Krefeld Mies' Idee: Neues Viertel in der City

Krefeld · Der Krefelder Architekturprofessor Ernst J. Althoff regt an, entlang der St. Anton-Straße ein Wohnviertel nach Ideen des Bauhaus-Architekten Mies van der Rohe zu bauen. Dafür müssten Seidenweberhaus und Sparkassenhochhaus abgerissen werden.

Der Baumeister Mies van der Rohe sah es als eine seiner Aufgaben an, "Raumbedürfnisse heutiger Menschen" zu erfüllen. "Natur, Häuser und Menschen in einer höheren Einheit" zusammenzuführen. Seine Hofhäuser entwickelte der Architekt in Hochachtung und Respekt vor Traditionen der Baukunst aus der Form des römischen Atriumhauses, die er mit den Möglichkeiten neuer Technologien und Materialien zu einfachen Formen mit einer atemberaubend neuen Ästhetik weiter entwickelte.

Das Krefelder Mies-Quartier 2011 sehen wir als eine Teppich-Siedlung. "Living carpet", erläutert Professor Ernst J. Althoff, "dieser Begriff beschreibt sehr anschaulich, wie eine Siedlung aus Hofhäusern aussieht, wie ein Flickenteppich nämlich." Einer Siedlungsutopie im Sinne von Mies liegt immer auch eine Sozialutopie zugrunde. Wer also könnte in einer solchen Siedlung leben? "Sie sollte jedem offenstehen, egal ob Single, Paar, Familie", meint Althoff. Wünschenswert wäre eine Durchmischung von jungen und älteren Menschen. Wenn auch, wie der erfahrene Baumeister einräumt, diverse Versuche wie etwa 1955 bis 1960 im Hansaviertel Berlin, oder in Oberhausen-Eisenheim in den 1980er Jahren nicht den erhofften Erfolg hatten.

An den Rändern des Krefelder Mies-Quartiers wären Geschäfte mit Bedarfsgütern des täglichen Lebens und Dienstleistungsbetriebe denkbar; ein Lebensmittelladen etwa, eine Reinigung, ein Waschsalon, vielleicht auch ein Schwimmbad. Diese Vision verspricht: attraktives, bezahlbares Wohnen im Herzen von Krefeld. Obwohl wir Grundstücksspekulanten schon ungläubig lachen hören, lassen wir als realistische Träumer alle Einwände wie etwa horrende Grundstückspreise in dieser 1a-Lage außer Acht und plädieren für ein grundlegendes Umdenken. Welchen Mehrwert könnte die Stadt als Bauherrin mit diesem Mies-Quartier doch erwirtschaften. Als architektonisches Vorzeige-Projekt mit weitreichender Signalwirkung etwa.

Wir kassieren für das Mies-Quartier den viel gescholtenen Theaterplatz und die angrenzenden Grundstücke, auf denen heute noch das Seidenweberhaus und das Sparkassengebäude stehen. Macht zusammen ein Areal von rund 160 000 Quadratmetern. "Ein wahres Spielfeld für horizontale Verdichtung", schwärmt Althoff.

Für die Bebauung schlägt der Krefelder Architekt das Hofhaus vor, über das Mies seit Ende der 1920er Jahre nachdachte. Einfache Formen gepaart mit Großzügigkeit, die sich aus eben jenem Namen gebenden "Hof" ergibt, den der bedeutende Architekt Hans Schwippert einmal als "grüne Stube" bezeichnete.

Pro Haus stehen 80 Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung. Legt man sieben Euro pro Quadratmeter zugrunde, würde die Miete 560 Euro betragen. Wohnzimmer und Wohnküche nehmen in einem fließenden Raum 36 Quadratmeter ein, die Schlafzimmer von Eltern und Kindern jeweils 18 Quadratmeter, das Bad mit WC sieben und das Gäste-WC einen Quadratmeter. Alle Wohnräume sind auf den grünen, quadratischen Innenhof hin ausgerichtet. Diese "grüne Stube" misst 16 Quadratmeter. Das gesamte Grundstück wird von Haus und Hof eingenommen. Eine Mauer in der Höhe des Flachbaus oder das benachbarte Haus begrenzen das Grundstück.

Der besondere Charme der Hofhäuser besteht darin, dass sie auf unterschiedlichste Weise angeordnet werden können. Häuser des L- oder Winkel-Typs etwa ergeben in einer bestimmten Anordnung einen größeren Innenhof, der von mehreren Hofhausbewohnern geteilt wird. Ein solches Hofhaus mit mehreren Höfen hat Mies im Jahr 1934 skizziert. Rechteck- und Atrium-Typ sowie zweigeschossige Hofhäuser stellen andere Varianten dar.

Nächste Folge: Durchgrünung des Mies-Quartiers

(RP)
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