzlichen Programm im Seidenweberhaus.

 Martin Stadtfeld sorgte 2003 mit seiner  Debut-CD zu Bachs Goldberg-Variationen für Furore.

Martin Stadtfeld sorgte 2003 mit seiner  Debut-CD zu Bachs Goldberg-Variationen für Furore.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Es ist schon etwas Besonderes, dass es den Verantwortlichen gelungen ist, einen so hochkarätigen Pianisten wie Martin Stadtfeld für das 7. Sinfoniekonzert verpflichten zu können. Zur großen Freude des Publikums im Seidenweberhaus spielte er eines der großartigsten Klavierkonzerte der klassischen Literatur – das 4.in G-Dur von Ludwig van Beethoven.

Bereits das einleitende Allegro moderato, bei dem der Solist alleine beginnt, zeigte die exzellente Spielkultur des Gastes. Ohne die Interpretation zu verzärteln, wirkt Stadtfelds Spiel selbst bei höheren Stärkegraden und virtuosen Passagen immer noch wie ein von Emotionen getragenes Streicheln der Tasten. Unübertroffen beispielsweise die fein austarierten Übergänge von den Soli zum jeweils nächsten Orchestereinsatz, die Kütson und das Orchester in ebensolcher Sorgfalt mitvollzogen. Das nahtlose Miteinander im Kopfsatz, der spannungsvolle Dialog von Klavier und Instrumentalisten im Andante con moto und die Heiterkeit des rhythmisch geprägten, aber nie martialisch ausufernden Rondo Vivace – hier stimmte wirklich alles. Das empfand wohl auch der umjubelte Solist so – er applaudierte immer wieder den Orchestermitgliedern, die mit ihm vorbildlich harmoniert hatten.

Über zwei Zugaben freuten sich die Zuhörer – die erste war extrem virtuos, und an zweiter Stelle improvisierte Stadtfeld fantasiereich über das Lied „Es waren zwei Königskinder“.

Als „Brückenbauer der Kulturen“ sieht sich der 1970 in Ankara geborene Pianist und Komponist Fazil Say, dessen „Sinfonie Nr.1 für großes Orchester und türkische Instrumente“ Mihkel Kütson für die zweite Hälfte des Konzerts ausgesucht hatte. Zum groß besetzten Orchester mit reichlich Schlagwerk gesellten sich noch die Ney, ein blockflötenartiges türkisches Instrument, gespielt von Valentina Bellanova; Kanun, der an unsere Zither erinnert (gespielt von Muhittin Kemal Temel) - dazu die türkischen Schlaginstrumente Kudüm, Bendir und Darbooka, denen sich Dominik Lang - seit 1993 Orchesterschlagzeuger bei den Niederrheinischen Sinfonikern - sehr präzise widmete.

Die „Istanbul Senfonisi“, so der Originaltitel, ist ein 2008/2009 entstandenes Auftragswerk des Dortmunder Konzerthauses – dort war Fazil Say von 2005 bis 2009 Artist in Residence - und des WDR. Es sollte die besondere Verbindung der Europäischen Kulturhauptstädte 2010, Istanbul und Ruhrgebiet, dokumentieren. Das siebenteilige Opus erzählt von der Vergangenheit, dann von der Eroberung Konstantinopels und dokumentiert darauf Says „jahrzehntelange Wut über den Missbrauch der Religion für politische Zwecke, über Fanatismus und Radikalisierung“. Dann öffnen sich musikalisch die Türen der wunderschönen „Blauen Moschee“, zurück geht es ins geschäftige Alltagsleben Istanbuls, die unterschiedlichen Schicksale der Menschen werden in Töne gegossen, und der Kanun eröffnet improvisierend die Tänze einer orientalischen Nacht. Schließlich endet das Werk mit dem Meeresrauschen, mit dem es begonnen hatte - erzeugt von einem sogenannten „ocean drum“.

Das alles ist Programmmusik im besten Sinne mit zahlreichen melodiösen Passagen, aber auch, je nach Thema, erschreckenden Ausbrüchen. Die Niederrheiner, denen ihr Dirigent ein bestens gerüsteter Leiter durch alle Tücken war, bestanden diese außergewöhnlichen Anforderungen mit Bravour – ebenso die drei Solisten, die – nach ausdauerndem Applaus - bei ihrer Zugabe als klangvolles Trio überzeugten.

2. Konzert: Freitag, 17. Juni 2022, 20 Uhr, im Seidenweberhaus 

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