Krefeld Neue TBC-Vorsorge bei Obdachlosen

Krefeld · Nach einer Ansteckungswelle im vergangenen Jahr sollen die Regeln für die Untersuchung Obdachloser geändert werden. Bislang gab es keine generelle Vorbeuge-Diagnostik; untersucht wurde nur bei konkretem Krankheitsverdacht.

 Blick in einen Schlafraum in der Obdachlosenunterkunft der Diakonie an der Lutherstraße.

Blick in einen Schlafraum in der Obdachlosenunterkunft der Diakonie an der Lutherstraße.

Foto: Thomas lammertz.

Die Welle von zehn TBC-Fällen unter Obdachlosen aus dem vergangenen Jahr hat Konsequenzen: Stadt und Diakonie als Betreiber der Obdachlosenschlafstelle an der Lutherstraße streben eine Verschärfung bei der Praxis der Vorsorge-Untersuchungen unter den Obdachlosen an. Das Thema wird die Politik beschäftigen: CDU und SPD haben in einem gemeinsamen Antrag für die Sitzung des Gesundheitsausschusses am 28. Januar die Stadt aufgefordert, einen Bericht über die Entwicklung der Tuberkulose-Erkrankungen in Krefeld zu geben.

Generell bewegt sich die Gesamtzahl der TBC-Erkrankungen des vergangenen Jahres im Rahmen des Üblichen. Mit den zehn Infektionen zählte die Stadt 2015 bislang 37 Neuerkrankungen von TBC. In den Vorjahren schwankten die Zahlen in Krefeld zwischen 20 und 30 Fällen. Gesetzlich ist die Stadt nicht verpflichtet, von sich aus Obdachlose auf TBC zu untersuchen. Das Infektionsschutzgesetz sieht die Verantwortung bei den Obdachlosen: Wenn sie länger als drei Tage eine Schlafstelle besuchen, müssen sie demnach eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, wonach sie TBC-frei sind. Streng genommen müsste eine Unterkunft ihnen ohne diese Bescheinigung den Zutritt verweigern. Diese Bescheinigungen sind in der Diakonie-Schlafstelle allerdings bislang nicht eingefordert worden, berichtet Ludger Firneburg, stellvertretender Geschäftsführer der Diakonie. "Grund dafür sind die Erfahrungen aus vielen Jahren, in denen TBC kein Thema war. Wir haben immer nur dann reagiert und eine Untersuchung bewirkt, wenn wir konkrete Anzeichen für eine Erkrankung gesehen haben" - Anzeichen wie Husten, Fieber und Erschöpfung.

 Ludger Firneburg, stellvertretender Geschäftsführer der Diakonie Krefeld-Viersen, am Tor der Obdachlosenunterkunft an der Lutherstraße.

Ludger Firneburg, stellvertretender Geschäftsführer der Diakonie Krefeld-Viersen, am Tor der Obdachlosenunterkunft an der Lutherstraße.

Foto: T.L.

Dieses System hat insofern funktioniert, als so die zehn Fälle aus dem vergangenen Jahr diagnostiziert worden sind. Nach der Entdeckung einer TBC-Infektion bei einem Obdachlosen hat das Gesundheitsamt - wie gesetzlich vorgesehen - das Umfeld des Infizierten ausgelotet und rund 70 Personen auf TBC hin untersucht. Dabei sind die anderen neun Erkrankten ermittelt worden - auch sie Obdachlose, berichtet Gesundheitsamtsleiterin Agnes Court auf Anfrage.

Dennoch: Das Vorsorgesystem hat insofern nicht funktioniert, als die Schlafstelle an der Lutherstraße mit hoher Wahrscheinlichkeit als Ansteckungsort gelten muss. Alle Infizierten hatten den gleichen Erregertyp mit einer Resistenz gegen ein bestimmtes Antibiotikum, erläutert Court. Die Ansteckung mit TBC sei nicht so leicht - man müsse schon sechs bis acht Stunden in geschlossenen Räumen beieinander sein, um sich zu infizieren - Voraussetzungen, die in der Schlafstelle gegeben sind. Court betonte auch, dass die Einhaltung der gesetzlichen Regel, wonach Obdachlose nach der Drei-Tages-Frist eine ärztliche Bescheinigung vorlegen müssen, der Diakonie als Betreiber der Schlafstelle obliegt.

Die Diakonie möchte dieses Problem mit der Stadt lösen. Nach der Ansteckungswelle gab es seit Oktober 2015 Gespräche zwischen Diakonie, Sozial- und Gesundheitsamt über die Frage, wie eine solche Ansteckungswelle künftig verhindert werden könne. Diakonie-Sprecher Firneberg sagt, er strebe nun ein systematisches Verfahren und verbindliche Verabredungen mit der Stadt an. Details ließ er offen; er verwies auf die Stadt als Partner, mit der man einvernehmlich ein praktikables Verfahren finden wolle.

Ziel kann es eigentlich nur sein, die Drei-Tage-Regel einzuhalten. Es ist lebenspraktisch eben schwer vorstellbar, die Verantwortung für die ärztliche Untersuchung samt Vorlage einer Bescheinigung allein bei den Obdachlosen zu lassen, auch wenn das gesetzlich so vorgesehen ist. Der zuständige Dezernent Thomas Visser deutet die Lösung an: "Wir werden Obdachlosen gegenüber darauf drängen, zum Arzt zu gehen, wenn sie länger als drei Tage die Schlafstelle aufsuchen", sagte er auf Anfrage.

Andere Städte sind da sehr konsequent: In Düsseldorf etwa wird jeder Obdachlose, der neu in einer Schlafstelle auftaucht, erst einmal vom Gesundheitsamt untersucht. In Krefeld könne das so nicht geleistet werden, betont Visser, dazu habe das Krefelder Gesundheitsamt nicht die Ressourcen; man sei also auf Untersuchungen durch niedergelassene Ärzte angewiesen.

(RP)
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