Krefeld Neu im OP: Neuromonitoring

Krefeld · Ein neues Gerät erleichtert den Chirurgen im Alexianer Krankenhaus Schilddrüsen-Operationen. Es misst Nervenimpulse – die Operationen werden sicherer. Wir durften bei einem Eingriff zusehen.

 Der OP-Saal: Links im Bild sieht man das blaue Neuromonitoring-Gerät; der Medizintechniker daneben gibt den Operateuren Hinweise, ob Nerven in Gefahr sind. Rechts davon steht die Anästhesie-Einheit.

Der OP-Saal: Links im Bild sieht man das blaue Neuromonitoring-Gerät; der Medizintechniker daneben gibt den Operateuren Hinweise, ob Nerven in Gefahr sind. Rechts davon steht die Anästhesie-Einheit.

Foto: Thomas Lammertz

Ein neues Gerät erleichtert den Chirurgen im Alexianer Krankenhaus Schilddrüsen-Operationen. Es misst Nervenimpulse — die Operationen werden sicherer. Wir durften bei einem Eingriff zusehen.

 Das Operationsfeld: Man erkennt die Schnittfläche am Hals. Der Kopf im linken Bereich ist verdeckt.

Das Operationsfeld: Man erkennt die Schnittfläche am Hals. Der Kopf im linken Bereich ist verdeckt.

Foto: T.L.

Es ist ein kleiner Schnitt direkt unterhalb des Kehlkopfes: Zuerst wird das Unterhaut-Fettgewebe zur Seite geschoben, bis der Operateur des Krefelder Alexianer-Krankenhauses, Dr. Adam Gorzawski, sich langsam mit dem Skalpell zum erkrankten Organ vorarbeitet.

Sein Patient ist stattlich gebaut, wiegt rund 190 Kilo, ist 44 Jahre alt und hat eine Erkrankung, die für Mediziner mittlerweile ein Tagesgeschäft ist: eine Vergrößerung in der Schilddrüse, auch Struma genannt. Einen sieben Zentimeter langen Schnitt setzt der Arzt. Dann beginnt die eigentliche Arbeit.

Sensible Nervenlage

Chirurg Gorzawski bindet das Blutgefäß unmittelbar zum linken Lappen der Schilddrüse ab. Sein Patient hat veränderte Zellen im linken Schilddrüsenlappen. Daher muss er den Gefäßabschnitt, der den erkrankten Teil der Schilddrüse versorgt, mit Hochfrequenzstrom veröden. Dabei tritt Qualm aus der Wunde. Das Gefäß, das verödet wurde, ist eine Verlängerung der Hauptschlagader. Jetzt ist besondere Konzentration gefragt. Gorzawski und sein Co-Operateur Dr. Lutz Goldermann müssen nun besonders auf die umliegenden Strukturen im Hals achten. Auf engstem Raum befinden sich die Luftröhre und die Nebenschilddrüsen, die lebenswichtig für den Calcium-Stoffwechsel sind. Außerdem liegen hier wichtige Nerven, die den Stimmbandmuskel versorgen. Gerade wegen dieser sensiblen Lage fürchten sich Viele vor der Schilddrüsen-OP. Ihre Angst: Nerven könnten verletzt werden. Bei Beschädigung dieser Nerven auf beiden Seiten verengen die Stimmbänder die Luftröhre so dramatisch, dass ein Luftröhrenschnitt nötig ist.

Solche Vorfälle seien in den vergangenen Jahren kontinuierlich verringert worden, sagt der Alexianer-Chefarzt der Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurgie Dr. Bernhard Mallmann. Dies liege nicht zuletzt an einer neuen Anschaffung seiner Klinik: Ein sogenanntes Neuromonitoring zeichnet Nervenimpulse vor und nach dem Herausschneiden des betroffenen Areals der Schilddrüse auf. Dieses Elektromyogramm ermöglicht eine Dokumentation, die auf eine Beschädigung (Läsion) des Nervens schließen lässt. "Wenn wir schon beim linken Nerv eine verminderte Antwort erhalten, meiden wir den rechten Nerv. Somit besteht kein Risiko einer Luftröhrenverengung", erklärt Mallmann. Im Alexianer tritt nur noch bei einem Prozent aller OPs diese Komplikation auf.

Inzwischen hat Operateur Gorzawski das erkrankte Organteil weiter vom umliegenden Gewebe getrennt. Die Schwester reicht punktgenau Klemmen an — alle Handgriffe wirken wie einstudiert. Durch das Veröden der Gefäße tritt kaum Blut aus — ein Sauger ist bisher nicht benötigt worden. Der erkrankte linke Lappen ist etwa vier Zentimeter groß — er muss abgetrennt werden, weil er ein sogenannter "kalter Knoten" ist. Dies ist eine Veränderung der Schilddrüsenzellen-Aktivität. "Kalter Knoten" wird die Veränderung deshalb genannt, weil bei der radioaktiven Darstellung des Organs, einer "Szintigraphie", die Zellen schwach radioaktiv markiertes Jod nicht mehr speichern. Solche Veränderungen sind häufig bösartig oder können bösartig werden. "Die Gewebeprobe wird heute noch an die Pathologie geschickt. Das Ergebnis haben wir heute Abend", erklärt Dr. Mallmann.

Dass der Schnitt den Gorzawski zu Anfang der OP mit dem Skalpell gemacht hat, sieben Zentimeter groß ist, ist ungewöhnlich. "Normalerweise sind die Schnitte kleiner, weil wir oft Frauen als Patienten haben", sagt Mallmann. Vor allem die enge Schnittführung erfordere großes Geschick: "Wer eine Schilddrüse und einen Leistenbruch sauber operieren kann, der kann auch alles Andere."

Der Patient, dessen Wunde währenddessen mit einem selbst resorbierenden Faden zugenäht wurde, muss nach dem Ausleiten der Narkose noch fünf Stunden im Aufwachraum liegen. Nach zwei Tagen darf er nach Hause gehen. Nach 90 Tagen löst sich der Faden von selbst auf.

(RP)
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