Musik in Krefeld Olivier Latry: Zauber eines Orgel-Weltstars

Krefeld · Die Pfarrkirche St. Cyriakus war brechend voll, das Publikum begeistert: Der französische Organist ließ die Metzler-Orgel in den schönsten Klangfarben strahlen. Ein Hochgenuss.

 Starorganist Olivier Latry an der Metzlerorgel in der Hülser Pfarrkirche St. Cyriakus

Starorganist Olivier Latry an der Metzlerorgel in der Hülser Pfarrkirche St. Cyriakus

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Es war wie bei der Weihnachtsmette – immer mehr Menschen strömten in die Kirche St.Cyriakus, und einige fanden nur noch auf der Seitenempore Platz – alle wollten den Weöltklasse-Organisten Olivier Latry hören. Der 1962 geborene Franzose übernahm bereits 1990 die Orgelklasse seines Lehrers Gaston Litaize am Conservatoire in St. Maur. Im Alter von 25 Jahren wurde er zum Titularorganisten an der Kathedrale Notre-Dame in Paris ernannt. In der Konzertsaison 2017/18 war er „Palastorganist“ an der neuen Eule-Orgel im Kunstpalast Dresden.

Für sein Konzert in Hüls hatte Latry ein anspruchsvolles Programm mitgebracht, das vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart reichte und ihm Gelegenheit bot, die schier unerschöpflichen Möglichkeiten der Metzler-Orgel fantasiereich auszukosten. Bereits die „Suite in 1. Ton“ von Jean-Adam Guilain (gegen 1680-1739) - einem Deutschen, den es nach Frankreich verschlug und der ein Schüler von Louis Marchand war - bot mit ihren sieben, ganz gegensätzlichen Sätzen willkommene Möglichkeiten, unterschiedliche Registerfarben einzusetzen.

Nach einem „Tierce en taille“ aus der „Messe für Klöster“ von Francois Couperin (1668 -1733) war das „Ricercare a 6“ aus Johann Sebastian Bachs „Musikalischem Opfer“ das erste Schwergewicht des Programms, dem der französische Künstler alle Sorgfalt, Durchsichtigkeit und spieltechnische Brillanz angedeihen ließ. „B.A.C.H.“ war für Robert Schumann das Thema für sechs Fugen, von denen Latry die vierte, die mit ihren Engführungen, der Fugen-Technik, dass eine zweite Stimme das Thema aufnimmt, bevor die erste es vollständig ausgeführt hat, als die „gelehrteste“ gilt, auswählte.

Drei Präludien und Fugen schrieb Marcel Dupré (1886-1971) während seiner Studienzeit, erst 1920 wurden sie unter op.7 herausgegeben und galten bei den Zeitgenossen lange als unspielbar. Den französischen Gast schienen die extremen Schwierigkeiten des dritten Werkpaares, das er präsentierte, keineswegs zu schrecken – spätestens bei der in rasendem Tempo genommenen Fuge hielten die Zuhörer fast den Atem an. - Besinnlicher wurde es dann wieder bei Jean Alain (1911-1940) und seinem „Postludium“, während Thierry Escaich (geb.1965) - Professor am Pariser Konservatorium – in seiner „Evocation II“ Akkordisches, Chromatisches und rhythmisch Unregelmäßiges in einem gewaltigen Crescendo verbindet.

„Wachet auf, ruft uns die Stimme“, diesen Choral, passend zur letzten Woche des Kirchenjahres, hatte Kantor Heinz-Peter Kortmann als Thema für die angekündigte Improvisation Latrys vorgeschlagen. Diese begann, ganz verhalten, mit leisen Flötenregistern, steigerte sich auf verschlungenen Wegen, immer wieder Melodiepartikel einbeziehend, zu mächtigem Klangrausch und hörte so besinnlich auf, wie sie angefangen hatte.

Der Jubel des Publikums kannte keine Grenzen, und Olivier Latry wählte als Zugabe eine Choralbearbeitung von Bach - ebenfalls über „Wachet auf“.

Anwesend war auch der betagte ehemalige Münsterkantor Viktor Scholz aus Mönchengladbach, der als Orgelsachverständiger viele Jahre für das Bistum Aachen tätig war. „Die Metzler-Orgel war das letzte Werk, das ich noch mit konzipiert habe“ sagte er ein wenig wehmütig, aber auch stolz und begeistert vom großartigen Konzert.

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