Krefeld-Fischeln Neuer jüdischer Friedhof vor Eröffnung

Krefeld · Die jüdische Gemeinde hat rund 6000 Quadratmeter Grund auf dem Fischelner Friedhof erworben. Geplant ist der Bau einer Trauerhalle. Jüdische Begräbnisrituale sind betont schlicht.

 Michael Gilad (l.) und Eldad Horwitz von der jüdischen Gemeinde am Rande des künftigen neuen jüdischen Gräberfeldes auf dem Friedhof in Fischeln.

Michael Gilad (l.) und Eldad Horwitz von der jüdischen Gemeinde am Rande des künftigen neuen jüdischen Gräberfeldes auf dem Friedhof in Fischeln.

Foto: Jens Voss

Erstmals seit knapp 150 Jahren wird in Krefeld wieder ein jüdischer Friedhof eröffnet. Die jüdische Gemeinde hat auf dem Friedhof in Fischeln 6000 Quadratmeter Land erworben und wird dort ein jüdisches Begräbnisfeld mit Trauerhalle errichten. „Der jüdische Friedhof auf dem Zentralfriedhof an der Gladbacher Straße ist fast komplett belegt“, sagt Michael Gilad, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde. Der neue Bereich in Fischeln wird mit niedrigen Hecken gekennzeichnet. Wann der Bau der Trauerhalle beginnt, ist noch nicht klar.

Der jüdische Friedhofsbezirk auf dem Hauptfriedhof wurde Ende des 19. Jahrhunderts eingerichtet; dort liegen Persönlichkeiten wie Isidor Hirschfelder begraben, jener Arzt, der in Krefeld die erste Mütterberatungsstelle und 1914 das erste Säuglingsheim des Frauenvereins gründete, bis er 1941 Selbstmord beging, um der Deportation durch die Nazis zu entgehen.

Die Geschichte der jüdischen Friedhöfe in Krefeld ist wie die allen jüdischen Lebens in der Stadt geprägt von den brutalen Einschnitten in der Nazi-Zeit. Der ältere jüdische Friedhof in Krefeld liegt an der Heideckstraße. Im Jahr 1723 angelegt, wurde er von 1758 bis 1938 belegt. Während der NS-Zeit sind mindestens 190 Grabsteine beschädigt worden, 560 Grabsteine sind hier erhalten, der älteste datiert aus dem Jahr 1770.

In Hüls gab es zwei jüdische Friedhöfe; einer an der Klever Straße wurde 1938 eingeebnet, der andere an der Straße Am Strathhof ist erhalten und birgt heute auch Reste jüdischer Grabsteine, die im Hülser Bruch als Bauschutt wiederentdeckt worden waren.

In Linn ist der Friedhof am Kreuzweg erhalten; er wurde von 1751 bis 1936 belegt. Hier wurden auch die Juden aus Uerdingen, Meerbusch-Osterath, Bockum und Hohenbudberg beerdigt. 64 Grabsteine aus der Zeit von 1792 bis 1936 sind erhalten.

Nicht erhalten ist der jüdische Friedhof von Uerdingen. Er bestand seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und wurde bis 1942 belegt. In jenem Jahr wurde die Fläche von der IG Farben (später: Bayer AG) erworben, abgeräumt und überbaut. Die Toten sind seinerzeit umgebettet worden. Nichts erinnert heute an die Existenz des Friedhofs.

Verkauf und Umbettung der Toten kamen auf Vermittlung des in Krefeld angesehenen jüdischen Anwalts Hugo Kaufmann zustande. Daran, dass die Veräußerung des Friedhofs für 3000 Mark unter Zwang vonstatten ging, gibt es keine Zweifel. Kaufmann wurde im Jahr des Verkaufs 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er an den Strapazen von Haft und Zwangsarbeit starb; seine Frau wurde in Auschwitz vergast.

Für Gilad ist die Uerdingen-Geschichte mit einer Enttäuschung verbunden. Er hatte sich an den Chempark gewendet und um Unterstützung für den Bau der Trauerhalle geworben, auch als späte Wiedergutmachung für die Übernahme des Friedhofs 1942. Bayer hatte 1953 als Rechtsnachfolger der IG Farben (der Name ist im Zusammenhang mit Zyklon B zur Vergasung von Juden in die Geschichte eingegangen) nach dem Krieg eine Wiedergutmachung von 3000 Mark an die jüdische Gemeinschaft gezahlt. Doch der Chempark lehnte nach einer Reihe von Gesprächen ab, und zwar mit dem Hinweis auf Unternehmensstatuten, wonach man einzelne Religionen oder Parteien grundsätzlich nicht unterstütze. Der zuständige Gesprächspartner beim Chempark, Mario Bernards, sagte zugleich zu, sich gegenüber Oberbürgermeister Frank Meyer und innerhalb der Bürgergemeinschaft dafür einzusetzen, die jüdische Gemeinde zu unterstützen. Völlig unabhängig von allen Geldfragen ist es für Eldad Horwitz, Vize-Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, nicht nachvollziehbar, dass bis heute nicht wenigstens eine Plakette oder ein Gedenkstein vor Ort an den jüdischen Friedhof zu Uerdingen erinnert.

Die Auflösung eines jüdischen Friedhofs ist in jüdischer Perspektive ein Sakrileg: Friedhöfe sind für die Ewigkeit konzipiert und werden als Ort der Auferstehung verstanden. Jüdische Beerdigungsriten sind schlicht; die Gräber sind nach Osten, nach Jerusalem, ausgerichtet. Eigentlich werden die Leichname wie im Islam nur in Tüchern beerdigt; in Deutschland sind aber Särge üblich. „Jeder bekommt den gleichen schlichten Holzsarg“, berichtet Horwitz.

Der größte jüdische Friedhof befindet sich auf dem Ölberg bei Jerusalem; der Platz ist begehrt, weil die Toten in jüdischem Glauben nach der Auferstehung sofort Jerusalem sehen. Auf dem Zionsberg von Jerusalem liegt Oskar Schindler begraben, dem mit dem Film „Schindlers Liste“ von Steven Spielberg ein Denkmal gesetzt wurde. Juden ehren Schindler bis heute, indem sie einen Stein auf seinem Grabstein niederlegen. „Das Grab ist teils vor Steinen nicht mehr zu sehen“, berichtet Gilad und erzählt, dass diese Sitte zunehmend auch im christlichen Raum übernommen wird. In Dortmund habe er auf einem christlichen Friedhof kleine Steine auf Grabsteinen liegen sehen. Der Stein ist ein Zeichen unverbrüchlicher Erinnerung; „Blumen vergehen“, so Gilad, „Steine nicht“.

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