Krefeld Messer-Tüftler für IHK-Preis nominiert

Krefeld · Friedhelm Herzog hat eine Methode entwickelt, so genannte Suprakabel - die Stromleitung der Zukunft - wirtschaftlich einzusetzen. Heute Abend vergibt die IHK ihren Innovationspreis. Herzog zählt zu den Anwärtern.

 Hinter der Fassade der alten Samtweberei am Gahlingspfad arbeiten knapp 80 Mitarbeiter des Industriegaseherstellers Messer. In Krefeld tüfteln Ingenieure neue Anwendungstechniken aus.

Hinter der Fassade der alten Samtweberei am Gahlingspfad arbeiten knapp 80 Mitarbeiter des Industriegaseherstellers Messer. In Krefeld tüfteln Ingenieure neue Anwendungstechniken aus.

Foto: RW

Industriegasehersteller Messer hat im vergangenen Jahr mehr als eine Milliarde Euro Umsatz gemacht: Maßgeblich für den Geschäftserfolg sind Innovationen für den Bereich Anwendungstechnik - und die kommen aus Krefeld. "Wir sind hier der Think Tank für Messer weltweit", sagt die Unternehmenssprecherin Diana Buss im Gespräch mit unserer Zeitung. "Wir haben schlaue Köpfe", umschreibt sie den Modebegriff Think Tank, der soviel wie Ideenschmiede oder Denkfabrik bedeutet.

Sichtbar lässt sich der Erfolg der Entwicklungsabteilung nicht nur in den Auftragsbüchern und Bilanzen ablesen. In den zurückliegenden zehn Jahren kamen zum Beispiel 205 Erfindungen zur Patentanmeldung. "Die Tüftler und Erfinder werden an dem durch ihre Erfindung generierten Umsatz beteiligt", berichtet Diana Buss.

Statt in Euro und Cent lebt der Erfindergeist auch von der Anerkennung. Für den Forschungs- und Innovationspreis der Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein, der heute in Mönchengladbach vergeben wird, ist beispielsweise der Messer-Ingenieur Friedhelm Herzog nominiert. Er hat mit einer Entwicklung das Thema Suprakabel vorangebracht. Gekühlte Energieversorgungskabel leiten den Strom nämlich schneller und auf kleinerem Querschnitt. Für diese Entdeckung gab's schon vor rund 20 Jahren den Nobelpreis. Die Kühlung mit Helium rechnete sich aber nicht, und die mit Stickstoff erreichte bislang nur Temperaturen von minus 196 Grad Celsius. Dank Herzogs Methode werden jetzt auch minus 206 Grad erreicht. Messer hat für ein Pilotprojekt der RWE in Essen eine Technologie und Kühlanlage entwickelt, die mit verflüssigtem Stickstoff als Kälteübertragungsmedium arbeitet. Der flüssige Stickstoff wird zunächst per Tankwagen angeliefert. "In der Kühlanlage verdampft der Stickstoff dann im Unterdruck. Dadurch kühlt er sich weiter ab, und es ist möglich, die für die Kühlung der Supraleiter angestrebte Zieltemperatur von minus 206 Grad Celsius zu erreichen", erklärt Friedhelm Herzog, verantwortlich für Industrieanwendungen bei Messer.

Stickstoff kommt in der Luft zu 78 Prozent vor und kann durch Luftzerlegung gewonnen werden. Am 30. April 2014 hat der erste Prototyp der Kühlanlage seinen regulären Betrieb aufgenommen und kühlt nun ein im Ruhrgebiet installiertes 1000 Meter langes zehn Kilovolt HTS-Kabel mit einer Übertragungskapazität von 40 Megawatt. Dieses ist das weltweit längste supraleitende Kabel zur Übertragung von Elektroenergie.

Einen regelrechten Boom erfahre derzeit eine Methode von Jens Tauchmann, informierte Diana Buss. Spätestens nach dem Einsturz des Stadtarchivs in Köln begann die Diskussion über Sicherheit im U-Bahn- und Tunnelbau neu. Mit Tauchmanns Verfahren wird das Erdreich um die geplante Tunnelröhre herum quasi schockgefrostet. "Das wird hart wie Beton. Die Gase verflüchtigen sich später, und die Erde nimmt wieder ihre normale Festigkeit an", schildert die Unternehmenssprecherin. Nur der Kern, dort wo die U-Bahn entstehen soll, bleibt, wie er war und bietet dem Bohrer den normalen Widerstand. In Wien, Warschau, Berlin, Düsseldorf - überall komme diese Innovation Made in Krefeld zu Einsatz.

Das Geschäft sei stabil, informiert Diana Buss, weil die Lebensmitteltechnik einen wichtigen Anteil ausmache. Und gegessen und getrunken werde immer. Gase von Messer tauchten überall auf: beim Kühlen, Verpacken, Frosten. In Kartoffelchipstüten zum Beispiel würden Schutzgase eingefüllt, Fertigtorten schockgefrostet, damit die Kirschen zur Dekoration nicht in der Sahne abtauchen. In Stahlwerken und Kläranlagen wird Sauerstoff eingepustet. Fertige Pläne, um den Forschungsstandort Krefeld weiter auszubauen, liegen in der Schublade. 2013 sollte ein Millionen Euro teures, neues Labor fertig sein. "Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben."

(RP)
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