Krefeld Nächster Finanzskandal: Stadt verschlampt Gewerbesteuer

Krefeld · Eine verwaltungsinterne Prüfung im Fachbereich Finanzservice und Liegenschaften (FB 21) hat ergeben, dass zahlreiche Gewerbesteuer-Bescheide an Krefelder Firmen in den vergangenen Monaten und Jahren nicht versendet wurden.

 Oberbürgermeister Gregor Kathstede.

Oberbürgermeister Gregor Kathstede.

Foto: Seybert

In den Räumen der Abteilung seien Berge von unbearbeiteten Akten in Umzugskartons und Schränken gefunden, sagte Oberbürgermeister Gregor Kathstede. Die Mitarbeiter dort konnten offenbar das hohe Arbeitspensum nicht bewältigen.

Kathstede sprach erzürnt von "beträchtlichen Arbeitsrückständen." Es sei "eine riesengroße Sauerei, was in der Abteilung in den letzten Monaten und Jahren geschehen ist."

Überraschend nahm er auch seinen ehemaligen Kämmerer Manfred Abrahams in die Pflicht: "Ich sage nur so viel: Verantwortlich ist der Geschäftsbereich 2."

Kathstede stellte das Problem gestern so dar, als hätten die städtischen Mitarbeiter jahrelang die Arbeit, die sich auf den Schreibtischen türmte, nicht bewerkstelligen können, diesen Missstand aber nie an die nächsthöhere Ebene weitergegeben.

"Ich erwarte, dass bei Arbeitsrückständen der nächste Vorgesetzte unmittelbar informiert wird." Fachbereichsleiter war der vor einer Woche versetzte Michael Ahlers. Doch auch der war offenbar akut überlastet. Kathstede selbst gab zu, er habe Ahlers "auch aus Fürsorgegründen" versetzt.

Wie hoch der finanzielle Verlust ist, sei jetzt nicht absehbar, sagte Gregor Kathstede: "Wir wissen jetzt noch nicht, ob es nur offene Forderungen gegen Firmen oder Verluste sind."

Fest steht: Die Aktenberge müssen jetzt schnell bearbeitet werden. Der Rathauschef räumte vor der Presse ein: "Es drohen Verjährungsfristen." Steuerbescheide verfallen gewöhnlich nach vier oder fünf Jahren. Vereinzelt sollen aber sogar Akten aus dem Jahr 1997 gefunden worden sein, laut Kathstede "auch Dinge steuerrechtlich brisanter Natur."

So manche Krefelder Firma werde sich jetzt über die neuen Forderungen wundern. "Wir müssen da mit Widerständen rechnen."

Der Oberbürgermeister teilte die Nachricht vom neuen Finanzskandal gestern in einer Pressekonferenz im Rathaus mit.

Am Dienstagabend, während eines Treffens von 200 deutschen Oberbürgermeistern und Bürgermeistern in Heidelberg, war er vom neuen Fachbereichsleiter Finanzservice, Peter Mertens, informiert worden, und reiste sofort nach Krefeld.

Ins Rollen gekommen war die Finanzaffäre durch die Fehlbuchung von 800 000 Euro an das kurze Zeit später insolvente Unternehmen J & A Plastics im Juli 2008, über die unsere Zeitung exklusiv berichtet hatte.

Die Verwaltungsspitze um Kathstede und Ex-Kämmerer Manfred Abrahams ließ danach den kompletten Fachbereich prüfen und teilte vor zwei Wochen mit, dass es sich bei der Fehlbuchung um einen Einzelfall handeln müsse. Abrahams: "Es gab keinen organisatorischen Mangel."

Kritisiert worden war Kathstede nach der Fehlbuchung auch dafür, dass er einen Bericht des Rechnungsprüfungsamtes verändert hatte. Ende Mai hatte dieses Vorgehen damit verteidigt, dass er den Ton, in dem der Bericht verfasst war, zu scharf fand. Von "absoluter Unfähigkeit" der Mitarbeiter war dort zu lesen.

Am Donnerstag wetterte Kathstede gegen die betreffenden Mitarbeiter in ähnlicher Wortwahl: "Die Arbeitsauffassung einiger Mitarbeiter ist skandalös, das provoziert mich maßlos." Er werde Maßnahmen ergreifen. "Es ist selbstverständlich, dass es Konsequenzen geben wird." Selbst zurücktreten wolle er nicht: "Die Krefelder haben mich nicht gewählt, um vor Problemen davonzurennen, sondern um Probleme zu lösen."

(RP)
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