Krefeld Luther in Linn: Prachtstücke der Reformation

Krefeld · Das Museum Burg Linn zeigt ab Sonntag, wie die Reformation in Krefeld verlaufen ist. Eine Ausstellung, die viele Schätze präsentiert, aber ein wenig Geduld erfordert. Glanzstücke sind zwei Original-Luther-Bibeln von 1541 und 1544. Besucher dürfen ihre eigenen Thesen anheften.

 Thesenanschlag in Krefeld: Die Kuratoren Martin Dautermann (links) und Ralf Stefan heften Martin Luthers "Propositiones wider das Ablas" an eine historische Tür aus der Museumssammlung.

Thesenanschlag in Krefeld: Die Kuratoren Martin Dautermann (links) und Ralf Stefan heften Martin Luthers "Propositiones wider das Ablas" an eine historische Tür aus der Museumssammlung.

Foto: Thomas Lammertz

Ganz hinten im Ausstellungsraum, der mit Kirchenbänken und sakralen Prachtstücken wie Monstranz und Weihwasserkessel sowie dem warmen Kunstlicht fast Sakristei-Charakter hat, steht ein einfaches dunkles Holzkreuz. Es trennt und verbindet gleichermaßen zwei großformatige Fotografien: links ist die katholische Pfarrkirche St. Dionysius abgebildet, rechts die Alte Kirche (nach einem Stich aus der Vorkriegszeit). Die Symbolkraft ist ungemein: Die Alte Kirche war bis 1607 das Gotteshaus der Katholiken. Als die reformationsbestrebten Grafen von Moers, denen Krefeld damals unterstand, einen reformierten Pfarrer einsetzten, verloren die Katholiken ihre Kirche. Sie mussten ins Kloster Meer ausweichen. Erst gut 150 Jahre später sollten sie wieder eine eigene Kirche im Krefelder Zentrum erhalten: St. Dionysius.

Dieses Triptychon fasst zusammen, was die Ausstellung "1517 - Krefeld und die Reformation", die am Sonntag im Museum Burg Linn eröffnet wird, deutlich machen will: Reformation ist nicht der 31. Oktober 1517, der Tag, an dem in Wittenberg Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche genagelt haben soll. Reformation ist ein langwieriger, schwieriger und mit zahllosen Kämpfen verbundener Prozess, der in Krefeld etliche Jahrzehnte währte.

 Der Museumsraum bekommt eine sakrale Anmutung durch die Kirchenbänke und das Kreuz. Die Fotos zeigen St. Dionysius (l.) und die Alte Kirche vor dem Krieg.

Der Museumsraum bekommt eine sakrale Anmutung durch die Kirchenbänke und das Kreuz. Die Fotos zeigen St. Dionysius (l.) und die Alte Kirche vor dem Krieg.

Foto: Thomas Lammertz

Es fing nicht mit Luther an und endete nicht mit dem Augsburger Religionsfrieden, der 1555 die Koexistenz von Luthertum und Katholizismus festlegte. Die Ausstellung, die Christoph Dautermann, stellvertretender Leitung des Museums Burg Linn, und der Sammler Ralf Stefan zusammengestellt haben, zeigt eine Welt, in der der Glaube nicht mehr absolute Sicherheit bietet, eine Zeit der Zweifel, der Suche und vieler Fragen im 16. Jahrhundert. Und etliche kampfeslustige Auseinandersetzungen. Die Schau belegt in prachtvollen und kostbaren Originalschriften Luthers Gedanken, die Publikationen von Reformationsdenkern wie Philipp Melanchthon, die Schriften von Kontroverstheologen, von Mennoniten, Täufern, Hutterern, Calvinisten, Hugenotten und Anglikanern und die Gegenschriften der Katholiken.

"Es ist schwierig, ein geistiges Thema wie die Reformation, das nur wenige Objekte hinterlassen hat, zu präsentieren", sagt Dautermann. Doch die üppige Auswahl an Bibeln, Schriften und Briefen besticht. Denn es sind allesamt Originale. "Wir haben kein einziges Faksimile", so Dautermann. Und das meiste gehört zum eigenen Bestand.

 Die Monstranz ist vermutlich beim Bildersturm aus Böhmen geraubt worden und war lange im Besitz des schwedischen Königs Gustav Adolf.

Die Monstranz ist vermutlich beim Bildersturm aus Böhmen geraubt worden und war lange im Besitz des schwedischen Königs Gustav Adolf.

Foto: Thomas Lammertz

Herzstück sind zwei Luther-Bibeln von 1541 und 1544. Es sind Originaldrucke aus Wittenberg. Zu der Zeit hat Luther noch gelebt. "Wir sind also ganz nah dran. Das sind nationale Schriftdenkmäler", formuliert es Kurator Dautermann. Sie sind wunderschön illustriert von Lucas Cranach, dem Jüngeren. Aber sie sind in sehr schlechtem Zustand und müssen dringend restauriert und konserviert werden. "Wir haben Kostenvoranschläge eingeholt: Das wären für die eine Bibel 7500, für die andere 5700 Euro. Vielleicht finden wir durch die Ausstellung Sponsoren", hofft Dautermann.

Die zahlreichen Schriften aus dem 16. Jahrhundert sind allerdings keine gepflegten theoretischen Diskurse, da geht es verbal ordentlich zur Sache - es ist ein feuriger Krieg der Worte. Sehr bewegend ist ein handschriftlicher Brief des Krefelder Pastors Schue, der darlegt, was ihm und dem "regiment syner kirchen tzo Creyfelt" in den 1540er Jahren widerfahren ist: Etlichen Schikanen war er ausgesetzt, weil er als Katholik dem reformwilligen Grafen von Moers ein Dorn im Auge war. Immer wieder wurde er drangsaliert, in seiner Kirche Platz für einen reformierten Prediger zu machen. "Got moess sich des erbarmen, dat ych den dach tzo Creyfelt geleeft han", klagt er. "Das ist ein für den Niederrhein einzigartiges Geschichtszeugnis", erklärt Stefan.

Auf Haufen geworfene Bücher und sakrale Kunstwerke deuten den Bildersturm an, bei dem im 16. Jahrhundert sakrale Gegenstände, Kunst aus Kirchen, auch Kirchenfenster und oftmals auch Orgeln aus Kirchen weggeschafft wurden. Etliches wanderte in Privatbesitz, viele Zeugnisse des Mittelalters gingen für immer verloren. Eine solche Geschichte erzählt eine goldene Zylindermonstranz - eine Leihgabe aus Düsseldorf. Sie soll aus dem Besitz des schwedischen Königs Gustav Adolf (1594-1632) stammen. "Aber davor war sie wohl aus Böhmen entwendet worden", sagt Dautermann.

Es ist eine Ausstellung, die anregt, vertiefend nachzulesen und nachzudenken. Für eigene Gedanken ist auch ein Platz vorgesehen: Analog zur Tür mit den 95 Thesen, die am Eingang der Ausstellung nachempfunden ist, gibt es im hinteren Teil eine Tür, an die Besucher ihre Gedanken und Thesen per Post-it-Zettelchen anheften können.

(RP)
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