Krefeld Othello als Psychothriller

Krefeld · Matthias Gehrt inszeniert Shakespeares Tragödie als Immigrantenstück. Die Konfrontation zwischen Othello und Jago auf unheimlich-düsterer Bühne ist hochspannend – dank der ausgezeichneten Darsteller.

Othello als Psychothriller
18 Bilder

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Matthias Gehrt inszeniert Shakespeares Tragödie als Immigrantenstück. Die Konfrontation zwischen Othello und Jago auf unheimlich-düsterer Bühne ist hochspannend — dank der ausgezeichneten Darsteller.

Der Teufel hat ein bleiches Gesicht: Jago — so gleißend weiß geschminkt wie alle Venezianer in Matthias Gehrts Inszenierung von "Othello" — ist ein Rädelsführer aus der Hölle, der den Fremdling Othello vernichten will. Denn der fällt nicht nur als einziger mit tiefschwarzem Gesicht aus der Reihe. Er ist auch ein Sonderling, bewegt sich seltsam, brummt komisch vor sich hin. Für Jago ist klar: "Der Nigger muss weg." Bis ihm das gelingt, vergehen zweidreiviertel Stunden voller Spannung. Das Publikum erlebte bei der Premiere einen dichten Theaterabend, so packend wie ein Psychothriller.

Die Intrige beginnt im Scheinwerferkegel auf der kahlen grauen Vorbühne. Fähnrich Jago (Bruno Winzen) und Edelman Rodrigo (Paul Steinbach) wollen den Schwarzen, der es bis zum General geschafft hat, vernichten. Der Eine aus Hass (auf den Emporkömmling), der Andere aus Liebe (zu Desdemona, die Othello geheiratet hat). Und vom ersten Moment an spannen die Akteure einen Spannungsbogen, der den ganzen Abend hält ohne einen Augenblick durchzuhängen.

Schauspieldirektor Gehrt will in Shakespeares großer Liebe- und Eifersuchtstragödie das Moment des Fremdseins, der Immigration beleuchten. Das funktioniert, weil Bruno Winzen ein starker Jago ist. Mit rasierklingenscharfem Verstand heckt er seine Vernichtungspläne aus, während er auf einem bis ins Parkett vorgebauten Steg mephistophelisch ins Publikum lächelt. Gewissensbisse kennt er nicht: "Es liegt an uns, ob wir so sind oder so." Maliziöse Genugtuung zeigt er, wenn er Othello das Gift des Zweifels an Desdemonas Treue einträufelt.

Daniel Minetti verleiht dem Othello eine immense Körperlichkeit. In seiner Haltung spiegelt er den Widerstreit der in ihm tobenden Gefühle. Es ist eine Männerwelt, zu der die deftige Sprache von Heinz Oliver Karbus' Übersetzung passt. Entsprechend hat Gabriele Trinczek auch die Bühne mit Symbolkraft eingerichtet: In einer Blechtonne lodert Feuer, ein Billardspieler (Felix Banholzer), der die Kugeln so willkürlich stößt wie die Intriganten sich die Bälle zuspielen, diffuses Licht und ein Deckenventilator lassen an Kneipenhinterzimmer denken. Im Hintergrund wandert wie ein fahler Mond eine Lichtscheibe über die Bühne, so langsam, dass die Bewegung nicht zu erkennen ist. Darauf hat Trinzcek das elisabethanische Regierungsgefüge abgebildet. Es ist eine dauernde Mahnung. Und die Rechtfertigung, dass Othello am Ende stirbt — nur so kommt die Welt wieder ins Gleichgewicht.

Der Schlussapplaus würdigt alle Darsteller: Felicitas Breest als mädchenhaft-zarte Desdemona, die sich gegen die Gerüchteköche nicht behaupten kann. Adrian Linke gibt einen zerrissenen Cassio, der zum Spielball Jagos wird, aber stets die Haltung bewahren will. Eva Spott (Emilia) und Helen Wendt (Bianca) zeigen den ausweglosen Kampf der Frauen um die Gerechtigkeit. Christopher Windgens lässt den Dogen mit empört kieksender Stimmer zur Spottfigur werden, Joachim Henschke tobt Stimmgewaltig als Desdemonas betrogener Vater, und Cornelius Gebert wieselt als überforderter Gouverneur über die Bühne.

(RP)
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