Kr Wie Krefeld Noch 'n' Koordinator

Krefeld · Die Notwendigkeit, Flüchtlinge unterzubringen, treibt in Sprache und politischer Debatte seltsame Blüten; und vielleicht ist es an der Zeit, ein paar Haare zu spalten.

Der Stadtsportbund schreibt in einer Pressemitteilung, es sei eine "Hiobsbotschaft" für Krefeld, dass die Stadt weitere 300 Flüchtlinge aufnehmen soll. Hiob hat bitter gelitten, ist fast an Gott verzweifelt - kann man das mit den Beeinträchtigungen im städtischen Leben vergleichen, die die Aufnahme von Flüchtlingen mit sich bringt? Nein. In Zeiten, in denen Neonazis mit widerwärtigen Parolen zündeln, gilt es, seine Worte zu wägen. Die Beeinträchtigungen, die die Aufnahme von Flüchtlingen mit sich bringt, sollen nicht geringgeschätzt werden, aber die wahren Hiobsbotschaften stecken doch woanders: in den Geschichten der Flüchtlinge, in schier auswegloser Armut, in Krieg und unfassbarer Grausamkeit.

Auch Politiker sollten in diesen Zeiten zurückhaltend sein mit einer Schärfe, die im Lager der Gutwilligen keiner braucht. Schönes Beispiel: die Debatte im Verwaltungsausschuss über die Einrichtung einer Koordinatorenstelle für die Flüchtlingsarbeit. Die Mehrheit im Verwaltungsausschuss hatte beschlossen, eine solche Stelle zu schaffen - das Ganze war verbunden mit harscher Kritik an der Verwaltung. Die Art, wie SPD-Ratsherr Rüsing dabei Stadtdirektorin Zielke angegangen ist, muss man als Entgleisung werten. Und als Entlastungsangriff. Die Nerven bei den Sozialdemokraten liegen offenbar blank, weil die SPD-geführte Landesregierung im bundesweiten Vergleich beim Flüchtlingsthema schwach abschneidet. Krefeld bleibt auf 30 bis 50 Prozent der Kosten sitzen. Es ist ja richtig, wenn Landespolitiker ihrerseits mit dem Finger auf den Bund zeigen: Er müsste für alle Kosten geradestehen, denn Flüchtlingspolitik ist Bundessache. NRW ist damit aber keineswegs aus dem Schneider. Bayern schafft es ja auch, ihren Kommunen die Kosten voll zu ersetzen.

So sollten die Krefelder Sozialdemokraten ihre Energie lieber darauf verwenden, bei den Genossen in Düsseldorf und Berlin auf mehr Geld zu drängen, anstatt Verwaltungsleute zu schmähen, die es am Ende irgendwie richten müssen. Und man kann es nicht oft genug sagen: Auch die Krefelder Bundespolitiker Ansgar Heveling, Kerstin Radomski (beide CDU) und Siegmund Ehrmann (SPD) müssen erklären, ob sie in der Berliner Regierung auf Lastenausgleich für die Kommunen drängen.

Was den Koordinator angeht, so ist Skepsis an dem gutgemeinten Beschluss angebracht. Flüchtlinge brauchen zuallererst keine Koordinatoren, sondern Ärzte, Sozialarbeiter, Lehrer. Und es gibt bereits Koordinatoren für Bürger, die helfen wollen: DRK und Caritas sind da sehr organisationserfahren und zudem darauf gedrillt, mit wenig Geld viel zu erreichen - braucht man also für diese Koordinatoren noch einen Oberkoordinator? Und welches Informationsdefizit soll so ein Koordinator ausmerzen? Fernsehen, Radio und Zeitungen sind voll von Informationen. Was gibt es noch zu wissen, was nicht alle wüssten, die es wissen wollen? Und Volksverhetzer erreicht man nicht mit Koordinatoren und Informationen, sondern mit der Härte des Gesetzes.

(RP)
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