Krefeld Mit dem Krühsteert den Wind einfangen

Krefeld · Ein Stück Geschichte hautnah erleben - der Bauverein setzte die Geismühle unter Segel und lud Besucher zu Besichtigungen ein.

 Die Geismühle hat um 1430 ihre Arbeit als Mühle aufgenommen. Nach dem Einschlag einer Luftmine im Zweiten Weltkrieg, die die Bäckerei zerstörte, war auch das Aus für die Mühle gekommen.

Die Geismühle hat um 1430 ihre Arbeit als Mühle aufgenommen. Nach dem Einschlag einer Luftmine im Zweiten Weltkrieg, die die Bäckerei zerstörte, war auch das Aus für die Mühle gekommen.

Foto: TL

"Wir krühen jetzt. Hast du die Bremse gelöst?", ruft Hans Bräunl in Richtung der offenen Tür. Ein etwas dumpf klingendes "Ja" ist die Antwort aus dem Inneren der Geismühle. Bräunl und August Seide, die beide eine Kurbel in der Hand haben, setzten diese am Krühbock mit dem Krühwerk an, während Willi Hanenberg die Eisenkette des Bocks um einen der Krühpfähle legt.

Der Wind kommt von Süd-West und entsprechend muss die Turmhaube mit den Flügeln in den Wind gesetzt werden, was in der Fachsprache der Müller krühen heißt. Noch schnell die Blitzableiter-Sicherung abmachen und die beiden Männer vom Bauverein Geismühle Krefeld-Oppum fangen an zu drehen. Zahnräder greifen, ein kurzes Quietschen ist zu hören und mit weiteren ratternden Geräuschen setzt sich die Anlage mit dem Krühsteert und den Schwertern in Bewegung. Fasziniert beobachten die Besucher, wie sich die Turmhaube mit den jeweils vier Flügeln, ein jedes zehn Meter lang, bewegt.

 Die mächtigen Zahnräder greifen ineinander, mit einem Steinkran werden die 1500 Kilogramm schweren Mühlräder hochgehoben.

Die mächtigen Zahnräder greifen ineinander, mit einem Steinkran werden die 1500 Kilogramm schweren Mühlräder hochgehoben.

Foto: Lammertz Thomas

Danach bleibt es weiter spannend, denn die Segel müssen gesetzt werden. Dafür ist Klettern angesagt. Behände schwingt sich Bräunl einen Flügel hinauf, um die Halterung der zusammengerollten Segel zu lösen. Der erste Flügel ist startklar. Stück für Stück rüsten die Mitglieder des Bauvereins und der dazugehörigen Oppumer Mühlenspechten die Geismühle unter den neugierigen Augen der ersten Besucher für den Mühlentag. Fotoapparate und Smartphones klicken bereits, denn die Vorbereitungen an der Mühle sind mehr als nur spannend. Das gilt aber auch für den eigentlichen Mühlenbesuch. Wer die Mühle betritt, erlebt einen Zeitsprung. Ganz beliebt ist bei den Besuchern das Mühlenbrot, das die Oppumer Bäckerei Lomme gebacken hat, und zwar mit Mehl, das in der Geismühle gemahlen wurde. "Wir haben vor zwei Wochen die Segel gesetzt und rund 50 Kilogramm Weizenmehl gemahlen", berichtet Bräunl, der inzwischen die erste steile Holzleiter in der Mühle hinaufgeklettert ist und am Mahlwerk steht. Über ihm läuft der mächtige Lagerbalken einmal quer durch den Raum. Es handelt sich um das älteste Holzteil in der Mühle. Über 400 Jahre hat es auf dem Buckel. Auf dem Lagerbalken wiederum steht die Königswelle. Die mächtigen Zahnräder, die ineinandergreifen, der Steinkran, mit dem die 1500 Kilogramm schweren Mühlräder hochgehoben werden können, die Schüttelrutsche mit Reibstock, die Zähne des großen Stirnrades, der Korntrichter, das Schärfwerkzeug - die Blicke der Besucher schweifen von rechts nach links, von unten nach oben, überall gibt es etwas zu bestaunen.

Großes Interesse ruft auch das alte Foto von 1896 hervor, auf dem die Mühle mit der angrenzenden Bäckerei zu sehen ist. Damals auf einer einzigen großen Fläche ohne Baumbestand. "Bäume hätten nur gestört, der Müller brauchte den Wind. Wenn wir heute mahlen, haben wir es aufgrund der Abschirmung durch die Bäume schwerer", informiert Bräunl.

 Hans Bräunl demonstriert, wo das das Getreide eingefüllt wird.

Hans Bräunl demonstriert, wo das das Getreide eingefüllt wird.

Foto: Tref
 Hans Bräunl (l.) und August Seide bringen die Mühlenflügel mit dem Krühwerk in die richtige Position, während Willi Hanenberg (r.) die Windrichtung überprüft.

Hans Bräunl (l.) und August Seide bringen die Mühlenflügel mit dem Krühwerk in die richtige Position, während Willi Hanenberg (r.) die Windrichtung überprüft.

Foto: Treffer Bianca

Auch Hanenberg weiß viel zu erzählen. Immerhin hat der 84-Jährige die Mühle in seiner Kindheit noch im normalen Betrieb erlebt. "Wir haben in der Nachbarschaft gelebt und als Kind habe ich hier das Mehl für den Wochenendstuten geholt, und wenn bei uns ein Schwein geschlachtet wurde, war es das Buchweizenmehl für den Panhas", erinnert sich der stellvertretende Vorsitzende des Bauvereins Geismühle. Er kann sich auch noch genau an die Rossmühle erinnern, die zur Bäckerei der Geismühle gehörte und von einem Pferd angetrieben wurde. Nach dem Einschlag einer Luftmine, die die Bäckerei zerstörte, war auch das Aus für die Geismühle gekommen. Nachdem sie um 1430 ihre Arbeit als Mühle aufgenommen hatte, war damit am 25. Februar 1945 Schluss. Das Gebäude der Mühle ist dabei sogar noch älter. Der Turm wurde zeitlich mit der Burg Linn errichtet und zwar um 1300. Er diente zunächst einmal als Wachturm, bevor die Mühlenfunktion dazu kam. Wäre der heutige Bauverein hingegen nicht, dann könnten sich die Besucher heute nicht an einer funktionstüchtigen Geismühle erfreuen, die nicht nur am Mühlentag begeistert.

(RP)
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