Seidenweberhaus in Krefeld Kunst mit dem Hochdruckreiniger

Krefeld · Ein Kunstwerk ganz ohne Farbe: Das Streetart Duo Tubuku hat das Seidenweberhaus für das Mushroom Festival stellenweise gesäubert. Das Ergebnis ist beeindruckend. Ein mythischer Wald hebt sich nun hell vom grauen Beton ab.

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Kunst mit dem Hochdruckreiniger

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Foto: Natalie Urbig

Blätter ranken auf dem Seidenweberhaus, riesige Fliegenpilze schießen aus der Fassade, und zwischen all dem blickt ein geheimnisvolles Augenpaar auf den Theaterplatz. Wer sich das Gebäude ansieht, fühlt sich wie in einem Zauberwald.

Am Wochenende wurde dort das erste Mushroom-Festival gefeiert. Tausende Besucher kamen zusammen, tanzten zu elektronischer Musik und beobachteten spektakuläre Laser-Shows. Die Veranstalter wollten auf einem Platz, der von vielen als „schwierig“ angesehen wird, einen mystischen Ort schaffen. Das hat Spuren hinterlassen: Auch nach dem Festival ziert ein Pflanzenmuster das Seidenweberhaus. Es hebt sich hell von der gräulichen Betonverkleidung ab.

Je nach Witterung wird es dort auch noch einige Jahre zu sehen sein. Gemacht haben es Jaroslaw Masztalerz und Alex Weigandt aus Krefeld. Die beiden Studenten haben sich vor drei Jahren als Künstler-Duo „Tubuku“ selbstständig gemacht: Sie machen Streetart und bieten als Werbeagentur deutschlandweit unter anderem Grafikarbeiten, 3D-Animationen und Social-Media Arbeit an. Auch in Krefeld haben sie sich schon an einigen Plätzen verewigt. Zuletzt waren sie beim Urbanart Festival „Home Street Home“ beteiligt, und aktuell laden sie in der Downtown Gallery zu Führungen. Die beiden sehen sich als Generalisten. „Vor etwa einem Jahr ist dann einer der Festival-Veranstalter auf uns zugekommen“, erzählt Jarek Masztalerz. Schnell sind daraus weitere Ideen entstanden. Auch das Seidenweberhaus sollte einbezogen werden. Da gab es nur einen Haken: Farbe durfte auf das Gebäude nicht aufgetragen werden. Und so suchte Tubuku eine Alternative. „Wir haben uns letztendlich für einen Cleaning Process entschieden“, sagt Alex Weigandt. Das heißt nichts anderes als: „saubermachen“. Statt der ganzen Fläche werden nur einige Stellen gereinigt, so dass dabei ein Muster erkennbar wird. Jarek Masztalerz hat diese Methode schon einmal an einer Brücke in der Nähe von Warschau gesehen. Selbst hat das Duo noch nie auf diese Art gearbeitet. Während einige Künstler dafür einen Wischmopp nutzen oder mit einem Meißel die oberste Dreckschicht abtragen, hat Tubuku den Hochdruckreiniger gewählt. Drei Tage lang reinigten sie damit das Seidenweberhaus und ließen kunstvolle Pflanzen aus dem Grau wachsen. Eine Vorlage hatten sie nicht. „Wir haben alles freihand gemacht“, erzählen die beiden 35-Jährigen. Bei der Gestaltung haben sie sich an der Natur orientiert und an die Vorgaben des Festivals gehalten. Wer genau hinsieht, kann auch Schriftzüge von lokalen Bands und der Tanzschule „Area 47“ sehen. Schließlich sei der Theaterplatz mit der Mediothek auch ein „kultureller Schmelzpunkt“.

„Wir sehen uns nicht als Künstler im eigentlichen Sinne. Künstler wollen oft ihre eigenen Emotionen oder Ansichten nach außen tragen. Wir bleiben in unseren Inhalten neutral“, sagt Jarek Masztalerz. „Es sollte auch nicht das Graffiti, sondern das Gebäude im Vordergrund stehen.“

Für die beiden Freunde war es etwas Besonderes, einen Hauptpunkt Krefelds gestalten zu dürfen. Wie lange ihr Werk tatsächlich zu sehen sein wird, wissen die beiden nicht genau. „Das kommt auf die Witterung an“, sagt Alex Weigandt. Der Kontrast werde im Laufe der Zeit sicher schwächer werden, aber wenn die gesäuberten Flächen verdrecken, verdreckt auch die Umgebung. Das Duo schätzt die Lebensdauer auf etwa fünf Jahre.

Auch den Abstellraum des Seidenweberhauses haben sie mit Graffiti gestaltet, genau so wie die Absperrungstafeln. Noch sind sie auf dem Theaterplatz zu sehen – farbenfroh zeigen sie etwa den Festivalschriftzug oder einen Phantasievogel. „Wir haben sie innerhalb von drei Stunden gemalt“, sagt Alex Weigandt. Erst zehn Minuten vor Beginn waren sie fertiggestellt. Mit Zeitdruck können die beiden gut umgehen: Schließlich malen sie auch live vor Publikum. Das Cleaning-Verfahren war für sie eine weitere Übung, um eine neue Technik kennenzulernen. Ihr Motto: „In den 30ern lernt man, die Meisterwerke schafft man vielleicht mit 50.“

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