Krefeld Phänomen im Zoo: Schimpansen trauern

Krefeld · Ein ungewöhnliches Naturphänomen können Besucher zurzeit im Krefelder Zoo erleben. Die Schimpansen-Gruppe im Affenhaus verarbeitet den Tod eines Jungtieres. Das tote Baby bleibt im Gehege, solange die Mutter es nicht ablegt.

 Liebevoll berührt Schimpansin Menolly ihr tot geborenes Baby. Sein Köpfchen umschließt sie mit einer Hand, in der anderen Hand hält sie den Fuß des Jungtieres. Seit einer Woche verarbeiten die Menschenaffen den Verlust.

Liebevoll berührt Schimpansin Menolly ihr tot geborenes Baby. Sein Köpfchen umschließt sie mit einer Hand, in der anderen Hand hält sie den Fuß des Jungtieres. Seit einer Woche verarbeiten die Menschenaffen den Verlust.

Foto: Hella Hallmann

Die Geburt hatte alle überrascht. Völlig unerwartet brachte Schimpansin Menolly vor einer Woche ein Junges zur Welt. Leider war das Baby nicht lebensfähig. "Es wusste keiner von uns, dass sie tragend ist. Bei Schimpansen kommt es durchaus vor, dass die Trächtigkeit unentdeckt bleibt. So können wir auch nicht mit Sicherheit sagen, wer der Vater des Babys ist. Wahrscheinlich ist es jedoch Limbo, der Chef der Gruppe", erklärt Zoo-Sprecherin Petra Schwinn.

Das tote Jungtier wird von Mutter Menolly seitdem getragen, umsorgt und abgetastet. Auch die anderen Schimpansen der Gruppe zeigen starkes Interesse an dem Baby. Es scheint so, als müssten sie den Tod des Jungtieres erst verarbeiten. Immer wieder berühren sie das Kleine, abwartend, ob es sich nicht vielleicht doch noch bewegt.

"Dieses Verhalten ist von den Forscherinnen Jane Goodall und Dian Fossey auch bei Affen in freier Wildbahn beobachtet worden. Teilweise werden die toten Jungtiere sogar mitgeschleppt, bis sie fast verwest sind. Solange können wir im Zoo natürlich nicht warten. Trotzdem ist es uns wichtig, der Mutter und auch den anderen Gruppenmitgliedern eine angemessene Zeit des Abschieds einzuräumen", sagt die Zoo-Biologin.

Auch aus wissenschaftlicher Sicht ist das Verhalten der Schimpansen interessant. Max-Planck-Forscher dokumentierten 2011 den Abschied einer Schimpansen-Gruppe von einem toten Jungtier in einem Reservat in Sambia. Sie bezeichneten die gefilmten Szenen als "einzigartig" und waren sich bewusst, Zeugen eines seltenen Naturphänomens zu werden. Der Spruch "Den Tod begreifen lernen" habe angesichts der Menschenaffen, die das tote Jungtier vorsichtig mit den Fingern berührten, eine neue Dimension erhalten.

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Auch im Krefelder Affenhaus spielen sich zurzeit rührende Szenen ab. Schilder am Gehege informieren die Besucher über das tragische Ereignis. "Es hat sich bis jetzt keiner beschwert. Ganz im Gegenteil. Wir erfahren viel Zustimmung dafür, dass wir das natürliche Verhalten der Tiere respektieren und das tote Jungtier nicht einfach wegnehmen", sagt Schwinn erfreut.

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Es ist in Krefeld nicht das erste tote Affenbaby, das im Gehege bleiben darf. Im Oktober 2013 hatte Gorilla-Weibchen Oya eine Totgeburt. Damals wurde der Bereich vor der Gorilla-Villa abgesperrt, da Oya psychisch labil war. Zweieinhalb Wochen lang kümmerte sie sich um ihr totes Junges. Wie lange der Prozess bei den Schimpansen dauern wird, ist im Moment schwer zu sagen. Erst wenn Menolly das tote Jungtier liegen lässt, wird es von den Pflegern aus dem Gehege genommen. Eine Absperrung des Besucherbereichs ist aber nicht notwendig. So können Interessierte beobachten, zu welcher Art Gefühlen sozial hoch entwickelte Tiere wie Menschenaffen fähig sind. Da die Gruppe unter Hochspannung steht, kann es jedoch zu Rangeleien und lauten Schreien kommen.

(RP)
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