Krefeld Nur jedes sechste Schulkind geht zur Vorsorgeuntersuchung

Krefeld · Kinderärzte und Krankenkassen sind alarmiert. Ab dem Grundschulalter sinkt die Zahl der Kinder, die die regelmäßigen Untersuchungen wahrnehmen. Gerade dann beginnen gesundheitliche Probleme.

 Dr. Herbert Steinhauer bestätigt den Trend: Nur bis zum Grundschulalter werden Kinder regelmäßig bei den Vorsorgeuntersuchungen vorgestellt. Der Arzt prüft nicht nur die körperliche Entwicklung der Kinder.

Dr. Herbert Steinhauer bestätigt den Trend: Nur bis zum Grundschulalter werden Kinder regelmäßig bei den Vorsorgeuntersuchungen vorgestellt. Der Arzt prüft nicht nur die körperliche Entwicklung der Kinder.

Foto: Thomas Lammertz

Die Zahlen sind deutlich: Sobald Kinder eingeschult werden, sinkt die Bereitschaft der Eltern, den Nachwuchs zu den vorgeschriebenen Vorsorgeuntersuchungen zu schicken. Eine Auswertung der Versichertendaten der KKH Kaufmännischen Krankenkasse zeigt: Lediglich 15 Prozent der Versicherten in der entsprechenden Altersgruppe beanspruchen die Untersuchungen U10 für Sieben- bis Achtjährige und J 1 (zwölf- bis 14-Jährige). Zur U11 (Neun- bis Zehnjährige) gehen 13 Prozent, und von den 16- bis 17-Jährigen nimmt nur noch ein Prozent die J2 wahr.

Den alarmierenden Trend bestätigen Krefelder Kinderärzte: "Das Engagement der Eltern lässt mit zunehmendem Alter der Kinder nach", sagt Dr. Herbert Steinhauer. Der Kinderarzt ist Gründungsmitglied der EAACI, der Europäischen Akademie der Allergologen und klinischen Immunologen. Er weiß, dass diese Vorsorgemüdigkeit gesundheitliche Folgen haben kann: Je länger Allergien unbehandelt laufen, desto schwieriger und langwieriger ist die Therapie. Und auch Übergewicht von Kindern zeigt meist erst nach dem Grundschulalter seine Folgen.

"Übergewicht begünstigt koronare Herzerkrankungen. Und dicke Kinder neigen zu Asthma. Dafür sind nicht nur Allergien und Umweltgifte die Ursache", sagt Steinhauer. "Deshalb sollten Kinder Sport treiben; Schulsport allein genügt nicht." Er hielte es für ein gutes Präventionsangebot der Krankenkassen, wenn sie die Mitgliedschaften in Sportvereinen übernehmen oder bezuschussen würden. "Mannschaftssport fördert auch die soziale und geistige Entwicklung", sagt der Kinderarzt.

Mit den Vorsorgeuntersuchungen U1 bis 11, J1 und J2 sollen frühzeitig Störungen der körperlichen, geistigen und sozialen Entwicklung erkannt und therapiert werden. Zehn Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und eine Jugendgesundheitsuntersuchung zählen zu den Pflichtleistungen der gesetzlichen Krankenkassen, manche zahlen auch alle. Die ersten werden direkt nach der Entbindung und zwischen dem 3. und 10. Lebenstag direkt in den Kliniken vorgenommen. Die Teilnahme an den Untersuchungen ist nicht verpflichtend. Aber bei den Untersuchungen haben die Kinderärzte auch ein Auge darauf, ob die Kinder vernachlässigt werden, ob es Anzeichen für Gewalt und sexuellen Missbrauch gibt. Deshalb melden sie dem Jugendamt, welche Kinder sie untersucht haben. Die Säumigen werden vom Amt gemahnt. Wer dann innerhalb einer Frist von vier Wochen keinen Arztbesuch absolviert, kann Besuch vom Jugendamt bekommen.

"Es ist besonders bedauerlich, dass so wenige zwölf- bis 14-Jährige zur Vorsorge kommen, die besonders wichtig ist", sagt Steinhauer: "Da geht es um die Impfung der Mädchen gegen Gebärmutterhalskrebs. Und in dem Alter beginnen oft Drogen eine Rolle zu spielen. Da ist Aufklärung ganz wichtig."

(RP)
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