Krefeld Mobbing - Was wir von Affen lernen können

Krefeld · Mobbing ist nicht nur in Schulklassen zu beobachten, auch bei Affen gibt es Täter- und Opferrollen. Der Unterschied ist aber, dass die Situationen bei Affen nicht eskalieren. Biologe Patrick van Veen gibt Tipps für Lehrer.

 Patrick van Veen vergleicht in seinen Seminaren das Mobbingverhalten der Affen mit Situationen auf dem Schulhof. Er ist sich sicher, dass die Menschen von den Affen lernen können.

Patrick van Veen vergleicht in seinen Seminaren das Mobbingverhalten der Affen mit Situationen auf dem Schulhof. Er ist sich sicher, dass die Menschen von den Affen lernen können.

Foto: thomas lammertz

Mit Spannung beobachtete Biologe Patrick van Veen früher immer die Schulklassen, die vor dem Zoo aus dem Bus gestiegen sind. Mobber und Opfer hat er meistens auf den ersten Blick erkannt, "am Verhalten", sagt er. Bei Rundgängen durch den Zoo wurde der gebürtige Niederländer dann häufig gefragt, ob es auch bei Affen Mobbingverhalten gebe. Daraus ist seine Idee entstanden, von den Affen zu lernen, zu gucken, wie sich die Tiere in der Gruppe verhalten und wie es die Menschen handhaben. Jetzt hat er dazu im Krefelder Zoo für Erzieher, Psychologen und Pädagogen ein Seminar gegeben. Das Ergebnis war erstaunlich: "In der Schulklasse fehlt einfach der Silberrücken", sagt er. Denn bei Affen eskaliere die Mobbing-Situation nicht, irgendwann greife das Alfa-Tier ein.

Grundsätzlich müsse man unterscheiden zwischen Neckerei und Mobbing. Eine Neckerei dauert nur kurz, die Rollen von Täter und Opfer können wechseln. "Das ist beim Mobbing anders", sagt der Biologe. Mobbing sei langfristig; manchmal gibt es einen Täter, manchmal eine ganze Gruppe. Das gilt auch für Cybermobbing, auch wenn zum Beispiel nur einmal ein peinliches Foto gepostet wird, hat das einen lang anhaltenden Effekt. "Mobbing muss nicht immer aggressiv sein, es reicht schon, das Opfer anzustarren. Zehn Minuten, jeden Tag, über Monate und Jahre", sagt Patrick van Veen. Die Signale seien aber deutlich, denn Mobbing finde nicht im Verborgenen statt. Bei seinen Beobachtungen in Schulen hat er festgestellt, dass gerade die Opfer ganz deutliche Hinweise auf Mobbing geben. "Sie gehen oft und lange auf die Toilette, verlassen in der Pause als letzte die Klasse und sind als erste wieder da, und sie kratzen sich viel mehr als andere Kinder", sagt er. Bei älteren Mädchen, die gemobbt würden, könne aus dem Kratzen dann Ritzen werden.

Dass man Opfer und Täter schnell erkennt, an dieser Theorie, die er einst aufgestellt hat, hat Patrick van Veen festgehalten. Erstaunt hat ihn allerdings, dass jeder zum Opfer werden kann. Nicht nur der Streber aus der ersten Reihe und das Pummelchen, auch die hübschen Mädchen und die Sportler. Bei Tätern sieht das ein bisschen anders aus, meistens sind es Kinder, die auch zuhause viel Aggression erleben.

Aus der Opferrolle wieder rauszukommen, das ist gar nicht so leicht, weiß der Experte. Schließlich gehören die Gemobbten zur Gruppe. "Es ist besser, Mobbing zu ertragen, als sich zu isolieren", sagt er. Sehr unbefriedigend für die Opfer. Deswegen will er Lehrer und Erzieher schulen, damit sie Mobbingverhalten erkennen, Stichwort Silberrücken.

Und eben an diesem Beispiel lehrt van Veen dann auch, wie es die Affen machen, dass irgendwann - bei den Affen eben das Alfa-Tier - mal jemand auf den Tisch haut. "Bei den Affen funktioniert das, weil ganz klar geregelt ist, wer die Verantwortung hat", sagt er. Bei Menschen ist die Sozialstruktur eine andere, Vorteil und Nachteil zugleich: "Diese wechselt. Kinder sind acht Stunden in der Schule, gehen dann zum Sportverein, sind abends in der Familie", erklärt der Biologe. Niemand wolle wirklich Verantwortung übernehmen. Und wenn es doch mal jemand tut, "dann stehen vier Stunden später die Eltern auf der Matte und beklagen sich, wie der Lehrer mit dem Kind umgegangen ist", weiß van Veen.

Trotzdem rät er Lehrern, aufmerksam zu sein. Die können übrigens auch ganz schnell zum Opfer werden, sagt van Veen. Wie die Affen wollen Kinder Grenzen austesten, "das gehört zum Lernprozess", sagt er. Ob aus dem Grenzen austesten dann Mobbing wird, hänge einzig und allein vom Verhalten des Opfers ab, wie stabil es reagiert.

(RP)
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