Krefeld Leben, Arbeiten und Kunst unter einem Dach

Krefeld · Kunstfreunden, nicht nur in Krefeld, ist das Haus an der Tiergartenstraße 81 wohl bekannt, denn dort findet man die Räume der renommierten Galerie Fellner von Feldegg. Es ist aber auch ein Gebäude mit besonderer Geschichte, wie die Hausherrin Marie-Luise Fellner von Feldegg betont.

Im Haus der Galerie Fellner von Feldegg
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Im Haus der Galerie Fellner von Feldegg

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Alfred Rüdenberg, eine führende und weitblickende Persönlichkeit des "Vereins Deutscher Seidenwebereien", ließ es sich um 1900 als vierstöckiges Wohnhaus im Jugendstil erbauen. Als Jude brachte er sich rechtzeitig vor den Nazis in Sicherheit und ging mit seiner Familie in die USA. Das Haus fiel an die Finanzverwaltung in Krefeld, die es jedoch leerstehen ließ. Gegen Kriegsende und in den frühen Jahren danach diente es als Notunterkunft für Ausgebombte und Flüchtlinge, stand danach wieder lange Zeit leer und verkam.

Das weitläufige Grundstück gelangte dann in den Besitz der Autohändlerfamilie Klausmann, die den bebauten Teil verkaufen und auf der verkleinerten Parzelle neu bauen wollte. Da fügte es sich, dass sie sich dem Büro Fellner von Feldegg in Strümp anvertrauten. Dort hatten sich der aus Tirol stammende Architekt Peter Fellner von Feldegg und seine Frau Marie-Luise, eine gebürtige Potsdamerin mit ausgeprägter kosmopolitischer Ader, niedergelassen. Sie nahm das Haus Rüdenberg als erste in Augenschein, und der gelernten Fotografin blieb der Reiz des Gebäudes trotz seines desolaten Zustands nicht verborgen. "Wir bewohnten in Strümp ein Einfamilienhaus, und eine Familie im Haus fand ich immer schon zu wenig. Mehrere machen es lebendiger, und außerdem mochte ich es immer, Arbeiten und Wohnen unter einem Dach zu haben. Man hat doch sonst viel zu wenig von seinem Zuhause. Außerdem war es für mich auf diese Weise viel leichter, im Architekturbüro meines Mannes mitzuarbeiten und zugleich eine aufmerksame Mutter zu sein", erzählt sie.

1978 kauften die Fellners das Haus und begannen mit der Restaurierung. "Es sah von innen und von außen einfach nur erbärmlich aus. Aber was immer wir an Teilen retten konnten, zum Beispiel Eschenholz-Handläufe aus dem alten Treppenhaus, haben wir aufgehoben, aufgearbeitet und wieder verwendet, wenn auch oft an anderer Stelle, weil wir das Haus ja auch für unsere Bedürfnisse herrichten wollten." In gewissem Rahmen wurde das Gebäude also auch verändert, was später aus gegebenen Gründen in kleinerem Umfang noch öfter geschah. So wurde auf der rechten Seite ein Aufzugturm hinzugebaut, und zwar so, dass sich zwischen ihm und der Hauswand der nach außen verlegte Treppenaufgang einschmiegen konnte. Und ein hässliches Loch im ersten Stock der vorderen Außenwand, einst durch ein Billigfenster notdürftig verschlossen, nahm man zum Anlass für einen ursprünglich dort nicht vorgesehenen Erker, passend zum Wintergarten aus dunkel gebeiztem Holz und Glas gefertigt. So gewann man drinnen zusätzlich Platz und mehr Licht. Entsprechend großzügig sind die Räume geschnitten, die Grundflächen, mit Böden aus Eichen- und Amarillo-Parkett ausgestattet, sind wohl proportioniert zu den 4,30 Meter hohen Decken. Auf allzu verspielte Ornamentik dort und an den Wänden oder gar in den Fenstern hatten schon Rüdenberg und sein heute nicht mehr feststellbarer Architekt verzichtet. Der in den Oberflächen glatte, aber geschwungene Linien an die Decken zeichnende Stuck und die bis an die Decke geführten Türfassungen mit Oberlicht, über den Durchgängen mit schlichten, milchverglasten Motiven verziert, zeigen bereits eine frühe Tendenz zum Art deco. Weiße Wände, bis zu 65 Zentimeter dick und von vorzüglicher klimatischer Wirkung, die kaffeebraunen Holzrahmen der Doppelfenster, bequeme Sitzmöbel in unterschiedlichen Designs und ein helles, aber warmes Licht, sowohl am Tage als auch elektrisch, schaffen auch in den großen Räumen, die für die Galerie genutzt werden, Gemütlichkeit.

Die Kombination aus der zeitlosen Modernität des baulichen Rahmens und den zeitgenössischen Einrichtungsgegenständen zeigt individuelle Handschrift, weit entfernt von jedwedem durchgehenden Styling, und harmoniert ausgezeichnet. Auch im Bad trifft man neben dem zeitgemäßen Komfort auf dieses Spiel der Stile, und selbst in der funktional eingerichteten Küche wurde der frühere Speisenaufzugschacht zu einer Nische mit Regal, in dem eine kleine Sammlung silberner Kannen Platz gefunden hat. Kunst findet sich übrigens nicht nur in den Ausstellungsräumen, sondern auch in den Zimmern, die von der Teeliebhaberin Fellner von Feldegg privat bewohnt werden. Insgesamt bietet das Haus etwa 1000 Quadratmeter Wohn- bzw. Nutzfläche. Das Architekturbüro Fellner von Feldegg ist nach wie vor dort untergebracht, wird inzwischen von Sohn Fabian geführt, und auch er wohnt mit im Haus.

Außerdem gibt es noch zwei weitere Wohnungen im Haus. So praktiziert das Familienunternehmen Fellner von Feldegg weiterhin die Idealvorstellung von Leben und Arbeiten unter einem Dach, und in Verbindung mit der Kunst entspricht dies auch einem der Ideale der Jugendstil-Bewegung. "Dieses Haus atmet einen besonderen Geist", erläutert die Galeristin und blickt von einer wettergeschützten Hochterrasse in den grünen Garten mit großem Teich. "Und das hängt auch damit zusammen, wer es einmal erbaut, und wem es rechtmäßig gehört hat. Das spüre ich bis heute und denke oft daran."

(RP)
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