Interview: Gregor Kathstede "Man schafft sich einen Panzer an"

Krefeld · Gregor Kathstede ist seit zehn Jahren Oberbürgermeister. Wir sprachen mit ihm darüber, wie er sich verändert hat; über richtige und falsche Entscheidungen, über die Atmosphäre im neuen Rat und die Frage, ob P & C nun kommt oder nicht.

 Zwischen beiden Fotos liegen zehn Jahre: Hier Gregor Kathstede in dem Jahr, in dem er Oberbürgermeister wurde.

Zwischen beiden Fotos liegen zehn Jahre: Hier Gregor Kathstede in dem Jahr, in dem er Oberbürgermeister wurde.

Foto: T.L. / Foto (r.): Lothar Strücken

Politisches Hauptthema des Jahres bleibt der Nothaushalt. Im Rat ist keine Mehrheit in Sicht, die einen Sparhaushalt stemmen könnte. Wie sehen Sie die Ausgangslage?

 Dieses Bild wurde vor ein paar Tagen nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub mit seiner Familie in Frankreich aufgenommen.

Dieses Bild wurde vor ein paar Tagen nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub mit seiner Familie in Frankreich aufgenommen.

Foto: Strücken,Lothar

Kathstede Die jüngste Ratssitzung hat gezeigt, dass es eine linke Mehrheit im Rat gibt, bestehend aus SPD, Grünen, Linke und den Parteipiraten. Das wird nicht leicht. Man muss abwarten, wer sich mit wem findet. Feste Koalitionen gibt es ja nicht. Wir werden als Verwaltung unsere Arbeit machen und einen genehmigungsfähigen Haushalt einbringen.

Wir war Ihr erster Eindruck von der Atmosphäre?

Kathstede Es ist noch zu früh, darüber etwas zu sagen. Der Rat ist noch in der Findungsphase, zumal wir viele neue Ratsmitglieder haben. Gefreut habe ich mich über den Beitrag des Grünen-Vertreters Hansen, der dafür geworben hat, einen neuen Versuch der Vertrauensbildung zwischen Rat und Verwaltung zu starten.

Wird es nicht am Ende eine große Koalition geben müssen? Sehen Sie Signale dafür?

Kathstede Die SPD reklamiert für sich, Wahlsieger zu sein. Wenn man für seine Politik Partner finden möchte, dann muss man auch strategisch intelligent mit diesen Partnern umgehen. Die SPD hat für sich wie selbstverständlich in Anspruch genommen, dass Frank Meyer Erster Bürgermeister wird; mit der Begründung, dass die SPD die meisten Stimmen bei der Wahl geholt hat. Zugleich hat die SPD der CDU sowohl in Hüls als auch im Ostbezirk verweigert, den Bezirksvorsteher zu stellen, obwohl die CDU dort mit Abstand die stärkste Fraktion stellt. Das war in meinen Augen keine weise Entscheidung.

Glauben Sie ernsthaft an einen Sparhaushalt, der mit den Stimmen von der Partei Die Linke und den Parteipiraten verabschiedet wird?

Kathstede Sagen wir mal so: Die SPD nimmt für sich eine Führungsrolle in Anspruch - schauen wir mal, ob Sie diesem Anspruch gerecht wird.

Was würde passieren, wenn der Rat sich nicht einigen kann?

Kathstede Dann bleibt es beim Status quo; wir bleiben im Nothaushalt und müssen jeden Cent, den wir ausgeben wollen, von Düsseldorf genehmigen lassen. Wir hätten dann weiterhin viel, viel weniger kommunale Handlungsfreiheit.

Möglicherweise will die Politik sich ja gar nicht einigen. Sie müsste ja zurzeit nur unangenehme Dinge beschließen. Das Szenario, dass Düsseldorf über jede Ausgabe wacht, ist ja möglicherweise bequem: Man kann bei jeder Entscheidung auf den Oberbürgermeister schimpfen. Ein Wahlkampfansatz für die OB-Wahl im nächsten Jahr.

Kathstede Ach ja, aber das würde doch auf den Rat zurückfallen. Ein Rat, der sich nicht einigen kann und das wichtigste Recht, das er hat, nämlich die Budgethoheit, mit fadenscheinigen Gründen aus der Hand gibt - das wäre am Ende eine Riesenblamage für alle. Auch das könnte man im Wahlkampf sehr leicht spielen. Nein, der Rat muss sich einigen.

