Der Tag nach der Bundestagswahl Fünf für Krefeld in Berlin
Krefeld · Die Bundestagswahl hat für Krefeld jenseits aller anderen Überlegungen ein Gutes gebracht: Die Stadt hat nun fünf Abgeordnete, die die Belange der Stadt vertreten können. Ansonsten ist diese Wahl ungewöhnlich reich an Verlierern.
Krefelds Gewicht in Berlin ist gewachsen. Mandate für den Bundestag haben nicht nur erwartungsgemäß Otto Fricke (FDP), Ulle Schauws (Grüne) und Ansgar Heveling (CDU) bekommen, sondern neben dem Sieger von Wahlkreis 114, Jan Dieren (SPD), auch die Verliererin Kerstin Radomksi (CDU). Um sechs Uhr am Montag früh kam die für sie erlösende Nachricht: Ihr Listenplatz zieht.
Bedeutung für Krefeld
So sehr es richtig ist, dass Bundestagsabgeordnete tunlichst keine Sprengelpolitik machen, sondern Deutschland im Blick haben sollten, so sehr kann es hilfreich sein, Abgeordnete in Berlin zu haben, die die Belange einer Stadt im Auge haben. Fördergeld, Denkmalmittel – es gibt viele Gelegenheiten, bei denen die Abgeordneten Krefelder Projekte befördern können.
Die Wahl der vielen Verlierer
Zugleich ist dies die Wahl der vielen Verlierer. Viele Ergebnisse sind janusköpfig, so richtig freuen kann sich kaum einer. Die Klimaaktivisten Björna Althoff, parteilose Ratsfrau der Grünen und Sprecherin von Fridays for Future Krefeld, hat sich in einer ausdrücklich persönlichen Erklärung (die sie also nicht im Namen der Grünen-Fraktion oder für FFF gegeben hat) tief enttäuscht gezeigt – als Bürgerin und einfache Wählerin, wie sie betont.
Die SPD: aus dem tiefen Tal
Die einzige Krefelder Partei, die sich nahezu uneingeschränkt freuen kann, ist die SPD: Sie hat einen Wahlkreis zurückgeholt, im Vergleich zu 2017 vier Punkte zugelegt und in Krefeld mit 28,4 Prozent der Zweitstimmen besser abgeschnitten als die Bundes-SPD mit 25,7 Prozent; zudem haben die Sozialdemokraten im Ganzen das tiefe Tal der Depression verlassen und könnten sogar den Kanzler stellen.
Die CDU: bitterer Tag
Für die CDU war es ein bitterer Tag, auch in Krefeld – und dies, obwohl die Krefelder CDU sich zugute halten kann, dass sie nach Zweitstimmen (27,33 Prozent) besser abgeschnitten hat als die Gesamt-Union (24,1). Ein weiteres Plus: Die CDU-Kandidatin Radomski hätte in ihrem Stammgebiet Krefeld die Direktwahl gewonnen; sie lag in Krefeld mit 18.553 Stimmen vor dem SPD-Mann Jan Dieren (16.505 Stimmen) – Radomski hat die Wahl in Moers und Neukirchen-Vluyn verloren, dem Kerngebiet von Dieren. Einmal mehr rückt in den Fokus, wie sehr der Zuschnitt der Wahlkreise 110 und 114 die politische Landkarte verändert hat.
Dennoch gehört die CDU zu den klaren Verlieren. „Dass wir in Krefeld mit einem Verlust von 6,7 Prozent etwas günstiger abschneiden konnten als bundesweit, ist nur ein schwacher Trost“, erklärte Krefelds CDU-Parteichef Marc Blondin am Montag auf Anfrage und sagt unumwunden: „Der 26. September 2021 war kein guter Tag für die CDU Deutschlands.“
Auch im Wahlkreis 110, der einmal mehr sicher von Ansgar Heveling für die CDU geholt wurde, ist nicht alles Gold, was glänzt. Heveling hat im Vergleich zu 2017 immerhin 13.790 Stimmen verloren (von 65.228). Was der CDU Sorgen machen muss: Er hat auch in dem als CDU-Stammland geltenden Kommunen Jüchen, Korschenbroich, Meerbusch und Kaarst verloren. Die Verluste in Krefeld (von 19.266 auf 13.858 Stimmen) sind noch am ehsten plausibel, da Krefeld in West, Süd, Fischeln, Oppum-Linn und Uerdingen traditionell SPD-lastig wählt. Aber Heveling und die CDU haben eben auch in ihrem Kerngebiet Federn lassen müssen.
Die Grünen: seltsame Gewinner
Die vielleicht seltsamsten Gewinner sind die Grünen. Sie haben in Krefeld das beste Bundestagsergebnis eingeholt, liegen zudem mit 15,27 Prozent über dem Bundes-Wert der Grünen (14,8). Dennoch erscheinen die Grünen auch als Gestutzte – gemessen an den Erwartungen bis hin zum Traum von der grünen Kanzlerin.
Frust von Klimaschützern
Klimaschützer sehen im Gesamtergebnis eine Niederlage für den Klimaschutz und sind frustriert, wie die persönliche Erklärung von Björna Althoff zeigt. „Für mich persönlich ist das Wahlergebnis ein Schlag ins Gesicht und eine Verschärfung des Generationenkonfliktes“, erklärt sie. „Dass die Klimakrise real ist und effektivstes Handeln aller Regierungen weltweit erfordert, ist glasklar. Schon die vorliegenden Wahlprogramme der großen Parteien waren unzulänglich bezüglich dieser Herausforderung. Aber dass sogar nach Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung von mindestens 71 Prozent der Wähler Parteien (CDU/CSU, SPD, FDP und AfD) gewählt wurden, die für diese Herausforderung viel zu wenig adäquate Inhalte liefern, ist unglaublich.“ Die Stimmen für diese Parteien seien vor allem durch ältere, demografisch stark vertretene Wählerinnen und Wähler zusammengekommen. „Diese demografische Gruppe ist gleichzeitig dafür verantwortlich, innerhalb der letzten Jahrzehnte zu wenig Klimaschutz vorangebracht und zu viele Emissionen verursacht zu haben.“ Sie, Althoff, hätte erwartet, dass diese Generation nun auch „meinen kleinen Kindern verantwortungsvoll gegenüber an die Wahlurne geht, um ein Team zu wählen, das den selbst verursachten Scherbenhaufen am effektivsten für die nächsten Generationen aufräumen kann“. Das wäre auch ein wichtiges außenpolitisches Signal gewesen. Faktisch habe diese Generation das nicht getan. „Es bleibt zu hoffen“, so schließt sie, „dass die Grünen in Regierungsverantwortung, zusammen mit weiteren Gerichtsurteilen, die den gedankenlosen Emissions-Spielraum ihrer Koalitionspartner einschränken, das Beste zum Aufräumen herausholen. Selbstverständlich muss die neue Koalition ein Klimaschutz-Handlungsprogramm vorlegen, das sich gewaschen hat.“