Krefeld Peymann, das Theater und die RAF

Krefeld · Der prominente Theaterregisseur diskutierte am Dienstag mit Schülern der Kaufmannsschule.

 In Aktion: Claus Peymann gestern vor Schülern der Kaufmannsschule. Er hat der Schule eine DVD seiner Berliner Inszenierung von Brechts "Mutter Courage" zur Verfügung gestellt, für die Frank Hänig, früherer Ausstattungsleiter des Krefelder Theaters die Bühne gebaut hatte. Die DVD muss von der Schule streng unter Verschluss gehalten werden und darf nur für Unterrichtszwecke aus dem Safe geholt werden.

In Aktion: Claus Peymann gestern vor Schülern der Kaufmannsschule. Er hat der Schule eine DVD seiner Berliner Inszenierung von Brechts "Mutter Courage" zur Verfügung gestellt, für die Frank Hänig, früherer Ausstattungsleiter des Krefelder Theaters die Bühne gebaut hatte. Die DVD muss von der Schule streng unter Verschluss gehalten werden und darf nur für Unterrichtszwecke aus dem Safe geholt werden.

Foto: Thomas lammertz

Prominenter Besuch an der Kaufmannsschule: Claus Peymann, Theaterregisseur, Intendant des Berliner Ensembles, 68er der ersten Stunde, und bekannt dafür, mit umstrittenen politischen Ansichten nicht hinter dem Berg zu halten, nahm sich gestern zwei Stunden Zeit, um mit Oberstufenschülern ins Gespräch zu kommen. "Ich möchte euch als Publikum fürs Theater gewinnen, weil Theater viel geiler ist als Disco und Fernsehen. Denn im Theater spielen lebendige Schauspieler für ein lebendiges Publikum", erklärte Peymann den 200 Zuhörern. "Ich hoffe, dass ihr nachher sagt: ,Das hat mich überzeugt, was der olle Peymann gesagt hat, Theater ist etwas sehr Schönes'."

Aus seinem Vorhaben, "voneinander zu lernen, auch, warum ihr nicht ins Theater geht", wurde allerdings nichts. Die starre Agenda des von Schülern und Lehrern bis ins Detail vorbereiteten Vormittags ließ keinen Raum für Spontaneität und Dialog. Dennoch erlebten die Schüler einen gut aufgelegten Claus Peymann, der intensiv auf die vorbereiteten, vom Blatt abgelesenen Fragen einging und es — darin ganz Theaterprofi — verstand, das junge Publikum in seinen Bann zu ziehen. Nicht nur, um für das Theater Werbung zu machen, sondern auch, um politische Thesen in den Raum zu stellen, beispielsweise seine umstrittene Sichtweise der Entstehung des RAF-Terrorismus: Peymann, der sich als "typischer 68er" bezeichnet, berichtet über die Zeit: "Der politische Kampf um ein besseres Deutschland hat einige Leute berühmt gemacht, zum Beispiel mich. Manche sind zum Theater gegangen, andere sind Außenminister oder Bundeskanzler geworden und wieder andere hat dieser Traum von einem besseren Deutschland schließlich zu Terroristen gemacht, die dann die RAF gegründet haben. Das waren Leute, die haben gesagt ,Warum werden wir von Polizisten verprügelt und wehren uns nicht?'. Verständliche Frage. Am Ende haben die ja Recht behalten." Auf die Frage, ob Theater überhaupt Zukunft habe, antwortete Peymann: "Menschen können ohne Theater nicht existieren. Sie spielen voreinander, um ihre Ängste zu bewältigen. Das ist Teil der menschlichen Realität, war es immer." Theater gebe Antworten auf politische Hoffnungen und Ängste, helfe, zu vergessen und Menschen aus ihrem Alltag zu erlösen. "Es ging im Theater immer darum, Solidarität mit den Schwachen zu zeigen und die Mächtigen zu entlarven", so Peymann. Sein Berliner Ensemble mache auch viele Aufführungen für Jugendliche, zum Beispiel "Frühlings-erwachen". "Die sitzen drin und sind total gebannt, weil sie spüren ,Das sind unsere Themen'", wirbt Peymann bei den Kaufmannsschülern, die zuvor danach gefragt hatten, wie man das Theater interessanter für sie machen könne, um neues Publikum zu gewinnen. Seine Stücke suche er im Übrigen nicht danach aus, was voraussichtlich die meisten Leute ins Theater ziehen würde. Sondern: "Was fordert mich so heraus, dass es mir monatelang nicht langweilig wird?" Peymann erklärte: "Ich muss vor einem kaum lösbaren Problem stehen, vor einem Stück, das vor mir liegt, wie ein noch nie betretener Kontinent, auf den ich meinen Fuß setze."

(RP)
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