Sie sind seit zehn Jahren Oberbürgermeister. Was war ihre wichtigste Entscheidung?

Kathstede Ich glaube, dass in dieser Zeit einige wichtige Entscheidungen für die weitere Entwicklung unserer Stadt getroffen worden sind, insbesondere auch für die Entwicklung unserer Innenstadt - wie die Ostwall-Sanierung mit der Neugestaltung Ostwall/Rheinstraße, aber auch der bewusste Verzicht auf ein großes geschlossenes Einkaufszentrum in der City, das aus unserer Sicht dem Handel und damit der Stadt mehr geschadet als genutzt hätte. Ganz wichtig war auch die Entscheidung für den konsequenten Ausbau unserer Kindergärten und Schulen - ein maßgeblicher Baustein des familienfreundlichen Krefelds. Eine ganz, ganz wichtige Entscheidung war die Privatisierung des städtischen Klinikums. Es hat damals viele Widerstände gegeben; ich bin heute sehr froh, dass sich meine Positionierung für Helios durchgesetzt hat. Und nennen möchte ich abschließend noch den Beschluss zum Ausbau des Krefelder Hafens, der heute als eigenständige Gesellschaft sehr gut aufgestellt ist.

Und was war ein Tiefpunkt, etwas, das Sie am meisten belastet hat?

Kathstede Na ja, sicher die Turbulenzen um die Fehlbuchung über 800 000 Euro. Das war monatelanger Druck mit täglich immer neuen Angriffen und persönlichen Verunglimpfungen; das war schon schwierig für mich, für meine Mitarbeiter und auch für meine Familie. Wir haben daraus Konsequenzen gezogen; das wird so nicht mehr passieren.

Und was war ein großer Fehler, etwas, das Sie bereuen und heute anders machen würden?

Kathstede Vielleicht die Diskussion um die nächtliche Abschaltung der Straßenbeleuchtung. Da hätten wir von Anfang an die Bürgerinnen und Bürger in den Prozess und die Entscheidungsfindung einbeziehen sollen. Das würde ich heute so nicht wieder machen.

Sie sind mit 41 Jahren Oberbürgermeister geworden. Wie hat sich Gregor Kathstede persönlich verändert?

Kathstede Ich hatte mir anfangs nicht vorstellen können, wie viele Erwartungen auf mich einprasseln. Anfangs habe ich immer versucht, es jedem recht zu machen, aber das funktioniert leider nicht. Ich glaube, dass ich gelassener geworden bin. Man schafft sich gegen persönliche Attacken einen Panzer an, zumal der Umgangston in Krefeld sehr speziell gewesen ist.

Was man immer wieder über Sie hören kann, ist der Eindruck, dass Sie beratungsresistent sind: Der bespricht sich mit niemandem, der lässt sich nichts sagen.

Kathstede Das sind Dinge, die von Gegnern gestreut werden. Zum einen gehört es zum Wesen von Entscheidungen, dass man sie am Ende allein trifft. Das heißt aber nicht, dass man in dem Prozess bis zu diesem Punkt allein ist. Ich habe meine Vertrauten, sowohl in der Verwaltung als auch in meiner Partei und in der Stadt, mit denen ich mich bespreche und deren Urteil mir wichtig ist.

Was wäre Ihre Vision für Krefeld 2020, falls Sie wiedergewählt werden

Kathstede Wir möchten den Ausbau der Innenstadt weitertreiben. Ich bin ungebrochen sehr zuversichtlich, dass P&C nach Krefeld kommt. Natürlich ist der städtische Haushalt ein wichtiger Punkt. Wir wollen und müssen möglichst bald den Haushaltsausgleich wieder hinbekommen. Ich glaube auch, dass Uerdingen mit dem Projekt Rheinblick einen großen Sprung nach vorne macht, der für ganz Krefeld wichtig ist. Wenn wir das Rheinufer entwickeln und eine attraktive Promenade hinbekommen, wird das einen wirklichen Schub für die Stadt bringen.

JENS VOSS FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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