Krefeld Lähmende Langsamkeit

Krefeld · KR WIE Krefeld

Erst der Trubel um das Cafe Del Sol, dann der Eklat um den Freizeitpark Elfrather See. In beiden Fällen ist es nicht richtig, auf die üblichen Verdächtigen, auf "die" Verwaltung oder "die" Politik, einzudreschen. Im Falle des Cafe Del Sol hat "die" Verwaltung ihren Teil getan – da waren es Teile des Rates, die zögerten; im Falle des Elfrather Sees, wo Investor Gerald Wagener wutentbrannt sein Vorhaben zurückzog, ist es zumindest verständlich, dass die Verwaltung etwa prüft, ob sie Fördergelder zurückzahlen müsste. In beiden Fällen fragt man sich aber: Muss das alles so lange dauern?

Mittlerweile ist das Genehmigungsgetriebe so komplex, dass man fast automatisch nach Satire-Vergleichen sucht. Der Kabarettist Dieter Nuhr hat dazu Folgendes gesagt: "In Ägypten haben früher 150 000 Leute 35 Jahre lang an einer Pyramide gearbeitet – bei uns arbeiten doppelt so viele Leute doppelt so lange allein an der Baugenehmigung." Wir leben in einer Republik der Langsamkeit, und das wird langsam bedrohlich. Wenn schon vergleichsweise unproblematische, kleine Bauvorhaben wie ein Restaurant an einer verkappten Stadtautobahn oder ein Freizeitpark im Schatten einer Müllverbrennungsanlage langwierig bis an den Rand des Scheiterns sind – wie umständlich sind dann erst Planungen für größere, ökonomisch ungleich bedeutendere Gebäude und Anlagen?

Natürlich ist es richtig, sorgfältig nach den Auswirkungen eines Vorhabens für die Menschen in der Umgebung zu prüfen; nur scheint bei uns die Balance aus Sorgfalt und lebenspraktikabler Schnelligkeit zunehmend aus den Fugen zu geraten. Die Republik der Langsamkeit schnürt sich mit ihrem Regelwerk zunehmend ihre Beweglichkeit ab. Ruhig kann man dabei nicht sein. Wir prüfen uns zu Tode.

Fatal wird es, wenn dann auch noch Fachleute und Politiker nicht stehen. Das Cafe Del Sol ist ein Beispiel: Nach menschlichem Ermessen, so kann man es den städtischen Prüf-Unterlagen entnehmen, wird der Verkehr zu diesem Restaurant die Anwohner nicht mehr belasten und keine Gefahr für die Grotenburgschüler mit sich bringen. Fachleute und Politiker müssten dazu stehen – und wenn sie es nicht tun, dann müssten sie ehrlich sagen, dass die Gutachteritis Augenwischerei ist. (Nur fürs Protokoll: Die Verwaltung stand beim Cafe Del Sol; sie hat geurteilt, die Ansiedlung sei zu vertreten, der Verkehr werde kaum spürbar sein.)

Wenn solche Gutachten stimmig sind, dann müssten Politiker stehen und sagen: Leute, beruhigt euch, eure Befürchtungen sind unbegründet. Wozu sonst hat man Gutachten? Wie viele Millionen gibt eine Stadt wie Krefeld eigentlich mittlerweile für Gutachten aus? Und wie viele Gutachten sind am Ende egal, weil niemand eine Konsequenz daraus zu ziehen bereit ist?

Wir stehen bald vor dem – wiederum satireverdächtigen – Befund, dass wir jedes Projekt totprüfen mit Gutachten, an die wir selbst nicht glauben. So etwas kann sich ein Gemeinwesen nicht ewig leisten. Die Republik der Langsamkeit lähmt Unternehmertum, Handel und Wandel – all das, was Jobs und Wohlstand schafft. Jens Voss

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort