Krefeld Neuer Blick auf die Industrie-Kultur
Krefeld · Erstmals wird in einem beeindruckenden Band Industrie-Kultur in Krefeld und am Niederrhein fachlich breit und umfassend aufgearbeitet. Auf mehr als 400 Seiten widmen sich 21 Autoren der heimischen Industrielandschaft.
Unternehmer wie Hermann Lange und Josef Esters haben ihr ökonomisches Engagement immer auch mit dem Streben nach architektonischer Qualität verbunden. Das gilt für ihre von Ludwig Mies van der Rohe entworfenen Privatvillen an der Wilhelmshofallee ebenso wie für das Verseidag-Gelände an der Girmesgath, wo das weltweit einzige Industriegebäude desselben Architekten entstanden ist. Dem industriekulturellen Erbe dieser Art und dessen Erhaltung ist das Buch "Industriekultur - Krefeld und der Niederrhein" gewidmet. Es ist im Themenzuschnitt und in der fachlicher Tiefe einzigartig; gestern wurde es im Krefelder Stadtarchiv vorgestellt.
Die Publikation ist laut Archiv-Leiter und Mitautor Olaf Richter ("Landschaften der Proto-Industrialisierung") eine Premiere für den Bereich des mittleren Niederrheins. Ziel des 400 Seiten umfassenden, reich bebilderte Werks ist es, die Industrielandschaft und ihre Geschichte stärker ins Bewusstsein zu rücken, um so die Industriekultur zu stützen und zu stärken, erläutert Herausgeber, Denkmalpfleger und Mitautor Walter Buschmann. Das Buch richtet sich nicht nur an die Fachöffentlichkeit - Stadt-, Kunst-, und Wirtschaftshistoriker, Architekten und Geografen -, sondern ist auch für jeden heimatgeschichtlich Interessierten lesenswert.
Im Vordergrund des in fünf Kapitel unterteilten Buchs steht die Textilindustrie. "Ausgehend von einer auf Schafzucht und Flachsanbau gegründeten ländlichen Verankerung des Spinnens und Webens, entwickelte sich in Krefeld eine rege Seiden- und in Viersen/Mönchengladbach eine ebenso erfolgreiche Baumwollindustrie", heißt es im Vorwort. Zu den acht Beiträgen in diesem Kapitel gehören Aufsätze über die Entstehungsgeschichte der Verseidag-Gebäude ebenso wie über die Paramentenweberei Gotzes, über das Denkmal Alte Samtweberei als Impuls für das Zusammenleben in diesem Viertel und über die Textilindustriekultur in den oben genannten Nachbarstädten. "Ich bin erstaunt, aber auch froh, dass es Felder gibt, die noch nicht abgesteckt sind, sagt Christoph Dautermann, stellvertretender Leiter des Museums Burg Linn. Er hat sich des Themas "Häuser der Verleger und Weber im Krefelder Stadtbild" angenommen und räumt in seinem Beitrag - mit zahlreichen Beispielen auch optisch untermauert - mit der "Legende vom Krefelder Weberhaus" auf. Im Kapitel "Montanindustrie" befassen sich drei Beiträge mit der Eisen- und Stahlprdoduktion in Krefeld, den Stahlwerken Becker in Willich und dem Steinkohlenrevier am linken Niederrhein. Im Kapitel "Chemie" werden der Standort Uerdingen und das dortige "Casino der Bayer-Werke" beleuchtet. Mühlen im Rheinland und "der deutsche Niederrhein als einer der europäischen Hauptproduktionsstandorte von Margarine und Pflanzenölen" (W. Buschmann) sind die beiden Themen im Kapitel "Lebensmittel". Schließlich befassen sich fünf Beiträge im Kapital "Verkehr" mit der Rheinschifffahrt, Kanalbauprojekten und der Eisenbahn.
Walter Buschmann lobt bezüglich des Buchs die gute "Überlieferungsqualität" nicht nur der Architektur, sondern auch der schriftlichen Quellen und Pläne, während Mitautorin Stefanie van de Kerkhof ("Wie Textilindustrie, Maschinenbau und Chemieindustrie die linksrheinische Wirtschaftsregion formten") die interdisziplinäre Kooperation verschiedener Wissenschaftsbereiche hervorhebt.
Das im Essener Klartext-Verlag erschienene Buch "Industrie-Kultur - Krefeld und der Niederrhein" mit Beiträgen von 21 Autoren ist der dritte Band, der seit 2010 aus einer Veranstaltungsreihe der RTHW-Universität Aachen mit wechselnden Partnern in unterschiedlichen Regionen hervorgegangen ist. Erschienen ist das vom Land NRW finanzierte Werk in einer Auflage von 800 Exemplaren und für 39,95 Euro im Buchhandel erhältlich.