Krefeld OB Meyer wegen Flüchtling in der Kritik

Krefeld · Die Ausländerbehörde will einen 17-jährigen Albaner abschieben. Der SKM bittet den Verwaltungschef um Hilfe.

Krefeld: OB Meyer wegen Flüchtling in der Kritik
Foto: Lammertz Thomas

Die Zeit läuft unerbittlich ab - für einen 17-jährigen Albaner, der in einer Krefelder Jugendhilfeeinrichtung untergebracht ist. Am Montag soll der junge Mann, der als "unbegleiteter minderjähriger Flüchtling" im August 2015 nach Deutschland kam, in sein Heimatland abgeschoben werden. Geregelt ist, dass die städtische Ausländerbehörde den Albaner morgens abholen und für den Transport zum Frankfurter Flughafen sorgen wird. Dort soll er eine Maschine nach Tirana besteigen. "Es ist aber nicht geregelt, wie es am Ankunftsort weitergeht", sagt Caroline Frank-Djabbarpour, Geschäftsführerin des SKM-Katholischer Verein für soziale Dienste. Genau hier sieht die 51-Jährige das Problem. "Es ist rechtlich nicht zulässig, ihn auf dem Flughafen einfach seinem Schicksal zu überlassen."

Für den SKM ist die Situation nicht neu. Eine Abschiebeliste mit mindestens sechs minderjährigen Flüchtlingen, die ohne Eltern oder Verwandte in Krefeld leben, liegt bei der Ausländerbehörde. Die Abschiebung eines 14-jährigen Albaners soll vor einigen Wochen durchgeführt worden sein. Ein 17-Jähriger aus Ghana, der ebenfalls auf der Liste steht, ist zwischenzeitlich aus seiner Unterkunft geflüchtet und untergetaucht. Sein Aufenthaltsort ist unbekannt. Schriftlich hat sich der SKM Anfang September an Oberbürgermeister Frank Meyer gewandt. Nach vier Wochen kam ein förmlicher Antwortbrief. "Er hat unser Anliegen verwaltungsintern weitergeleitet. Dann haben wir nichts mehr gehört", so die Geschäftsführerin. "Hilfe sieht anders aus."

 Oberbürgermeister Frank Meyer wurde am 1. September von Caroline Frank-Djabbarpour, Geschäftsführerin des SKM, wegen der Flüchtlingsproblematik angeschrieben. Der Verwaltungschef hat nur den Eingang des Schreibens bestätigt.

Oberbürgermeister Frank Meyer wurde am 1. September von Caroline Frank-Djabbarpour, Geschäftsführerin des SKM, wegen der Flüchtlingsproblematik angeschrieben. Der Verwaltungschef hat nur den Eingang des Schreibens bestätigt.

Foto: TL

In einer Stellungnahme teilte die Verwaltung gestern auf Anfrage mit, dass der Oberbürgermeister zur Situation der unbegleiteten minderjährigen Ausländer in Krefeld "am 26. Oktober persönlich ein Gespräch mit Vertretern der Arbeitsgemeinschaft Krefelder Wohlfahrtverbände geführt" hat. Dabei habe Meyer auch deutlich gemacht, "dass ihm die Lage dieser jungen Menschen und auch die Klärung von offenen Fragen in den behördlichen Verfahren wichtige Anliegen sind".

Vor mehr als einem Jahr ist der junge Albaner aus seiner Heimat geflüchtet. "Seine Familie wollte ihn zwingen, in eine Koran-Schule zu gehen. Das wollte er nicht", so Frank-Djabbarpour. Der Jugendliche machte sich auf den Weg nach Deutschland, landete in Krefeld - und zeigte Einsatz. Er lernte die deutsche Sprache, absolvierte erfolgreich berufliche Qualifizierungsmaßnahmen und bekam zum 1. August 2016 ein Ausbildungsplatzangebot im Elektrobereich. Doch diese Stelle konnte er nicht antreten. Die Ausländerbehörde verweigerte die nötige Arbeitserlaubnis.

Anfang September folgt der Hilferuf an den OB. Bisher ohne Erfolg. Stattdessen rückt der Abschiebungstermin näher. "In Tirana muss ihn ein Personensorgeberechtigter in Empfang nehmen oder sich eine geeignete Aufnahmeeinrichtung um ihn kümmern", erwartet die SKM-Geschäftsführerin. "Von der Ausländerbehörde haben wir hierzu keine ausreichende Antwort erhalten. Wir haben keine Zusicherung, dass etwa die Eltern ihn in Empfang nehmen. Es kann nicht sein, dass der Jugendliche sich dort allein überlassen bleibt."

Dass grundsätzlich Abschiebungen möglich sind, bezweifelt der SKM nicht. Offen ist jedoch der Ermessensspielraum. Der beginnt schon bei der Duldung der Flüchtlinge. "In Nachbarkommunen beträgt diese Zeitspanne mehrere Monate, wenn keine grundlegenden Veränderungen zu erwarten sind" , beschreibt Frank-Djabbarpour die Situation. In Krefeld wird diese Spanne "wegen fehlender Bleibeperspektiven" in der Regel auf wenige Wochen begrenzt.

Um die Abschiebung zumindest kurzzeitig zu verhindern, sieht der SKM zwei Möglichkeiten: "Der Oberbürgermeister kann diese Entscheidung seiner Verwaltung stoppen", ist die Geschäftsführerin überzeugt. Parallel will der Katholische Verein beim Familiengericht einen "Antrag auf Entzug der elterlichen Sorge im Heimatland" einreichen. Der Sozialdienst hofft nun, dass die Richter kurzfristig entscheiden.

Weitere Unterstützung bekommt der 17-jährige Albaner von der Krefelder Politik. Fassungslosigkeit über Parteigrenzen hinweg herrschte in der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses. "Hier scheinen in der Ausländerbehörde falsche Prioritäten gesetzt zu werden", so Ausschussvorsitzende und SPD-Landtagsabgeordnete Ina Spanier-Oppermann. "Es muss sehr rasch an den Oberbürgermeister herangetreten werden, dabei müssen wir unkonventionelle Wege gehen, um etwas zu erreichen." In einem gemeinsamen Appell wollen die Parteien Oberbürgermeister Meyer auffordern, sich für den 17-Jährigen einzusetzen.

Kopfschütteln erhielt der Verwaltungschef im Ausschuss dafür, dass der SKM seit mehr als acht Wochen auf seine Anfrage keine inhaltliche Antwort erhalten hat. "Dieses Verhalten ist unfassbar. So darf eine Verwaltung mit Menschen, die unter einem enormen Druck stehen, nicht umgehen", erklärt CDU-Ratsfrau Britta Oellers.

(RP)
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