Wirtschaft Die Lokführer-Fahrschule

Krefeld/Vorst · Martin Meder kennt fast jeden Gleisabschnitt in Deutschland. Nach Jahren der Arbeitslosigkeit bildete er sich bei der Deutschen Reichsbahn der DDR zum Lokomotivführer fort und sammelte praktische Erfahrungen im Übermaß. 2009 gründete er in der alten Druckerei der Familien am Krützpoort eine eigenen Fahrschule für Triebfahrzeugführer, wie der Lokführer heute heißt. Und er bildet Langzeitarbeitslose aus. Der nächste Lehrgang beginnt am Montag, 1. April.

 Martin Meder zeigt in seiner Lokfahrschule am Krützpoort einen von zwei Fahrsimulatoren.

Martin Meder zeigt in seiner Lokfahrschule am Krützpoort einen von zwei Fahrsimulatoren.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Im Vergleich zu Martin Meder ist Jim Knopf nur ein Schmalspur-Lokomotivführer. Der 63-jährige Vorster mit eigener Fahrschule für Triebfahrzeugführer, wie die Lokführer heute heißen, in Krefeld am Krützpoort, hat alles schon erlebt, was mit Schienen zu tun hat, so scheint es zumindest. Seine berufliche Laufbahn ist alles andere als geradlinig. Aber jetzt hat er offenbar seine Bestimmung gefunden.

In der ehemaligen Druckerei seines Vaters eröffnete Meder 2009 seine Lokfahrschule. Die 150 Absolventen in den zurückliegenden zehn Jahren profitierten dabei von seiner Erfahrung und Detailversessenheit. Die Räume mit knapp 500 Quadratmetern Grundfläche ähneln einem Museum. „Bei mir können die Fahrschüler die Sachen, die wir im Unterricht ansprechen, auch ansehen und anfassen“, sagte er. So hat Meder eine herausziehbare Wand gebaut, in der in vier großen Feldern vier voll funktionsfähige Signalanlagen montiert sind. Eine alte, rein mechanische Anlage, eine Lichtanlage aus der Reichsbahn-Ära der DDR, eine aus der Zeit der Deutschen Bahn im Westen und eine aus der Zeit nach dem Mauerfall.

Nicht alle Bauteile lassen sich im großen Maßstab darstellen, für die komplexen Dinge hat Meder eine Modellanlage Spur 1 im Maßstab 1:32 aufgebaut. Wieder anderes wie Gleisprofile, Zugmodelle und Dienstmützen hängen auf Schautafeln und stehen in Vitrinen.

 Die mechanische Anlage ist voll funktionstüchtig.

Die mechanische Anlage ist voll funktionstüchtig.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Kernstücke der Ausbildung sind zwei Simulatoren. Auf Bildschirmen sind Gleise zu sehen, ziehen Bauwerke am Lokführer vorbei, der alle 30 Sekunden den Sicherheitsfahrschalter loslassen muss. „Das ist der so genannte Totmann-Schalter“, berichtete Fahrlehrer und Kollege Sascha Erbe. Ein Lenkrad gibt’s nicht. Der Zug wird durch die Schienen zwangsgeführt. Im Grunde geht’s um Gasgeben und Bremsen. Wenn es denn so einfach wäre. Ein 120 Kilometer schneller Güterzug mit 4000 Tonnen Gewicht hat einen Bremsweg von mehr als 1000 Metern. Für alle Fälle gibt’s den Notaus-Schalter. Der schaltet den Dieselmotor aus und nimmt den Stromabnehmer herunter. In Wirklichkeit ist alles viel komplizierter, die Verantwortung als Zugführer riesengroß.

 Unterschiedliche Dienstmützen sind anschauliche Zeugnisse der Eisenbahngeschichte.

Unterschiedliche Dienstmützen sind anschauliche Zeugnisse der Eisenbahngeschichte.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Meder kennt alle Spielarten. Nach seiner Lehre in der Druckbranche zum Reproduktionsphotographen arbeitete er im eigenen Betrieb. Als der verkauft wurde, war er fünf Jahre arbeitslos. Eine Zeit, die ihn geprägt hat. Vielleicht bringt er deshalb für die Biografien seiner Fahrschüler so großes Verständnis auf. In Deutschland würden derzeit 3000 Lokführer gesucht. Das sei die Chance für manch einen Langzeitarbeitslosen, sagte er.

 Von einer Modellanlage im Maßstab 1:32 überträgt die Lokführerschule per Kamera Fahrsituationen auf eine Leinwand in den Unterrichtsraum.

Von einer Modellanlage im Maßstab 1:32 überträgt die Lokführerschule per Kamera Fahrsituationen auf eine Leinwand in den Unterrichtsraum.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Meder selbst erhielt seine Ausbildung in der Lokfahrschule Güstrow im Osten. Dort hat er das Dampflokfahren gelernt. Unter anderem fuhr er den Rasenden Roland auf der Insel Rügen sowie den Museumszug von Düren nach Paderborn, für den er auch das Marketing übernahm. Schon früh machte er sich selbstständig – als „Ich AG“. In Süddeutschland fuhr er Güterzüge, wechselte dann in den Bauzugsdienst, um Gleise zu erneuern. Später steuerte er Messzüge der Deutschen Bahn, die mit Laser und Radar den Verschleiß der Schienen erfassten. „Dabei kam es darauf an, mit äußerster Präzision konstante Geschwindigkeiten zu fahren“, sagte Meder.

 Eine Schauwand zeigt verschiedene Schienenprofile.

Eine Schauwand zeigt verschiedene Schienenprofile.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Da schien der nächste Schritt fast logisch. Meder wurde vom TÜV und der Deutschen Bahn als Ausbilder und Prüfer zertifiziert. Allein in Nordrhein-Westfalen gebe es 19 Mitbewerber als Eisenbahn-Fahrschule. Für die praktische Ausbildung hat Meder Vertragspartner. Früher mietete er schon mal eine Lok und eine Strecke, um seinen Fahrschülern Praxis zu ermöglichen. „Das geht heute ohne Partner nicht mehr. Eine privatisierte Strecke samt Lok kostet für vier Wochen 60.000 Euro“, sagte Meder.

 Nach dem Mauerfall gab es neue Lichtsignalanlagen.

Nach dem Mauerfall gab es neue Lichtsignalanlagen.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)
 ...zu der im Westen eingesetzten nicht grundsätzlich.

...zu der im Westen eingesetzten nicht grundsätzlich.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)
 Die Technik im Osten unterschied sich vor der Wende...

Die Technik im Osten unterschied sich vor der Wende...

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)
 Info-Säulen und Hinweisschilder gehören zum Inventar.

Info-Säulen und Hinweisschilder gehören zum Inventar.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Zusätzlich zum Lokführer bildet seine Fahrschule Wagenmeister aus. Dies geschieht in der Partner-Niederlassung in Lübeck Außenstelle Travemünde und in Herne oder Hamm. Der Wagenmeister kontrolliert Waggons, Beschriftungen und Bremsen. Kein Zug darf ohne Kontrolle und Freigabe des Wagenmeisters losfahren. An diese Regelung hat sich auch Jim Knopf zu halten.

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