Prozess am Amtsgericht Mildes Urteil nach tödlichem Lkw-Unfall

Krefeld · Eine Freiheitsstrafe auf Bewährung erhielt der LKW-Fahrer, der im Dezember 2017 den Tod eines Mädchens auf der Gladbacher Straße verschuldete. Der Mann leidet bis heute an einer Posttraumatischen Belastungsstörung.

 Die Unfallstelle auf der Gladbacher Straße ist bis heute mit Blumen und einem weißen Fahrrad gekennzeichnet.

Die Unfallstelle auf der Gladbacher Straße ist bis heute mit Blumen und einem weißen Fahrrad gekennzeichnet.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Sechs Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung lautet das Urteil gegen den LKW-Fahrer, der am 20. Dezember 2017 an der Kreuzung Gladbacher Straße, Ecke Seyffardtstraße, einen Unfall verursacht hatte, bei dem ein elf Jahre altes Mädchen zu Tode kam. Die Beweisaufnahme ergab nach Ansicht des Krefelder Amtsgerichts klar, dass der Fahrer ein Zeitfenster von etwa fünf Sekunden gehabt habe, in dem er das Kind hätte sehen und den Unfall vermeiden können. Das Strafmaß blieb vor allem auch deshalb im unteren Bereich des Strafrahmens, der für fahrlässige Tötung von Geldstrafe bis zu fünf Jahren Haft reicht, weil der heute 59 Jahre alte Angeklagte vom ersten Moment an kooperativ, reuig und geständig war.

Tatsächlich zeigte die Verhandlung einen Mann, der seit dem tragischen Geschehen ein gebrochener Mensch ist. Immer wieder brach der gelernte Maurer, der vor dem Unfall 15 Jahre lang als Lkw-Fahrer gearbeitet hatte und sich weder im Straßenverkehr noch im sonstigen Leben jemals etwas zuschulden kommen ließ, während der Beweisaufnahme in Tränen aus und erlitt mehrfach regelrechte Zusammenbrüche. In einem bei Gericht verlesenen Gutachten des Alexianer-Krankenhauses, wo der Willicher seit dem Geschehen in Behandlung ist, wird eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert, die ihn das Geschehen immer wieder durchleben lässt.

Das eigentliche Strafmaß nahm der Mann ohne große Regung hin. Stets wühlte es ihn auf, wenn vom Unfall oder dem Mädchen selbst gesprochen wurde. Seit dem Geschehen kurz vor Weihnachten 2017 ist er arbeitsunfähig und krankgeschrieben. Er lebt mit seiner Frau heute von Krankentagegeld.

Die Staatsanwaltschaft hatte 90 Tagessätze Geldstrafe gefordert, die Verteidigung hatte im Schlussplädoyer keine Strafforderung gestellt, sondern lediglich Milde erbeten, da der Beschuldigte wirtschaftlich wie menschlich ohnehin schwer geschädigt sei. Auch wies der Verteidiger darauf hin, dass sein Mandant das Kind zwar vermutlich hätte wahrnehmen können, es aber aus nicht zu ermittelnden Gründen nicht tat, dass er das Geschehen zutiefst bedauere und sich bei der Familie des Kindes entschuldige und das auch persönlich zu wiederholen gedenke. Die Schuld wies er dabei weniger dem Fahrer als dem Gesetzgeber zu. „Es gibt heute Systeme, die solche Tragödien verhindern könnten. Leider verzichtet der Gesetzgeber darauf, diese verpflichtend vorzuschreiben, und baut stattdessen auf Buttons“, sagte er. An viel zu vielen Stellen gebe es weiße Fahrräder am Straßenrand, die von ähnlichen Geschehen zeugten.

 Groß war die Anteilnahme bei der Installation eines Mahnmals an der Unfallstelle mit einem Wandgemälde und einem weißen Fahrrad, das an den Unfall erinnern soll. Viele solche Mahnmale weisen heute auf tödliche Fahrradunfälle hin.

Groß war die Anteilnahme bei der Installation eines Mahnmals an der Unfallstelle mit einem Wandgemälde und einem weißen Fahrrad, das an den Unfall erinnern soll. Viele solche Mahnmale weisen heute auf tödliche Fahrradunfälle hin.

Foto: Mocnik/Mocnik,Mark(moc)

Das Gericht zeigte Mitgefühl mit dem Angeklagten, ging aber dennoch über das von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafmaß hinaus. „Die Abwägung fällt hier schwer. Wir reden von einer kurzen Unachtsamkeit auf der einen Seite und dem höchsten Rechtsgut, dem menschlichen Leben, auf der anderen. Das lässt sich durch eine Strafe kaum auflösen. Manchem wird sie deshalb zu gering, anderem viel zu hoch erscheinen“, sagte der Richter.

Das Urteil geht fast allein auf die Beobachtung eines Zeugen zurück, der, an der Ampel stehend, das Geschehen beobachtet hat. „Er hat den gesamten Vorgang sehr detailliert beschrieben und sich auch durch nichts ins Bockhorn jagen lassen. Einen so guten und souveränen Zeugen habe ich in meiner langjährigen Karriere selten oder nie erlebt“, sagte der zuständige Sachverständige, der den Unfall gemeinsam mit den Zeugen und bei ähnlichen Lichtverhältnissen rekonstruierte und so zum Ergebnis kam, dass der Beschuldigte den Unfall hätte vermeiden können.

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