Literatur in Krefeld Wo Gedichte Form annehmen

Krefeld · Carolin Callies setzt in ihrer Lyrik grafische Gestaltung ein. Ein schöner Abend beim Literarischen Sommer.

 Carolin Callies mit ihrem Gedichtband vor dem Niederrheinischen Literaturhaus.Sie bescherte einen kurzweiligen literarischen Sommerabend.

Carolin Callies mit ihrem Gedichtband vor dem Niederrheinischen Literaturhaus.Sie bescherte einen kurzweiligen literarischen Sommerabend.

Foto: Fabian Kamp

Zum Schwerpunkt Lyrik dieses Literarischen Sommers war Carolin Callies im Niederrheinischen Literaturhaus zu Gast. Sie las aus ihrem jüngsten Band „schatullen & bredouillen“ (2019), aus „fünf sinne & nur ein besteckkasten“ (2015) und aus zwei Anthologien. Sie ist nämlich auch in dem jüngst erschienen Sammelband zu junger europäischer Lyrik „Grand Tour“ vertreten. Den hat Jan Wagner zusammen mit Federico Italiano herausgegeben.  Inhaltlich schlägt Callies damit einen Bogen zum diesjährigen Auftakt des Literarischen Sommers, bei dem Büchnerpreisträger Jan Wagner las.

Die Titel von Callies Gedichtbänden verraten schon einiges: Sie schreibt alle Wörter klein; sie verbindet Dinge, zwischen denen man erstmal keinen Zusammenhang vermutet, und sie setzt auf Grafik. Das sieht der Leser sehr deutlich in ihren Büchern, wo Callies auf Visuelle Poesie setzt. „bewohnbare kästen“ besteht aus zehn Abschnitten, von denen neun einen Rahmen haben und einer keinen. Im vorletzten heisst es, eingerahmt,: „das hier ist ein kasten,/der kleiner wird.“ und im letzten, mit noch kleinerer Schrift: „winzig klein.“

Allerlei Behältnisse werden in diesem Gedicht aufgezählt, und um dem Zuhörer ein Bild zu geben, hat Callies lauter buntstiftfarbene Schachteln auf dem Biedermeiertisch aufgestapelt. Sie öffnet eine nach der anderen und liest die Abschnitte einzeln vor – Begrifflichkeiten vom Aufbewahren und Sortieren, von Wirklichkeit und verschobenen Räumen greifen ineinander: „wir mieten uns stundenweise in streichholzschachteln ein“.

Ihre Gedichte sind wie Geschichten: Carolin Callies, Jahrgang 1980, ist sehr belesen, kennt Märchen und Sagen, liebt Else Lasker-Schüler und scheint das Grimmsche Wörterbuch sehr gut zu kennen. Sie erfindet eigene Wörter, sie bezieht sich auf menschliche Erfahrungen, auf die Sinne und auch auf historische Stoffe. „landkarte von falun“ greift einen Stoff auf, der E.T.A. Hoffmann, Hugo von Hofmannsthal und Johann Peter Hebel bearbeitet wurde.

Ob man denn diesen Stoff kennen müsse, um das Gedicht zu verstehen, wollte Moderatorin Maren Jungclaus vom Literaturbüro Düsseldorf wissen. Callies: „Die Texte stehen für sich – und die Türen öffnen sich bei einer Lesung oder bei einem Gespräch.“

Und auch bei einem Vortrag mit Musik. Denn damit hat Callies jeden der vier inhaltlich aufgeteilten Blöcke begonnen: Sie hat einige ihrer Verse mit Musik gelesen und so gleich den Rhythmus ihrer Sprache auf die Zuhörer übertragen. Sehr charmant auch ihre Widmungen. Ein bunter und fröhlicher Abend, der zum Nachlesen oder -hören animiert; ein ganz kleines bisschen gedämpft von der Hitze dieses Sommers.

Carolin Callies, „schatullen & bredouillen“, Schöffling (2019). Mehr unter https://www.carolin-callies.de. Text & Ton z. B. bei Spotify. – Nächste und letzte Krefelder Lesung des Literarischen Sommers: Marente de Moor, Donnerstag, 1. August, 20 Uhr, Fabrik Heeder.

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